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Tuesday, October 24 2017

Intersex-Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken - eine Genealogie

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[ Reloaded zum Intersex Awareness Day 2017 – leider immer noch aktuell ... ]

«Ah, ein Zwitter! Da müssen wir gleich ein paar lebenserhaltende Massnahmen ... öhm ... ABSCHNEIDEN!!!»

>>> Dokumentation "Intersex Genital Mutilations (IGM)" (PDF, 2.4 MB)   [ TRIGGER!!! ]
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150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Fakten und Zahlen
 

John Money & Co. - der Mythos vom Einzeltäter 


      INHALT
      1.  John Money als Sündenbock heutiger SeriengenitalverstümmlerInnen
      2.  Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) in westlichen Kinderkliniken
           – eine Genealogie der TäterInnen
                     a) NS-Medizin
                     b) Urologie
                     c) Gynäkologie
                     d) Endokrinologie
                     e) Genetik und Eugenik
      3.  "Eines der dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte"
     

1. John Money als Sündenbock heutiger SeriengenitalverstümmlerInnen

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

Zur Untermauerung ihrer >>> Medizyner-Märchenpropaganda, in heutigen Kinderkliniken seien chirurgische (Intersex-)Genitalverstümmelungen längst passé, bemühen heutige ZwangsoperateurInnen & Konsorten regelmässig den Namen eines 2006 verstorbenen Vorzeige-Sündenbockes.

Im >>> "Infobrief 02/10" (PDF --> S. 7) des Deutschen Ethikrates liest sich das dann beispielsweise so:

Kritisch betrachtete Richter-Appelt die früheren Behandlungsmaßstäbe, die besonders durch den amerikanischen Psychologen John Money in den 1950er-Jahren geprägt worden waren. Money hatte die These vertreten, dass [...] man intersexuellen Kindern [...] mit einer operativen Angleichung der Genitalien [...] ein eindeutiges Geschlecht klar zuweisen könne.
Ethikrat "Infobrief 02/10" (PDF --> S. 7)

Keine Frage, der noch 2002 in Berlin von der "Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS)" passend mit der "Magnus-Hirschfeld-Medaille" geehrte Vorzeige-Sexologe John Money (1921-2006) war ein unbarmherziger, gewissenlos agierender Serientäter, der mit seinen unmenschlichen "Zwillingsexperimenten" grosses Leid über zahllose Menschen brachte. Und der seine pseudowissenschaftliche Theorie zur Rechtfertigung der systematischen Genitalverstümmelungen von Kleinkindern mit "uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen" bis zu seinem Tode ungebrochen weltweit propagierte. Leider scheiterte 1997 eine Klage von David Reimer gegen den "Butcher of Baltimore" (Betsy Driver) wegen Verjährung.

Seit langen Jahren fordern zwangsoperierte Zwitter öffentlich die kritische Aufarbeitung von John Moneys medizinischen Verbrechen. Wenn die heutigen Täterinnen mittlerweile öfter John Moneys Namen nennen, ist ihr Anliegen allerdings ein anderes: Die MedizynerInnen benutzen den Verstorbenen vielmehr als Vorzeige-Sündenbock und Bauernopfer, um die durch vermehrte Medienberichte über überlebende Zwangsoperierte geweckte, kritische öffentliche Aufmerksamkeit abzulenken und zu binden – und gleichzeitig den Deckel auf dem eigentlichen Problem der auch in Deutschland fortdauernden, systematischen Genitalverstümmelungen an Kleinkindern zu halten.
 

2. Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) in westlichen Kinderkliniken
    – eine Genealogie der TäterInnen

Auch Im Ethikrat Infobrief 02/10 (PDF --> S. 7) wurde der Verbrecher John Money von der "Netzwerk Intersexualität/DSD"-"Expertin" Prof. Dr. Hertha Richter-Appelt konsequent als überholter Einzeltäter dargestellt.

Tasache ist jedoch, dass die in westlichen Kinderkliniken nach wie vor gängige Praxis der chirurgischen Genitalverstümmelungen an Kidern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen (Intersexe/Hermaphroditen/Zwitter) ihre Wurzeln in mehreren medizynischen Disziplinen hat und weder mit John Money begann, noch mit ihm endete:

Sinti- und Roma-Zwillinge
als Versuchskaninchen in Auschwitz.

a) NS-Medizin

Sogar John Money's berüchtigtstes "Zwillingsexperiment" wurde von Josef Mengele (1911-1979) vorweggenommen, der in Auschwitz damit experimentierte, bei Zwillingen das "Geschlecht" chirurgisch zu "ändern"  (vgl. Edwin Black: War against the Weak, S. 358, 494. Siehe auch das Interview mit dem Auschwitz-Überlebenden Hugo Höllenreiner im Spiegel, 2007).

Zu den "besonderen" Menschen, die Mengele (ausser den mittlerweile allseits bekannten Zwillingen und LilliputanerInnen) in Auschwitz bei der Selektion an der Rampe beiseite nehmen liess für "medizinische Experimente", gehörten auch "Hermaphroditen" (vgl. Yehuda Koren, Eilat Negev: In Our Hearts We Were Giants: The Remarkable Story of the Lilliput Troupe - A Dwarf Family's Survival of the Holocaust, Aufl. 2009, S. 77, sowie Auszüge aus der erweiterten Ausgabe von 2013 in Daily Mail und Guardian; weiter Robert J. Lifton: The Nazi Doctors: Medical Killing and the Psychology of Genocide, 1986, S. 360 / Deutsche Ausgabe 1998, S. 411).

Theoretischer Hintergrund für Mengeles medizinische Verbrechen an Zwittern war wohl die NS-Diagnose "Intersexuelle Konstitution", wonach Zwitter als "minderwertige Spezies" infolge von "Rassenvermischung" unter "Juden" besonders häufig seien; in diesem Sinne hielt Mengele am 1. September 1944 in Auschwitz auch einen Vortrag "Beispiele anthropologisch erbbiologischer Arbeiten im KL Auschwitz" (Gerald Posner/John Ware: Mengele. The Complete Story, Ausgabe 2000, S. 55 / Deutsche Ausgabe 1993: S. 79; Yehuda Koren, Eilat Negev: In Our Hearts We Were Giants: The Remarkable Story of the Lilliput Troupe - A Dwarf Family's Survival of the Holocaust, Aufl. 2009, S. 138, sowie Auszüge aus der erweiterten Ausgabe von 2013 in Daily Mail und Guardian). Mengele behauptete noch 1977 gegenüber seinem Sohn, er habe wissenschaftliche "Beweise" für die Minderwertigkeit u.a. der "jüdischen Rasse" (Gerald Posner/John Ware: Mengele. The Complete Story, Ausgabe 2000, S. 51 / Deutsche Ausgabe 1993, S. 75).

Diese ursprünglich auf den "jüdischen" Genetiker Richard Goldschmidt (1878–1958) zurückgehende "Lehre von der Intersexualität" (Naujoks 1934, "Zf. f. Geb. u. Gyn." S. 138, Downloadlink hier) wurde 1924 von dem österreichischen Gynäkologen Paul Mathes (1871-1923) und seinem Schweizer Kollegen Hans Guggisberg (1880-1977) unter dem Titel "Die Konstitutionstypen des Weibes, insbesondere der intersexuelle Typus" (In: Josef Halban, Ludwig Seitz: Biologie und Pathologie des Weibes. Bd.3, 1924) als eigenständige "völkische Diagnose" publiziert – und in der Folge von zahlreichen prominenten NS-Medizinern und "Rassenhygienikern" bis in die 1950er-Jahre propagiert (zur anfänglichen Rezeption vgl. Helga Satzinger: "Rasse, Gene und Geschlecht. Zur Konstituierung zentraler biologischer Begriffe bei Richard Goldschmidt und Fritz Lenz, 1916–1936". Forschungsprogramm „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“, Ergebnisse 15, 2004 >>> PDF). Nebst Josef Mengele (1911-1979, siehe oben) umfasst die dieser Liste einschlägiger NS-MedizinerInnen bisher Fritz Lenz (1887-1976), Wilhelm Weibel (1876-1945), Otto Flößner (1895-1948), Walther Stoeckel (1871-1961), Lothar Gottlieb Tirala (1866-1974), Robert Stigler (1878-1975), Otmar Freiherr von Verschuer (1896-1969, siehe unten), Adolf Butenandt (1903-1995, siehe unten), Hans Christian Naujoks (1892-1959, siehe unten) und Luise Kimm (>>> mehr).

Das NS-"Rassenhygiene-Standardwerk" Baur-Fischer-Lenz listete in der 4. Auflage von 1936 in Bd. 1 unter "Dritter Abschntt: Die krankhaften Erbanlagen" auf S. 402-404 selbstverständlich hintereinander: "Hypospadie", "Scheinzwittertum", "Intersexualität", "Kryptorchismus", "Epispadie".

1949-1966 betrug in der Kinderklinik Köln die Patientensterblichkeit von Kindern mit Intersex-Diagnose "AGS/CAH" 33%, z.T. wurden die meist "genitalkorrigierten" verstorbenen Kinder zu Forschungszwecken seziert für eine Dissertation von Manutscheher Mohtaschemi unter der Leitung des NS-Mediziners Carl Bennholdt-Thomsen (1903–1971), Kinderklinikdirektor und Präsident der "Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ)". Wie erst 2002 bekannt wurde, war der Bennholdt-Thomsen ab 1942 eine zentrale Figur der "Kindereuthanasie" im damaligen "Protektorat Böhmen und Mähren" (vgl. Michal Simunek: „Getarnt – Verwischt – Vergessen. Die Lebensgänge von Prof. Dr. Franz Xaver Lucksch und von Prof. Dr. med. Carl Gottlieb Bennholdt-Thomsen im Kontext der auf dem Gebiet des Protektorates Böhmen und Mähren durchgeführten NS-Euthanasie.“ In: Bayer / Sparong / Woelk (Hrsg.): Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit, 2004, S. 125–146, hier S. 142-145).(>>> mehr)

b) Urologie

Zur Serienreife gebracht waren chirurgische "Umwandlungs"-Techniken a.k.a. "Genitalkorrekturen" für Heraphroditen schon in den 1920er und 1930er-Jahren durch den "Vater der Urologie" Hugh Hampton Young (1875-1945) von der Johns Hopkins University in Baltimore (USA), wo nach dem 2. Weltkrieg dann u.a. Lawson Wilkins (siehe unten) und Money "wirkten" (und wo nochmals später wohl nicht ganz zufällig Judith Butler ihre erste Professur erhielt). Hugh H. Young publizierte seine chirurgischen "Experimente" in seinem Buch Genital Abnormalities, Hermaphroditism, and Related Adrenal Diseases (Baltimore, 1937; Auszüge hier).

Hugh Hampton Young wiederum hatte zuvor wohl die chirurgischen "Geschlechtsumwandlungs-Experimente" im Umfeld von Magnus Hirschfeld (1868-1935)  verfolgt, zumindest zitierte er Hirschfeld in seinem 1937 publizierten "Standardwerk", das von seinen Nachfolgern an der "Johns Hopkins University School of Medicine" bis 1971 in überarbeiteter Form neu aufgelegt wurde, wiederum inkl. Hirschfeld-Verweis (vgl. Hugh Hampton Young: Genital Abnormalities, Hermaphroditism, and Related Adrenal Diseases, S. 19f., 1937; Howard W. Jones / William Wallace Scott: Hermaphroditism, Genital Abnormalies, and Related Endocrine Disorders. Second Edition, S. 7, 1971; die erste Johnes/Scott-Ausgabe von 1958 enthielt zudem ein Vorwort von Lawson Wilkins).

Die erste moderne Buchpublikation zum Thema "Hermaphroditen und Chirurgie" stammte aus Argentien, verfasst von Carlos Lagos García (1880-1928): Las deformidades de la sexualidad humana (Buenos Aires, 1925; Auszüge hier). Lagos García setzte den Standard für alle weiteren Publikaten, im Speziellen betr. medizinische Zurschaustellung, "Trophy Shots" amputierter gesunder Lustorgane, und kosmetische Genitaloperationen bereits an Kindern.

Der wichtigste europäische Vorkriegs-Chirurg war Louis Ombrédanne (1871-1956), der für die nächsten 50 Jahre den Standard für "Hypospadie-Korrekturen" setzte. Ombrédannes einschlägige Buchveröffentlichung Les Hermaphrodites et la Chirurgie (Paris, 1939; Auszüge hier) wurde weltweit rezipiert.

Bei Ombrédanne in die Lehre ging u.a. der beaknnte Schweizer Kinderchirurg Max Grob (1901-1976). Grobs Lehrbuch der Kinderchirurgie (Stuttgart, 1957; Abb. rechts, mehr hier) enthielt ausführliche Kapitel sowohl über "verweiblichende" (Klitorisamputation plus "Vaginalplastik") wie auch "vermännlichende" ("Hypospadie-OPs") "Genitalkorrekturen" und wurde laut Kinderspital Zürich in sechs Sprachen übersetzt.

c) Gynäkologie

Der historische Ursprung westlicher serienmässiger Intersex-Genitalverstümmelungs- "Experimente" dürfte jedoch in der Gynäkologie liegen:

Spätestens im 19. Jahrhundert waren in der "westlichen Medizin" medizinisch nicht notwendige Klitorisamputationen auch an Kindern als "Therapie" gegen a) Masturbation, b) Hysterie c) "zu grosse Klitoris" verbreitet. Doch während Amputationen wegen a) und b) in der Medizin rasch umstritten waren, z.T. deutlich kritisiert wurden und spätestens nach 1945 kaum mehr nachzuweisen sind, verzeichneten kosmetische Amputationen wegen c) ab 1950 einen scharfen Anstieg und wurden bald weltweit systematisch und flächendeckend propagiert und praktiziert bis in die 1980er-Jahre (vgl. Abb rechts; zu J. Bierich siehe unten ).

Schon 1763 hatte der schlesisch-deutsche Arzt Gottfried Heinrich Burghart (1705-1776) dazu geraten, "das Abschneiden" einer "widernatürlich vegrößerten" Klitoris schon möglichst früh im Kindes- oder Jugendalter vorzunehmen, "zu mahl da nicht sonderlich starcke Blutgefäße, oder ansehnliche Nervenäste zu befürchten gewesen", und hatte die Klitorisentfernung mit der Amputation "überflüßiger Gliedmaßen" wie etwa eines sechsten Fingers verglichen. (Burghart: Gründliche Nachricht an seinen Freund *** von einem neuerlich gesehenen Hermaphroditen, Breslau/Leipzig 1763, S. 18; zit. n. Ulrike Klöppel: XX0XY ungelöst, S. 215f.)

1825 beschrieb ein von Carl Ferdinand von Graefe (1887-1840) verbürgter, anonymer Bericht über eine erfolgreiche "Heilung eines vieljährigen Blödsinnes, durch Ausrottung der Clitoris" bei einem 14-jährigen Mädchen; der zu dieser Zeit in Berlin in der Charité tätige von Graefe hatte auch die "Operation" durchgeführt. (Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung, 2002, S. 107ff.)

Im 1831 erschienenen Handbuch der Chirurgie, herausgegeben vom damaligen Direktor der Chirurgischen Kliniken der Charité, Johann Nepomuk Rust (1775-1840), wird ein "übergrosser Kitzler" bei "jungen Mädchen" indirekt als legitime Indikation zum "wegschneiden" angeführt. (Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung, 2002)

In den 1840ern führte James Marion Sims (1813-1883), der "Vater der Gynäkologie", zahllose "chirurgischen Experimente" an schwarzen Sklavinnen durch, ohne Betäubung, oft mit tödlichem Ausgang, bis zu 30 "Experimente" an derselben Person. (Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung, 2002, S. 113) Sims, der während des US-Bürgerkrieges hauptsächlich in London und Paris praktizierte, führte auch dort vielfach "erfolgreiche" Klitorisamputationen durch.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wurden in Europa und Nordamerika auch von anderen Medizynern uneingewilligte chirurgische Klitorisamputationen ("Klitorektomie") und weitere chirurgische Beschneidungen an Frauen vielfach propagiert und durchgeführt als "Heilmittel" gegen "Masturbation", "Lesbianismus", "Vaginismus", "Hysterie" und "Manien", u.a. in den 1860ern vom englischen Gynäkologen Isaac Baker Brown (1811–1873) sowie vom Wiener Gynäkologen Gustav Braun (1829-1911). (Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung, 2002, S. 91ff., S. 116ff.)

1875 amputierte ein Dr. Berendes in Deutschland einem 4-jährigen "Mädchen [...] auf Wunsch der Eltern [...] die angeblich hypertrophische Clitoris". (Franz Ludwig von Neugebauer: Hermaphroditismus beim Menschen, 1908, S. 282)

Im zwischen 1874 und 1896 in vier Auflagen erscheinenen Lehrbuch Die operative Gynäkologie propagierte der "Begründer der operativen Gynäkologie in Deutschland" und Mitherausgeber Alfred Hegar (1830-1914) "Abtragung der Clitoris. Clitoridectomia" u.a. bei "gewohnheitsmässiger Onanie", "Nymphomanie" sowie bei als "Raçeneigentümlichkeit" angeborener Vergrösserung. (Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung, 2002, 128ff.)

1892 "schnitt" Henri Albert Hartmann (1860-1952) in Paris "bei einem 7jähr. Mädchen, welches hartnäckig masturbierte, auf Wunsch der Mutter hin die hypertrophische Klitoris ab". (Franz Ludwig von Neugebauer: Hermaphroditismus beim Menschen, 1908, S. 234)

Ein weiterer bekannter Propagandist und Täter von Klitorisamputationen war in den 1890ern der amerikanische Gynäkologe A. J. Block (manchmal auch Bloch)aus New Orleans, 1894 führte er eine Klitorektomie an einer 9-Jährigen durch (vgl. u.a. John Duffy: "Clitoridectomy").

In Deutschland wurde die chirurgische Klitorisamputation bei "jugendlichen weiblichen Individuen" von der deutschen Medizynerin Maria Pütz noch 1923 in einer Dissertation offensiv propagiert (vgl. Wikpedia); die Empfehlung zur Kauterisation der Klitoris (= Behandlung mit Brenneisen) als "Heilmittel" gegen Masturbation wurden noch in der 1936er Ausgabe des Stadardwerks "Diseases of Infancy and Childhood" des US-Pädiaters Luther Emmett Holt (1855-1924) gedruckt (vgl. Jayme Waxman: "Masturbation in the Victorian Age").

Der prominente NS-Mediziner Hans Christian Naujoks (1892-1959) führte 1933 in Marburg erstmals eine kosmetische Genitalamputation "mit Stumpfbildung" an einem Zwitter durch (Dominik Leitsch: "Die Intersexualität – Diagnostik und Therapie aus kinderchirurgischer Sicht”, Dissertation 1996, S. 47), kombiniert mit Teilkastration und einer experimentellen hormonellen Fertilisierungsbehandlung ("Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie" Nr. 109/2 1934, S. 135-161, Downloadlink hier). An der 23. Jahrestagung der "Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie" (Vorläuferin der heutigen DGGG) von 1933 wurden Naujoks' Genitalamputationen gelobt als "geradezu prädestiniert für quantitative Bestimmungen der sog. „weiblichen“ und „männlichen“ Sexualhormone" ("Archiv für Gynäkologie" Nr. 1156/1-2, 1934, S. 11-99, hier S. 99, Downloadlink hier). In Köln war Naujoks 1934-1945 als Leiter der Universitäts-Frauenklinik an über 1'000 Zwangssterilisationen beteiligt. Er setzte aktiv ein für die "eugenische Indikation" zum Schwangerschaftsabbruch bei "erbkranken" Patientinnen. Als die Deutsche Ärztekammer 1972 Feten mit "Gefahr intersexueller Mißbildungen (Virilisierungen, Pseudohermaphroditismus)" bei "AGS/CAH" offiziell zur selektiven Spätabtreibung freigab (heute noch in Kraft), würdigte der Leitfaden ausdrücklich Naujoks' Vorarbeit vor und nach 1945. Nach 1945 war Prof. Dr. Naujoks u.a. Präsident der heute noch Zwitter-Genitalverstümmelungen propagierenden Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) sowie Träger des Großen Verdienstkreuzes der BRD.

d) Endokrinologie

Die Grundlagenarbeit zur "kontrollierten" Herbeiführung der Pubertät durch synthetisierte "Geschlechtshormone" bei kastrierten Zwittern hatte in den 1930ern und 1940ern in Nazideutschland Adolf Butenandt (1903-1995) geleistet, der spätere Präsident der "Kaiser Wilhelm Institut"-Nachfolgeorgansiation "Max Planck Gesellschaft", dessen Sohn Otfried Butenandt eine medizynische Karriere einschlug und bis in die späten 1990er Jahren in München Zwitter zwangsbehandelte (darunter auch Michel Reiter).

Adolf Butenandt versuchte in den 1930ern nebst "männlichen" und "weiblichen" Hormonen auch ein "Zwitterhormon" zu isolieren (Adolf Butenandt: "Chemische Konstitution und physiologische Wirkung bei Keindrüsenhormonen: die Herstellung eines bisexuellen Prägungsstoffes", in: Forschungen und Fortschitte Nr. 12, 1936, siehe auch: Jean Paul Gaudillière: "La fabrique moléculaire de genre", in: Löwy/Rouch: La distinction entre sexe et genre, S. 68). Butenandt Sr. betrieb dazu in Berlin noch in den 1940ern Forschungen "bei Hermaphroditen – sowohl bei Tieren als auch bei Menschen" (Jean Paul Gaudillière: "Biochemie und Industrie", in: Schnieder/Trunk (Hrsg.): Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 213; Hans Friedrich-Freksa, Adolf Butenandt: "Experimentelle Beiträge zur Frage nach der Möglichkeit des Vorkommens bisexuell wirksamer Hormone bei Zwittern", in: Biologisches Zentralblatt Nr. 62, 1942). Butenadt erhielt 1939 (gemeinsam mit Leopold Ruzicka, Zürich) den Nobelpreis für Chemie für die Identifizierung der Sexualhormone Östrogen, Progesteron und Androsteron, den anzunehmen er jedoch verweigerte als Gunstbeweis für die Nazis. Sein Nachlass bei der "Max Planck Gesellschaft" wurde sorgfältig von allen womöglich kompromittierenden Dokumenten aus der Nazi-Zeit "gesäubert" (vgl. Robert N. Proctor: Adolf Butenandt (1903–1995). Nobelpreisträger, Nationalsozialist und MPG-Präsident. Ein erster Blick in den Nachlass, Berlin 2000)

Der nach dem 2. Weltkrieg im Johns Hopkins Spital als Leiter der Endokrinologie tätige Lawson Wilkins (1894-1963), der "Vater der pädiatrischen Endokrinologie", muss als der eigentliche "Erfinder" der systematischen chirurgischen Genitalverstümmelungen an Kleinkindern angesprochen werden, die er dort 1950 wohl erstmals publizierte (vgl. Alison Redick: American History XY, S. 238) – nicht zuletzt, weil erwachsene Zwitter (worüber schon Hugh H. Young klagte) sich regelmässig gegen die "Behandlungen" sträubten (vgl. Elizabeth Reis: Bodies in Doubt, S. 113). Wilkins' Buchpublikation The Diagnosis and Treatment of Endocrine Disorders in Childhood and Adolescence (Springfield, 1950; Abb. rechts, mehr hier) dokumentiert u.a., dass in Baltimore am der Johns Hopkins University Hopsital spätestens seit 1950 sämtliche als "genital abnormal" diagnostizierten Kinder systematisch kosmetischen Genitaloperationen unterworfen wurden, je nach sozialer Geschlechtszuweisung entweder in "verweiblichende" oder "vermännlichende" Richtung.

Der schweizer Endokrinologe Andrea Prader (1919-2001), Erfinder der "Prader-Skala" und späterer Direktor des Kinderspitals Zürich, hospitierte 1950 bei Wilkins und trug wesentlich bei zur Etablierung der systematischen frühkindlichen Verstümmelungen in Europa (vgl. Ulrike Klöppel: XX0XY ungelöst, S. 348). Ebenfalls bei Wilkins in die Lehre ging 1958 der Hamburger Kinderendokrinologe Jürgen Bierich (1921-1994), der mindestens bis 1971 unbeirrbar predigte: "Die Orgasmusfähigkeit leidet durch die Klitorisentfernung nicht."  Prader und Bierich waren zudem beide Gründungsmitglieder der "European Society for Peaediatric Endocrinology (ESPE)", und in beider Namen werden heute noch jährlich wissenschaftliche Preise vergeben, nämlich der "Andrea Prader Prize" von der "ESPE" und der "Jürgen Bierich Preis" von der "Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)".

Experimentelle Vorarbeit für Butenandt, Wilkins, Prader und Bierich hatte in den 1920ern der Österreicher Eugen Steinach (1861-1944) geleistet durch chirurgische Tier- und Menschenexperimente mit Hoden- und Eierstocktransplantationen, u.a. auch zwecks "Heilung" von Homosexualität. Steinach wurde dabei praktisch und publizistisch unterstützt von Magnus Hirschfeld (1868-1935), seinerseits Anhänger der Eugenik sowie Mitglied in der "Gesellschaft für Rassenhygiene".

In Amerika hatte der Gefängnischirurg Leo Stanley (1886-1976) von 1913-1951 im Gefängnis San Quentin zahllose ähnliche Menschenexperimente an Insassen praktiziert, ebenso "eugenische Experimente" und Zwangssterilisationen.

1944 experimentierte der dänische SS-Medizyner Carl Værnet (1893-1965) im KZ Buchenwald mit einer chirurgisch-mechanischen Depotabgabe von Testosteron, quasi die experimentelle Synthese der Forschungen von Steinach und Butenandt (Davidsen-Nielsen/Høiby/Danielsen/Rubin: Carl Værnet, S. 183f.).

e) Genetik und Eugenik

Der Begiff "Intersex" geht ursprünglich zurück auf den "jüdischen" Genetiker Richard Goldschmidt (1878–1958) (siehe oben NS-Diagnose "Intersexuelle Konstitution").

"Zwillingsexperimente" à la John Money waren seit dem 19. Jahrhundert das Steckenpferd organisierter EugenikerInnen nicht nur in der deutschen "Gesellschaft für Rassenhygiene", sondern in der gesamten "westlichen Zivilisation". "Eugenische Forschungen" zwecks besserer Erkennung sowie anschliessender Vernichtung von Zwittern, bei schon Geborenen durch hormonelle und chirurgische Verstümmelungen sowie in Deutschland ab 1972 auch pränatal durch (Spät-)Abtreibungsindikationen (vgl.auch Ulrike Klöppel: XX0XY ungelöst, S. 470), wurden von (NS-)Medizinern auch nach dem 2. Weltkrieg ungebrochen weitergeführt, bei vermuteten "AGS-Mädchen" zusätzlich auch mittels experimenteller pränataler Dexamethason-"Therapien".

Oft mit Hilfe altbewährter NS-Seilschaften: Hormonforscher Adolf Butenandt war nach 1945 beispielsweise auch treibende Kraft hinter der Rehabilitation seines verehrten Kollegen, des Nazi-Eugenikers und Mengele-Doktorvaters Otmar Freiherr von Verschuer (1896-1969), der (wie auch seine Kollegen in Amerika) sein Fach nach 1945 einfach flugs von "Eugenik" zu "Genetik" umbenannte und unbeirrbar und ungehindert weiter"forschte", u.a. über "Pseudohermaphroditismus als eigenständige pathologische Erbanlage" bzw. "Genetische Grundlagen der Sexualkonstitution" (1956).

Sowohl in Amerika (u.a. beim CIA) wie auch in Deutschlands Medizynerkaste nach 1945 konnten bekanntlich praktisch alle einschlägigen Nazi-Medizyner ihre nur kurz unterbrochene Karriere mehr oder weniger nahtlos weiterführen. Nicht einmal Josef Mengele (1911-1979) wurde nach dem Krieg je zur Rechenschaft gezogen.

Heute sind die meisten D$D-Millionen-TäterInnen-"Forschungs"projekte Genetik-zentriert, z.B. EuroDSD und DSDnet, und von den heutigen "vorgeburtlichen Aussonderungsraten" von "Feten mit D$D" konnten seinerzeitige NS-RassenfanatikerInnen nur träumen ...

 

3. "Eines der dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte"

Die Rolle all dieser honorigen (NS-)Mediziner bei der Etablierung der systematischen menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen an Zwittern wird auch heute noch im öffentlichen Diskurs wie auch in offiziellen Biographien regelmässig ausgeklammert – sogar dort, wo sie (wie z.B. bei Adolf Butenandt, Hugh Hampton Young, Lawson Wilkins und Andrea Prader) wohldokumentierter und zentraler Bestandteil ihrer akademischen Karriere sind. Noch 2011 zensierte der Deutsche Ethikrat die Nennung entsprechender Namen und Quellen, und leugnete "Verbindungslinien" zur NS-Medizin.

Offensichtlich will sich keinE akademischeR ForscherIn die Finger verbrennen mit einer systematischen Aufarbeitung der Intersex-Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken, obwohl – oder eben weil – sie "zu den dunkelsten Kapiteln der Medizingeschichte" zählen (Apotheken-Umschau 1.6.2011, S. 3), und zwar gleich im doppelten Sinn. Statt die Verbrechen endlich als solche anzuerkennen und aufzuarbeiten, wird lieber zum x-ten Mal die "Geschichte der Entstehung von Geschlecht (Gender)" erzählt, und die medizynischen Verbrechen an Zwittern grad noch einmal schamlos als "Rohmaterial" für akademische Forschung und Theoriebildung missbraucht, diesmal einfach vorgeblich "kritisch" im Namen von "Gender",

Ungebrochen wird im öffentlichen "Intersex"-Diskurs der Mythos vom Einzeltäter John Money hochgehalten (vgl. das eingangs vom Deutschen Ethikrat zitierte Beispiel), und von den Medizyner-LeugnerInnen werden die heute noch täglich an Zwittern begangenen medizinischen Verbrechen – sofern sie überhaupt eingeräumt werden –, nach bekanntem Muster bequemerweise stets zeitlich und personell streng beschränkt auf das Wirken John Moneys.

Während gleichzeitig auf politischer Ebenen John Moneys alter und neuer "Gender"-Fanclub (inkl. Judith Butler und Alice Schwarzer) mehr und mehr öffentlich verkündet, Moneys Name sei zu Unrecht zum Synonym seiner medizynischen Verbrechen (nicht nur) an Zwittern geworden, eigentlich habe Money nämlich recht gehabt und sei so schlimm auch gar nicht gewesen, und überhaupt, statt dauernd über körperliche Unversehrtheit und die täglichen Genitalverstümmelungen sollten wir jetzt doch gescheiter alle zusammen mal über die wirklich zentralen Dinge im Leben privilegierter Nicht-Verstümmelter reden, nämlich z.B. über Geschlechtsidentität, Geschlechtsidentität, Personenstand, Personenstand, sexuelle Identität, sexuelle Identität und, äh, sexuelle Identität.

Die SeriengenitalverstümmlerInnen dankenund operieren unkontrolliert weiter ...

58% aller Kinder von 0-3 Jahren sind zwangsoperiert. 87% aller Kinder von 4-12 Jahren sind zwangsoperiert. 91% aller Jugendlichen sind zwangsoperiert. 90% aller Erwachsenen sind zwangsoperiert. (BMBF-Studie mit 434 Proband_innen, 2009)

BMBF-finanzierte "Lübecker Studie" (mit Schweizer und Österreichischer Beteiligung) und 434 Proband_innen
Quelle: Martina Jürgensen: "Klinische Evaluationsstudie im Netzwerk DSD/Intersexualität:
Zentrale Ergebnisse", Vortrag Berlin 27.05.2009, Folie 6.

>>> Alle Folien als PDF)

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Fakten und Zahlen
>>> Chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe
 
Siehe auch:

- Zwangsoperationen an Zwittern: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) in Deutschen Kinderkliniken
- Intersex-Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg  
- Krebslüge und Zwangskastrationen an Zwittern
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- Ulrichs-Hirschfeld-Money-Butler
- "Who killed David Reimer?"
- David Reimer: Klage gegen John Money – erfolglos wegen Verjährung
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Amnesty: Zwangsoperationen "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit
- Genitalverstümmelungen an Zwittern gleich schädlich wie weibliche Genitalverstümmelung - Terre des Femmes, 2004
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Hanny Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal", 2003)
- "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org zum "Forum Bioethik" 23.6.10
- Intersexuelle enttäuscht vom Ethikrat – "kein Handlungsbedarf" bei Genitalverstümmelung?!

GenitalabschneiderInnen, wir kriegen euch! ZwangsoperateurInnen, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Sunday, September 4 2016

Trans-Mensch Xander Dorn neu "Intersexuell" – Typisches Beispiel für die Folgen der Intersex-Vereinnahmung von "Dritte Option"

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Solidarität mit Zwittern statt Vereinnahmung

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Xander Dorn ist parteiloser Stadtrat_in in Mainz und "beschreibt sich selbst als Transgender" (Quelle).

Seit letztem Donnerstag ist er nun neuerdings auch "intersexuell" – unter Berufung auf "[d]ie Kampagnengruppe „Für eine dritte Option“":

"Mainzer Stadtratsmitglied Xander Dorn kämpft für Anerkennung von Intersexualität

[...] Xander Dorn ist einer dieser Menschen. Der Mainzer wurde zwar mit männlichen Geschlechtsorganen geboren, fühlt sich aber nicht als Mann, bedeutet: weder weiblich noch männlich, ein wenig von beidem, aber ganz sicher nicht eins von beidem. Vor drei Jahren beantragte Dorn die Korrektur seines im Melderegister eingetragenen Geschlechts. [...]

Kritik an Ausgrenzung und Stigmatisierung

Die Kampagnengruppe „Für eine dritte Option“ reicht am Freitag eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Xander Dorn ist einer der Menschen, die Anerkennung wollen. [...]"

Fazit: Typisches Beipiel der Folgen der systematischen Vermischung von Intersex und Trans* und Intersex-Vereinnahmung durch die Kampagne "Dritte Option", die sich zwar in den Medien stets als "Intersex"-Kampagne verkauft, tatsächlich aber Transgender-Forderungen stellt (und mit dem Transgender-Symbol arbeitet) und auch vor Pinkwashing von IGM nicht zurückschreckt – zum Schaden aller Intersex-Menschen (und -Unterstützer_innen), die für Intersex-Anliegen kämpfen, und speziell für die unbestrittene Intersex-Forderung Nr. 1, die Beendigung der Intersex-Genitalverstümmelungen. Vielen Dank auch, "Dritte Option"! Vereinnahmung + Pinkwashing stinkt!! 

Siehe auch:
- "Dritter Personenstand" als Allheilmittel gegen IGM? Denkste!
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Intersex-Vereinnahmung
- Die Rede von der "psychischen Intersexualität"
- Du sollst nicht die Leiden der Zwitter als Aufhänger und 'Material' für deine eigenen Forderungen und Kämpfe benutzen! 
- Bundestag: Zwitter als Kanonenfutter für "sexuelle Identität" 
- LSVD und Zwittersolidarität: 1 Schritt vor, 3 Schritte zurück?
- "Zwitter-Neid": Zwischengeschlechtliche als (fiktives) Ideal 
-
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: "Du sollst den Begriff 'intersexuell' nicht unnütz gebrauchen!" 
- GPGF Basel 10.-12.09.09: Stop Vereinnahmung des Zwittersymbols im Namen von "Gender" und "Psychiatrie"! 
- Warum Zwitterforderungen, worin zu oberst nicht die schnellstmögliche Beendigung der Zwangsoperationen steht, keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Warum Zwitterforderungen, worin es um "sexuelle Identität" geht statt um "Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung", keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Zwitter als Kanonenfutter für die Transgenderagenda 
- Etwas Solidarität mit Intersexuellen, bitte ...
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter zwangsoperiert, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)

Saturday, May 16 2015

Zwitter und progressive LGBTs gegen Intersex-Vereinnahmung

'Bild: Intersex Proteste gegen den "4. Weltkongress der Kinderchirurgie WOFAPS", Berlin 14.10.2013

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[ Reloaded zum IDAHOT* 2015 ]

Solidarität mit Zwittern statt VereinnahmungDie ungefragte politische Adoption von Zwittern als Unterabteilung von "sexuelle Identität", "Sexualität(en)", "(Trans-)Gender" usw. trägt bei zur Unsichtbarmachung der realen, zwangsoperierten Zwitter und ihrer spezifischen Anliegen in der öffentlichen Wahrnehmung.

Die Geschichte der Kritik an dieser Vereinnahmung inkl. Aufforderungen zur Selbstreflexion ist wohl so alt und vielfältig wie der Kampf der Zwitter gegen genitale Verstümmelung und für "Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!" 

Wird 2015 das Jahr, in dem diese begründete Kritik von organiserten LGBTs endlich überall umgesetzt wird? 

Vertreter_innen englischsprachiger Zwitterorganisationen kritisieren seit langen Jahren Vereinnahmung ("appropriation") durch LGBT-Interessen:

Raven Kaldera:
"Dangerous Intersections: Intersex and Transgender Differences" (2001)
>>> http://www.ravenkaldera.org/gender-archive/intersection/dangerous-intersections.html

Chris Somers:
"The appropriation of the Intersexed" (2002) --> S. 20 im PDF
>>> http://www.aissga.org.au/daisy/dAISy%20Sept02.pdf

Caitlin Petrakis Childs (-> Blog) in Kommentaren auf "Queers United" (ab 14.7.2009 2:27pm):
>>> http://queersunited.blogspot.com/2009/07/word-of-gay-intersex-surgery.html

Nicky (-> Blog) in einem Thread auf "A Room of our Own" (2009):
>>> http://web.archive.org/web/20090915181354/http://aroomofourown.wordpress.com/2009/03/26/in-support-of-intersexed-classifiedraised-as-female/#comment-2525

Aidan Dunn:
Excerpt from a reading @ "For Lack of a Better Word" (2007) (5 min video clip)
>>> http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=bbG43uUHjwo

Ebensolange kritisieren Zwitter-Aktivist_innen den Missbrauch von zwangsoperierten Zwittern als "Daten- und Rohmaterial" im Rahmen von Gender Studies – und fordern stattdessen aktive Solidarität:

"Die Ergebnisse dieser Pilotstudie bestätigten unsere Vermutung, dass Intersex Hauptsächlich als Forschungsobjekt verstanden wird, um den Begriff der Zweigeschlechtlichkeit (und des Sexismus, sowie der Homophobie) zu dekonstruieren, und nicht als ein Thema gesehen wird, das in der realen Welt Implikationen für reale Leute hat."

"Auch wenn die Lehrenden die besten Absichten hegen, untergraben fehlendes Bewusstsein für und die fehlende Beachtung der Realitäten von Intersexuellen die adäquate Darstellung des Themas. Dabei werden unbeabsichtigt die Nicht-Sichtbarkeit und die Objektivierung der Intersexuellen perpetuiert." 

Emi Koyama (-> Homepage) / Lisa Weasel:

"Von der sozialen Konstruktion zu sozialer Gerechtigkeit. Wie wir unsere Lehre zu Intersex verändern."
 (2002)    >>> PDF (1.47 MB) 
In: Die Philosophin. Forum für feministische Theorie und Philosophie. 14. Jahrgang, Heft 28, Dezember 2003: "Intersex und Geschlechterstudien". Tübingen: Edition Diskord, 2003, S. 79-89.
Die englische Originalversion ist auch in dieser Online-Broschüre enthalten:
Emi Koyama (-> Homepage) / Lisa Weasel / Alice Dreger:
"Teaching Intersex Issues. A Guide for Teachers in Women's, Gender and Queer Studies. Second Edition" (2003)
>>> http://www.ipdx.org/publications/pdf/teaching-intersex.pdf

Vereinzelt beginnt dieses Unrecht bei den Kritisierten wenigstens theoretisch reflektiert zu werden. So kommt eine kritische Untersuchung von 4 exemplarischen Texten der Gendertheorie zum Schluss:

Die politischen Forderungen nach körperlicher Selbstbestimmung einer breit angelegten Medizinkritik oder einer Kritik der Zweigeschlechtlichkeit, welche die Individuen nicht aus dem Fokus verliert, finden sich ich den von mir gewählten gendertheoretischen Texten nicht wieder. Im Gegenteil lässt sich durchaus sagen, dass Intersexualität nur als abstrakt bleibende Widerlegung des Prinzips Zweigeschlechtlichkeit Eingang in die von mir kritisierten Texte findet. [...]

Eine theoretische Behandlung von Intersexualität, welche die Forderungen von Aktivist_innen nicht mitdenkt, schafft eine textuelle Wirklichkeit, in der eine «Gruppe» eine andere repräsentieren kann und Individuen bestimmte Kriterien erfüllen müssen, um an Diskursen teilnehmen zu können.

Joke Janssen:
"Theoretisch intersexuell. Wie intersexuelle Menschen zwischen den Zeilen bleiben." (2006/2009)
In: AG Queer Studies (Hrsg.): "Verqueerte Verhältnisse. Intersektionale, ökonomiekritische und strategische Interventionen" Hamburg, Männerschwarm Verlag, 2009, S. 165-184
>>> Relevante Auszüge sowie die ursprüngliche Fassung von 2006 als PDF

Progressive Feministinnen kritisieren seit über 10 Jahren die teils rassistischen Hintergründe des Umstands, dass Genitalverstümmelungen an Zwittern nicht auf der gleichen Stufe bekämpft werden wie Genitalverstümmelungen an Frauen:

"Deutlich ist jedenfalls, dass sich feministische Medien für Genitalverstümmelungen als alltäglicher medizinischer Praxis in modernen westlichen Gesellschaften nicht interessieren, während - häufig rassistisch gefärbte - Beiträge über "unzivilisierte" Praktiken der Klitorisbeschneidung und Verstümmelung in einigen afrikanischen Staaten durchaus zum bewährten Repertoire zählen."

Antke Engel:
"Ene mene meck und du bist weg. Über die gewaltsame Herstellung der Zweigeschlechtlichkeit" (1997)
Hamburger Frauen Zeitung, No. 53, Herbst 1997, S. 26-28
>>> https://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Antke-Engel:-Ene-mene-meck-Hamburger-Frauenzeitung-53-1997

"Western feminism has represented African genital cutting as primitive, irrational, harmful, and deserving of condemnation. The Western medical community has represented its genital cutting as modern, scientific, healing, and above reproach. When will Western feminists realize that their failure to examine either of these claims “others” African women and allows the violent medical oppression of intersex people to continue unimpeded?"

Nancy Ehrenreich / Mark Barr:
 "Intersex Surgery, Female Genital Cutting, and the Selective Condemnation of 'Cultural Practices'" (2005)
Harvard Civil Rights-Civil Liberties Law Review Vol. 40 (Winter 2005), S. 71.
>>> http://www.law.harvard.edu/students/orgs/crcl/vol40_1/ehrenreich.pdf  

"Vor allem darf nicht der Eindruck entstehen, »der Westen« wolle in anderen Teilen der Welt etwas durchsetzen, was er selbst nicht beachtet. Ich denke dabei an etwas, das in der westlichen Kultur seinen Ursprung hat und seit Ende der fünfziger Jahre praktiziert wird, nämlich die Genitalverstümmelung intersexuell geborener Kinder, deren mehrdeutige Geschlechtsorgane mit dem Skalpell manipuliert werden, damit sie einem nur von den Erwachsenen angenommenen Idealbild weiblicher oder männlicher Genitalien entsprechen. Nur wenn »zu Hause« dieselben Maßstäbe gelten wie andernorts, ist der Einsatz für die Menschenrechte glaubhaft."

Konstanze Plett:
"Die Macht der Tabus" (2008)
amnesty journal 03/08
>>> http://schattenblick.net/infopool/buerger/amnesty/bagru265.html

Gar Ansätze zu einer kritischen Aufarbeitung der feministischen (Ideen-)Geschichte und ihrer Verwicklungen in der Durchsetzung der genitalen Zwangsoperationen im Namen von "Gender" wurden schon geleistet:

"Ohne sich der Quelle bewusst zu sein oder darauf zu reflektieren, 'umarmte' die zweite amerikanische Frauenbewegung den nützlichen Begriff Gender und begründete mit ihm den Ursprung einer neuen wissenschaftlichen Spezies (Disziplin), die Gender Studies."

"Vonnöten ist allerdings nicht nur ein Bewusstsein der Gender Studies gegenüber der Real-Existenz von Intersexualität und den traumatisierenden Effekten des gegenwärtigen Gender Normalisierungsregimes, sondern es ist ebenso zentral, die Genealogie der Kategorie Gender erneut zu durchschreiten und die Geschichte ihrer Operationalisierung mit der Tatsache zu konfrontieren, dass sie sozusagen in ihrer Ursprungsszene schon 'operativ' war."

Gabriele Dietze:

"The Cutting Edge of Gender Studies. Die Geburt der Kategorie Gender aus dem Geist des Skalpells"
 a.k.a "Schnittpunkte. Gender Studies und Hermaphroditismus"
 (2006)
>>> In: Dietze / Hark (Hg.): "Gender kontrovers. Genealogie und Grenzen einer Kategorie." Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, 2006, S. 46-68.

Auch progressive Schwule kritisieren seit Jahr und Tag die unreflektierte Vereinnahmung von Zwittern:

"Dass sich gerade [Transsexuelle sowie Lesben und Schwule] dieses Themas annehmen, liegt an einem Überschuss von Projektion. Sie sehen nicht, dass ihre Problematik, d. h. die Problematik von Coming-out und gesellschaftlicher Anerkennung, nicht die von Hermaphroditen ist. Sie sehen nicht, dass die ungefragte Adoption von Hermaphroditen durch die Lesben-, Schwulen- und Trans[*]bewegung einer Überrumpelung und Kolonialisierung gleichkommt und moralisch unzulässig ist, weil sie das eigentliche Anliegen von Menschen mit medizinischer Gewalterfahrung überdeckt."

Georg Klauda:
"Über die Verstümmelung von Hermaphroditen" a.k.a. "Fürsorgliche Belagerung" (2002)
>>> Relevante Auszüge   >>> Vortragsfassung kpl   >>> Druckfassung kpl | PDF

Vereinzelt wird diese Vereinnahmung durch "ungefragte Adopition" (Georg Klauda, siehe oben) durch LGB(T)-Organisationen sogar zumindest schon konkret konstatiert, wie hier in einer Dissertation am Beispiel von ILGA:

"Diese Befürchtung [von ‹Transsexuellen› und ‹Transgendern› instrumentalisiert zu werden und in ihrem Diskurs unterzugehen] ist mit Blick auf die inflationäre Verwendung von LGTBQI, wenn eigentlich vor allem LGB gemeint ist, nachvollziehbar. (41)
(41) So zeigt zum Beispiel ein aktuell erschienener Bericht der International Lesbian Gay and Bisexual Association (ILGA) [sic! korrekt: International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA)] über die weltweite Homophobie (Ottoson 2009) inklusive einer Übersichtskarte Lesbian and Gay Rights (ILGA 2009), dass Intersex abgesehen von der Namensgebung (allerdings fließt das ‹I› noch nicht mal ins Kürzel ein) kein Thema ihrer Arbeit ist und es eigentlich um die Legalität homosexueller Praktiken und Lebensweisen geht. Im Bericht kommt Intersex als Begriff denn auch nur zweimal in Form von Aufzählungen vor."

Kathrin Zehnder:
"Zwitter bein Namen nennen. Intersexualität zwischen Pathologie, Selbstbestimmung und leiblicher Erfahrung." (2010)
>>> Bielefeld: transcript Verlag, 2010, S. 268
 

Seit 2009: Beendigung der menschenrechtswidrigen Genitalverstümmelungen an Zwittern als realpolitische Forderung

Als erste grosse LGBT-Organisation hat 2009 der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) die Anliegen der Zwitter endlich ernst genommen. U.a. in einem sensationellen erstmaligen Wahlprüfstein Nr. 9 "Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen bekämpfen!" kritisiert der LSVD die genitalen Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und Zwangshormontherapien an Zwittern ausdrücklich als "erheblichen Verstoß gegen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde" und fordert konkrete Massnahmen.

Mit dieser Formulierung bezog sich LSVD direkt auf die Forderungsliste des Dachverbandes der Selbsthilfegruppen Intersexuelle Menschen e.V. vom Juni 2008, die in der Präambel ebendiese Rechte explizit einfordert, sowie an erster Stelle die Beendigung der Zwangseingriffe. Auch OII Deutschland / IVIM fordert seit Frühjahr 2009 an erster Stelle "Das Recht auf körperliche Unversehrtheit" (gefolgt von "2. Das Recht auf Schutz vor medizinischer und/oder psychologischer Misshandlung, Bevormundung und Zwang"). Dieser Blog und die daraus hervorgegangene Menschenrechtssgruppe Zwischengeschlecht.org fordern bekanntlich seit jeher "Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!" und "Menschenrechte auch für Zwitter!", insbesondere das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung

Diese Solidarität des LSVD mit dem Kampf der Zwitter gegen Genitalverstümmelungen zeigte bereits erste Wirkung: 4 von 5 Bundestagsfraktionen bezogen darauf Stellung gegen genitale Zwangsoperationen!

(Die einzige Partei, die unbeirrbar an den Genitalverstümmelungen an Zwittern festhält, nämlich die CDU/CSU, verwechselte bezeichnenderweise in ihrem Statement "Intersexualität" einmal mehr mit "sexueller Orientierung" a.k.a "sexueller Identität" – und befindet sich damit leider in 'bester Gesellschaft' u.a. mit Bündnis 90/Die Grünen und Amnesty Schweiz ...)

Nachtrag 2010: Aktuell scheint leider auch der LSVD gemeinsam mit SPD/Grüne/Linke wieder zurückzukrebsen, noch dazu deutlich hinter die Startlinie – schade, schade, schade!

Nachtrag 2010: Auch im Bundestag erreicht die Vereinnahmung ein noch nie dagewesenes Ausmaß. In den 7 Monaten vom 26.11.09-30.6.10 wurde der Begiff "Intersex" in 29 offiziellen Dokumenten benutzt – genauer gesagt missbraucht: KEIN EINZIGES Mal ging es dabei um die Beendigung der Genitalverstümmelungen oder sonst um spezifische Zwitterforderungen, sondern ausnahmslos um LGB(T)-Eigeninteressen.

2009 forderte Terre des Femmes Schweiz anlässlich einer Vernehmlassung zu einem Gesetzesvorschlag gegen weibliche Genitalverstümmelung ausdrücklich auch ein Verbot von genitalen "Zwangsoperationen von Zwischengeschlechtliche Betroffenen" und bedauerte, dass diese nicht auch in den Gesetzesentwurf eingeschlossen wurden. Auch die Grünen Schweiz hatten eine entprechende Vernehmlassungs-Stellungnahme abgegeben. Amnesty Schweiz bedauerte in ihrer Vernehmlassung ebenfalls, dass "Genitalverstümmelungen an Intersexuellen (besser bekannt als Hermaphroditen) nicht angesprochen wurde[n]" – leider mit der altbekannten vereinnahmenden "Begründung", die Zwangsoperationen würden "Verletzungen der sexuellen Identität dieser Menschen [...] darstellen", und zeigt sich der verantwortliche LGBT-Flügel von Amnesty Schweiz / "queeramnesty" zunächst uneinsichtig.

Nachtrag 2010: In einer einstimmig verabschiedeten, historischen Motion hat Amnesty Schweiz inzwischen die Zwangsoperationen politisch sinnvoll ins Zentrum gestellt und explizit gerügt als "schweres Verbrechen, das gegen die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde verstösst", gefolgt von Amnesty Deutschland

Nachtrag 2011: Der UN-Ausschuss gegen Folter fordert gesetzgeberische Maßnahmen gegen IGM und zur Sicherstellung des Rchtszugangs für Überlebende.

Nachtrag 2012: Die schweizerische Nationale Ethikkomission (NEK-CNE) fordert in ihrer Intersex-Stellungnahme explizit gesetzgeberische Überprüfung von Intersex-Verstümmelungen, sowohl zivil- wie auch strafrechtlich, und inkl. Verjährungsfristen – das 1. Mal überhaupt, dass eine staatliche Stelle Klartext redet, weshalb die Stellungnahme auch von Intersex-Organsiationen in der ganzen Welt hervorgehoben wird. – Der Deutsche Ethikrat hatte demgegenüber eine klar verstümmlerInnenfreundliche Stellungnahme abgegeben, die einzig betreffend Personenstand konkrete gesetzgeberische Forderungen stellt, es bezüglich IGM-Praktiken bei unverbindlichem Blabla belassen – mit umgehenden Folgen:

Nachtrag 2013: 3 Anträge von SPD, Linke und Grüne fordern ein gesetzliches Verbot von Genitalverstümmelungen – alle Anträge werden jedoch schlussendlich mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Parallel zu diesem Freipass für Intersex-VerstümmlerInnen verabschiedete der Bundestag (ohne Konsultation der Betroffenen und ihren Organsiationen) eine stigmatisierenden Intersex-Personenstandsmurks, der von Intersex-Menschen und ihren Organsiationen rund um den Globus kritisiert wird. Im gleichen Jahr forderten demgegenüber der UN-Sonderberichterstatter gegen Folter und der Europarat gesetzgeberische Maßnahmen zur Beendigung der Intersex-Genitalverstümmelungen.

Nachtrag 2014: WHO, UNICEF und 5 weitere UN-Gremien fordern gesetzgeberische Maßnahmen gegen IGM-Praktiken, sowie Datenerfassung, Monitoring, Aufarbeitng und Wiedergutmachung.

Nachtrag 2015: Der UN-Kinderrechtsauschuss klassifiziert Intersex-Genitalverstümmelungen als schädliche Praxis – und Malta verbietet als erstes Land IGM-Praktiken, wenn auch vorerst nur zivilrechtlich, ohne Anpassung der Verjährungsfristen und ohne Gewährleistung des Zugangs zur Justiz für Überlebende. Die ILGA Rainbow Map listet neu auch explizit "Prohibition of medical intervention without informed consent (intersex)" ("Verbot medizinischer Eingriffe ohne informierte Einwilligung (Intersex)") als Kriterium.

Fazit: Während der Kampf gegen die Zwangsoperationen als LGBT-Gender-Identität-Sexualität-usw.-Forderung politisch chancenlos ist, ist die Beendigung der medizinischen Verbrechen an Zwittern als eigenständige Menschenrechtsforderung mehrheitsfähig und kurzfristig durchsetzbar.

Zwischengeschlecht.org ruft alle fortschrittlichen LGBTQs und ihre Organisationen dazu auf,

  • ihre diesbezüglichen Positionen und Praktiken kritisch zu reflektieren 
  • den Jahrzehnte langen Kampf der Zwitter gegen Genitalverstümmelungen als eigenständigen Kampf um "das Recht intersexueller Kinder auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit" zu respektieren
  • die Zwitter in ihrem Kampf gegen Genitalverstümmelungen nach Kräften solidarisch zu unterstützen, NICHT die Leiden der Zwitter bloss als Aufhänger oder 'Material' für die eigenen Forderungen und Kämpfe zu benutzen!   

Die Durchsetzung der Beendigung der Genitalverstümmelungen an Zwittern wird am Sockel des Zweigeschlechtersystems möglicherweise mehr rütteln als 1000 Gendertheorien ...

>>> IDAHOT* 2015: Lasst uns über Intersex-Vereinnahmung reden ...
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

NGO Report an das UN-Kinderrechtskomitee
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy
>>> Download PDF (3.65 MB)     >>> Table of Contents

Siehe auch:
- Mit der Hoffnung im Herzen 
- Du sollst nicht die Leiden der Zwitter als Aufhänger und 'Material' für deine eigenen Forderungen und Kämpfe benutzen! 
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal")
- CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter! 
- Bundestag: Zwitter als Kanonenfutter für "sexuelle Identität" 
- LSVD und Zwittersolidarität: 1 Schritt vor, 3 Schritte zurück?
- "Zwitter-Neid": Zwischengeschlechtliche als (fiktives) Ideal 
-
- Gender Studies und Zwitterkampf  
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"   
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: "Du sollst den Begriff 'intersexuell' nicht unnütz gebrauchen!" 
- GPGF Basel 10.-12.09.09: Stop Vereinnahmung des Zwittersymbols im Namen von "Gender" und "Psychiatrie"! 
- Zwitter und Patriarchat aus feministischer Perspektive 
- Warum Zwitterforderungen, worin zu oberst nicht die schnellstmögliche Beendigung der Zwangsoperationen steht, keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Amnesty International zum x-ten Mal zur Unterstützung aufgefordert
- Warum Zwitterforderungen, worin es um "sexuelle Identität" geht statt um "Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung", keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Zwitter als Kanonenfutter für die Transgenderagenda 
- Etwas Solidarität mit Intersexuellen, bitte ...
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter zwangsoperiert, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren
- Erneute Anfrage um Unterstützung an Deutschen Ethikrat
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!   

Saturday, September 6 2014

Deutschland: Interministerielle Arbeitsgruppe u.a. zu Intersex nimmt im September 2014 Arbeit auf

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Geschlecht: Zwangsoperiert

Laut einer >>> Stellungnahme auf Abgeordnetenwatch.de von Marcus Weinberg (MdB CDU Hamburg-Altona, Familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Landesvorsitzender der CDU Hamburg) nimmt noch diesen Monat eine "interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) "Intersexualität/Transsexualität" unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)" ihre Arbeit auf:

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die zwischenzeitlich erfolgten personenstandsrechtlichen Änderungen zugunsten intersexueller Menschen zu evaluieren und gegebenenfalls auszubauen und die besondere Situation von trans- und intersexuellen Menschen in den Fokus zu nehmen. Für die Umsetzung dieser Vereinbarung sind eine sorgfältige Prüfung der Empfehlungen des Deutschen Ethikrates sowie weitere Studien und Stellungnahmen unerlässlich. Darüber hinaus gilt es, Betroffenenvertretungen und die relevanten ärztlichen, therapeutischen, sozialwissenschaftlichen und juristischen Disziplinen in den Prozess einzubeziehen.

Mit dieser Zielsetzung wird im September 2014 eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) "Intersexualität/Transsexualität" unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eingerichtet. Die interministerielle Arbeitsgruppe wird Gelegenheit zur intensiven Auseinandersetzung mit den Themen "Intersexualität und Transsexualität" bieten. Die vielfältigen und für die Betroffenen schwerwiegenden Problembereiche können dort angemessen beleuchtet und Lösungswege erörtert werden.

Meine 2 Cent: Der aktuelle Koalitionsvertrag, auf den sich Marcus Weinberg und offenbar auch die interministerielle Arbeitsgruppe beruft, wurde bekanntlich punkto Intersex von diesem Blog als "Freibrief für GenitalverstümmlerInnen" eingestuft, und von einem Intersex-Panel während dem Hirschfeld-Kongress 2013 als "windelweich". Wie der Bundesrat seither in seiner Verwaltungsvorschrift zu den "zwischenzeitlich erfolgten personenstandsrechtlichen Änderungen [angeblich] zugunsten intersexueller Menschen" den Betroffenen und ihren Eltern jegliche Rechte ab- und dafür den GenitalverstümmlerInnen die alleinige Deutungshoheit zusprach, bestätigt diese Kritik. Dass nun die angekündigte interministerielle Arbeitsgruppe obendrein (einmal mehr) Intersex und Transsexualität in einen Topf wirft, lässt erneut wenig Gutes ahnen ...

Wenn zur Abwechslung mal den betreffenden PolitikerInnen persönlich mal uneingewilligt was an den eigenen Genitalien herumgeschnibbelt würde, hätten sie ziemlich schnell ziemlich andere Perspektiven – wetten?!

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy

2014 NGO Report to the UN Committee on the Rights of the Child (CRC)
>>> Download PDF (3.65 MB)     >>> Table of Contents 

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen 

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> UN-Auschuss gegen Folter fordert Entschädigung für IGMs
>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen" 

>>> Europarat verurteilt Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM)
 

Thursday, November 15 2012

"Projektion oder Solidarität? Vereinnahmung von Intersexen durch LGBTQs" - Diskussion im Café KOZ (Intersex Aktionswoche FFM)

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>>> Intersex Aktionswoche 8.-15.11.    >>> Offener Brief an Uni-Klinikum (PDF) 

 

Filmbild: Hirschfeld operiert mit Blut im GesichtMagnus Hirschfeld, Zwitterverstümmler "für einen guten Zweck"
Darstellung nach Rosa von Praunheim: "Der Einstein des Sex"  >>> Quelle

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

Do 15.11.2012 18h - Vortrag + Diskussion im Cafe KOZ
Mertonstrasse 26-28, Unicampus Bockenheim.
Das KOZ befindet sich im Erdgeschoß des Studierendenhauses.

“Dass sich gerade [Transsexuelle sowie Lesben und Schwule] dieses Themas annehmen, liegt an einem Überschuss von Projektion. Sie sehen nicht, dass ihre Problematik, d. h. die Problematik von Coming-out und gesellschaftlicher Anerkennung, nicht die von Hermaphroditen ist. Sie sehen nicht, dass die ungefragte Adoption von Hermaphroditen durch die Lesben-, Schwulen- und Trans[*]bewegung einer Überrumpelung und Kolonialisierung gleichkommt und moralisch unzulässig ist, weil sie das eigentliche Anliegen von Menschen mit medizinischer Gewalterfahrung überdeckt.” (Georg Klauda, 2002)

Vermehrt Beachtung finden Intersexe vor allem bei Gruppierungen, die das Zweigeschlechtersystem in Frage stellen, so u.a. seit dem 19. Jahrhundert bei Schwulenbewegungen sowie seit 50 Jahren bei feministischen Frauenbewegungen. Diese richten jedoch ihren Blick in der Regel nicht auf die realen, genitalverstümmelten Zwitterkörper, sondern auf ein fiktives Ideal, das ihre eigenen Wunschvorstellungen verkörpert. Dabei setzen sie unhinterfragt voraus, dass alle Zwitter auf Grund ihrer quasi körpergewordenen Aufhebung des Zweigeschlechtersystems ihre Ziele teilen würden, oder adoptieren sie gleich ungefragt als eine Unterabteilung ihrer eigenen Gruppe. Wo sie die Leiden der Zwitter überhaupt behandeln, propagieren sie als Heilmittel wiederum einzig ihr eigenes Anliegen, z.B. die Abschaffung der Geschlechter oder Kampf gegen sexuelle Diskriminierung.

Die meisten Zwitter jedoch verorten sich selbst, ihre Körper, ihr Schicksal, ihr Leiden und ihren Kampf in radikal anderen Diskursen. Sie erleben und verstehen sich als Opfer medizinischer Gewalt, die sie als Menschenrechtsverletzung und Folter erfahren. Den Zwangsoperierten geht es nicht um Identitätspolitiken und Gender-Theorien, ihnen geht es um elementarste, ihnen immer noch vorenthaltene Grundrechte, namentlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung.

Seit Beginn der Zwitterbewegungen in den 1990ern ist deshalb die Behinderung ihres Befreiungskampfes durch Vereinnahmungen dritter Interessengruppen immer wieder ein Thema, und ein weiterer Kritikpunkt die historische Verflechtung und gegenseitige Befruchtung der Diskurse zur Befreiung von LGBT mit den Rechtfertigungs-Diskursen der Zwitter-VerstümmlerInnen.

Der Vortrag will die 150-jährige Geschichte der vereinnahmenden Blicke auf Zwitter durch LGBT aufzeigen und in einer anschließenden Diskussion Möglichkeiten zu praktischer Solidarität einfordern.

Markus Bauer ist Kampagnenverantwortlicher bei Zwischengeschlecht.org und Redakteur des Weblogs Zwischengeschlecht.info. Daniela Truffer ist Gründungsmitglied von Zwischengeschlecht.org und selber Betroffene von kosmetischen Genitaloperationen im Kindesalter.

Nachtrag: Auf Wunsch neu auf Zwischengeschlecht.org unter >>> Downloads:

FOLIEN zur Diskussion: "PROJEKTION ODER SOLIDARITÄT? VEREINNAHMUNG VON INTERSEXEN DURCH LGBTQ", Frankfurt 15.11.2012

>>> Download Folien (PDF, 2.1 MB)

© Zwischengeschlecht.org; keine Weitergabe und keine Benutzung von Bildmaterial ohne vorherige Genehmigung!

>>> Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung 
>>>
Die Rede von der "psychischen Intersexualität" 
>>>
"Theoretisch intersexuell" - Joke Janssen, 2006/2008 
>>>
Instrumentalisierung von Zwittern: Kritik aus 2002 (Georg Klauda)  

>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen"

Thursday, June 21 2012

NS-Diagnose "Intersexuelle Konstitution" - Wilhelm Weibel: "Intersex-Typus (Mannweib, Schizoid)" (Lehrbuch Frauenheilkunde, Wien/Berlin 1944) - Paul Mathes, Robert Stigler, Hans Guggisberg, Fritz Lenz, Otto Flößner, Hans Naujoks, Walther Stoeckel u.v.a.m.

>>> Innsbruck 6.–10. Mai 2014: Intersex-Info + Proteste vs. "25th ESPU" + Med. Uni

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

“Der Intersex-Typus  ( M a n n w e i b ,  S c h i z o i d )  (Abb. 863) ist körperlich und psychisch ausgedrückt. Es kommen auch sexuelle Zwischenstufen vor, wobei feminine Zeichen nur schwach ausgebildet sind. Die Behaarung ist übermäßig und atypisch, die Züge sind männlich, die Stimme ist tief. Die Pubertät tritt verzögert auf, es besteht Frigidität und eine herabgesetzte Fruchtbarkeit bei Hypoplasie der Keimdrüsen und Hyperfunktion der Hypophyse, manchmal ein eunuchoider Hochwuchs, ferner Störungen in der Funktion der Thyreoidea. Häufig wird Dysmenorrhöe beobachtet”  (Quelle: Gelöschter Kommentar Nr. 129 von ETEKAR, 24.6.11)

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)Aufarbeitung tut not! Am 14.7.11 zensierte der Deutschen Ethikrat in seinem Online"diskurs" obigen mit Quellenanagebe belegten Hinweis auf den im "Lehrbuch der Frauenheilkunde" von Wilhelm Weibel (7. Aufl., Berlin/Wien 1944 S. 647f.) propagierten sog. "intersexuellen Konstitutionstypus":
 

Unzensierte Version: draufklicken (WARNUNG!!!)

Der sog. "Intersexuelle Konstitutionstypus" war eine seit den 1920-er Jahren verbreitete "völkische Diagnose", welche (in Anlehnung an Richard Goldschmidt) Zwitter als "minderwertige Spezies" infolge von "Rassenvermischung" definierte, die angeblich in der "jüdischen Rasse" gehäuft auftrete.

Diese rassistische "Lehre" war auch der theoretische Hintergrund für die verbrecherischen "Experimente" an Zwittern in Auschwitz durch Josef Mengele (1911-1971).

Das Aufkommen der völkischen Diagnose "Intersexueller Konstitutionstypus" in den 1920ern in der Gynäkologie in Österreich als eigenständige "völkische Diagnose", 1924 erstmals publiziert vom österreichischen Gynäkologen Paul Mathes (1871-1923) und dem Schweizer Gynäkologen und Zwangssteriliserer Hans Guggisberg (1880-1977) ("Die Konstitutionstypen des Weibes, insbesondere der intersexuelle Typus", in: Josef Halban, Ludwig Seitz: Biologie und Pathologie des Weibes. Bd.3, 1924) war gleichzeitig die Einführung des Begriffs "Intersex" in die Humanmedizin. Diese rassistische Definition von "Intersex" als "entartet", "krankhaft" und "minderwertig" wurde in der Folge von zahlreichen prominenten NS-Medizinern und "Rassenhygienikern" bis in die 1950er-Jahre propagiert, und wirkt unterschwellig bis ins 21. Jahrhundert fort (vgl. z.B. "Wir wollen in Deutschland keine Mutanten züchten", 2003, "therapeutische" Spätabtreibungen bei "Intersex-Gefahr").

Weitere prominente völkische und NS-Propagandisten dieser rassistischen "Theorie" waren nebst den bereit erwähnten Wilhelm Weibel (Wien, Prag 1876-1945) (--> PDF S. 316 / S. 314 laut Seitennummerierung) und Josef Mengele u.a. der Namensgeber des "Intersexuellen Konstitutionstypus" Paul Mathes (Innsbruck, Wien, Graz 1871-1923), Robert Stigler (Steyr, Wien, Graz, Bern 1878-1975) (PDF 45.3 MB, Jg 1919-1920, S. 6-9, bes. S. 7, = S. 166-9 rsp. 167 Gesamt-PDF), Lothar Gottlieb Tirala (Wien, München 1866-1974), Fritz Lenz (München, Göttingen 1887-1976), Hans Günther (Freiburg i.Br. 1891-1968)  (--> PDF 44 MB S. 274f. / im Buch S. 272f.), Theodor Fritsch (Markkleeberg b. Leipzig 1852-1933) (--> PDF 226 MB S. 33, im Buch S. 31)  Hans Christian Naujoks (Marburg, Köln, Frankfurt a.M. 1892-1959), Arno Schickedanz (Berlin 1892-1945), Otto Herschan (Breslau/Wrocław *1895), Otto Flößner (Berlin 1895-1948) und Walther Stoeckel (Berlin 1871-1961).

Weitere aus dem Ethikrat-"Diskurs" herauszensierte NS-Quellen zu "Intersex" betreffen u.a. Ausführungen zur Eheunfähigkeit (Luise Kimm: “Über Pseudohermaphroditismus masculinus und die Indikationsstellung für die operative Bildung einer künstlichen Vagina”, 1935), Überlegungen zu Häufung von "Intersexualität" unter Juden durch "Bastardisierung und Rassenkreuzung" (Otto Flößner: Rassenphysiologie, in: Johannes Schottky (Hrsg.): "Rasse und Krankheit", 1937, S. 42) und die "biologische Minderwertigkeit" von Hermaphroditen (Hans Christian Naujoks, "Über echte Zwitterbildung beim Menschen und ihre Beeinflussung", 1934).

Wilhelm Weibel (Mitte) 1917 als "Lieblingsschüler"
des Wiener Gynäkologen Ernst Wertheim
(links).

Eine historische Aufarbeitung der medizinischen Verbrechen an Zwittern steht in allen deutschsprachigen Ländern nach wie vor aus – sowohl für die NS-Zeit wie auch für die Zeit nach 1950, als die systematischen Genitalverstümmelungen an Kleinkindern überhand nahmen. Obwohl es mittlerweile Ansätze zu einer Aufarbeitung gibt (z.B. in Österreich Überlegungen zur Rückgängigmachung von Straßenbenennungen, etwa bei Robert Stigler in Steyr und Wilhelm Weibel in Wien), und praktisch alle oben Erwähnten eigentlich längst als Nazigrößen, NS-Medizyner und Rassenhygieniker öffentlich bekannt sind, ist ihre Rolle in den systematischen medizinischen Verbrechen an Intersexen bis heute in der Öffentlichkeit kein Thema.

Aktuelle akademische Publikationen aus der Geschlechterforschung, die sich (auch) mit dem Schicksal von "Intersexuellen" im "3. Reich" beschäftigen, behaupten regelmäßig, es hätte unter den Nazis angeblich keine Verfolgung von Zwittern gegeben, und verweisen dabei darauf, es liessen sich keine spezifischen NS-"Zwittergesetze" oder -Erlasse nachweisen (vgl. z.B. die preisekrönte Dissertation von Angela Kolbe: "Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht"; vgl. weiter den vollständigen Mangel an konkreten Erkenntnissen zu "Inter*geschichte" im Workshop „Lebenssituationen und Repressionen von [...] Intersexuellen im Nationalsozialismus“ der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld vom 01.02.2013).

Der Mensch oben auf dem Bild bei Weibel hat zudem offenbar eine etwa handbreite frische Operationsnarbe vom Bauchnabel abwärts, wie sie für auch nach dem 2. Welltkrieg verbreitete "chirurgische Explorationen" zur Feststellung der Gonaden (Eierstöcke, Bauchhoden und/oder Mischgewebe) typisch ist.

Intersex: Ohne Aufarbeitung, Keine Aussöhnung

Welches typische Los Intersex-Menschen, die von prominenten NS-Medizynern als von vornherein "schizoide Abartige" und "Untermenschen" klassifiziert wurden, in Nazi-Deutschland und -Österreich sonst noch drohte – 3x dürft ihr raten!

Kommt noch dazu, dass auch Weibels Handbuch noch 1947 diesbezüglich inhaltlich unverändert neu aufgelegt wurde ...

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy

2014 NGO Report an das UN-Kinderrechtekomitee (CRC) (englisch)
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A
>>> Download PDF (3.65 MB)     >>>
Table of Contents

>>> Innsbruck 6.–10. Mai 2014: Intersex-Info + Proteste vs. "25th ESPU" + Med. Uni
>>> IGM in Österreich (1): Wien, Linz, Innsbruck

>>> Intersexe "biologische minderwertig" (Prof. Dr. Hans Christian Naujoks, 1934)

>>>
Dokumentation der Zensur auf dem Ethikrat-Online-"Diskurs" 
>>> IGMs: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen 

Thursday, June 14 2012

Offene Rückantwort an Rosa von Praunheim Re: Hirschfeld als Zwitter-Genitalverstümmler

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Am vom 05.06.2012 mailte Nella im Namen der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org eine
>>> Offene Anfrage an Rosa von Praunheim betreffend der berüchtigten Szene in Rosas Hirschfeld-Filmbiographie "Der Einstein des Sex", worin Dr. Magnus Hirschfelds einem Zwitter auf Geheiss dessen Eltern (und gegen fürstliche Bezahlung) kurzerhand und blutig das Lustorgan amputiert (siehe Bild).

Noch am gleichen Tag erreichte uns eine kurze >>> Antwort von Rosa von Praunheim. Darin bestätigte Rosa unsere Vermutung, dass er sich der Zusammenhänge gar nicht bewusst war und ist, welche sich in besagter Szene aus der Perspektive heutiger genitalverstümmelter Zwitter auftun.

Nachfolgend dokumentiert dieser Blog die Rückantwort von Zwischengeschlecht.org an Rosa von Praunheim – in der Hoffnung, dass es gelegentlich doch mal noch zu einer möglichst breiten, sachbezogenen Aufarbeitung kommen möge über die Folgen von Hirschfelds Werk und Vermächtnis für heutige, mittlerweile zu 90% im Kindesalter genitalverstümmelte "Intersexuelle":

Liebe Rosa von Praunheim

Vielen Dank für deine rasche Antwort!

Als Menschenrechtsgruppe haben wir große Achtung vor Hirschfelds Errungenschaften im Kampf für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transvestiten (wie er sie nannte). Es ist nicht unsere Absicht, diese Errungenschaften schmälern zu wollen.

Unsere Kritik richtet sich auch nicht gegen das, was du Hirschfelds "rein Biologistischen Ansatz" nennst.

Unser Kritikpunkt ist, dass Hirschfeld (wie schon Ulrichs) die Zwitter dabei als Mittel zum Zweck benutzte, offensichtlich ohne sich zu überlegen, was das für diese für Auswirkungen haben könnte bis auf den heutigen Tag, und dass Hirschfeld sich dabei unkritisch mit einigen historischen Vorläufern der bis auf den heutigen Tag andauernden, systematischen Genitalverstümmelungen zusammentat sowie die meisten späteren Täter beeinflusste und in diesem Zusammenhang letztlich selbst zum Täter wurde, wie du das in deinem Film ja buchstäblich und drastisch in Szene setztest (ironischerweise ohne diese Zusammenhänge bewusst zu merken, wie wir deinem Mail entnehmen).

Weiter kritisieren wir, dass die Schwulenbewegung bis heute diese Zusammenhänge ausblendet. Und sehen dies als typisch für Menschen, die selber nie um die Unversehrtheit ihrer eigenen Genitalien fürchten mussten, und sich deshalb oft schwer tun, sich in die Lage derer zu versetzen, für die mit unverstümmelten Genitalien aufzuwachsen bis heute keine Selbstverständlichkeit ist – woran unserer Analyse nach Hirschfelds Werk und Wirkung wie erwähnt nicht unbeteiligt sind.

Wir können verstehen, dass du für deine eigenen Projekte lebst und wenig Zeit hast. Trotzdem möchten wir dich einladen, diesen Aspekten der Geschichte der Schwulenbewegung und von Hirschfelds Wirkung gelegentlich etwas mehr kritische Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Bestimmt wirst du dann schnell selbst bemerken, dass deine Klassifizierung von Hirschfelds zeitgebundenen politischen Ansichten aus heutiger Sicht als "lächerlich" der Tragik insbesondere ihrer realen Auswirkungen bis heute keinesfalls gerecht wird.

Liebe Grüße

Im Namen von Zwischengeschlecht.org

Daniela Truffer

>>> Magnus Hirschfeld – bestbezahlter Genitalverstümmler seiner Zeit
>>> Offener Brief an Rosa von Praunheim

Siehe auch:
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung 
- Dr. Magnus Hirschfeld führt Genitalverstümmelung an Zwitter durch
- Ulrichs-Krafft-Ebing-Hirschfeld-Money-Butler-"hirnorganische Intersexualität" 
- Die Rede von der "psychischen Intersexualität"  

Tuesday, June 5 2012

Magnus Hirschfeld als Zwitter-Genitalabschneider - Offene Anfrage an Rosa von Praunheim

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Filmbild: Hirschfeld operiert mit Blut im GesichtMagnus Hirschfeld, Zwitterverstümmler "für einen guten Zweck"
Darstellung nach Rosa von Praunheim: "Der Einstein des Sex"  >>> Quelle

Offene Anfrage von Zwischengeschlecht.org vom 05.06.2012

Liebe Rosa von Praunheim

Wir möchten die heutige Vorführung von "Der Einstein des Sex" im Rahmen der Hirschfeld-Tage 2012 zum Anlass nehmen, uns mit einigen Fragen zum Film an dich zu wenden, die uns schon länger beschäftigen.

Wir sind eine Menschenrechtsgruppe, bestehend aus Zwittern und solidarischen Nicht-Zwittern, die sich für ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen einsetzt (wie sie auch in Berlin u.a. an der Charité mit dem Segen des Senates immer noch regelmäßig und seit letztem Jahr noch verstärkt stattfinden), sowie für "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Aus dieser Perspektive machte uns die Szene in "Der Einstein des Sex" besonders betroffen, in der Magnus Hirschfeld nach anfänglichem Zögern einem wehrlosen Hermaphroditen auf Geheiss dessen Eltern das "uneindeutige" Lustorgan kurzerhand amputiert, um mit der Schatztruhe, die Hirschfeld als Honorar für diese Genitalverstümmelung erhält, in der nächsten Szene das "Institut für Sexualwissenschaft" zu gründen. Und erschien uns als enorm treffsicheres Sinnbild für bestimmte problematische Aspekte in Hirschfelds Werk und Vermächtnis, die bis heute im Allgemeinen und offensichtlich auch innerhalb der Hirschfeld-Tage 2012 im Besonderen nach wie vor ausgeblendet bleiben.

Dass nämlich für heutige "Intersexuelle", und damit zu 90% Überlebende uneingewilligter medizinischer "Genitalkorrekturen" im Kindes- und Jugendalter,  Hirschfeld und sein historisches Erbe nicht als ein Teil der Lösung erscheint, sondern als ein Teil des Problems (im Gegensatz wohl zu allen anderen so genannten "Minderheiten" und "Randgruppen", die auch im Rahmen der Hirschfeld-Tage 2012 mit Hirschfeld in Verbindung gebracht werden).

Und dass das von Hirschfeld seinerzeit populär gemachte Benutzen von Zwittern als Mittel zum Zweck sowohl in der von ihm mitbegründeten politischen Schwulenbewegung wie auch in der durch ihn mitbegründeten Sexologie heute noch Schule macht und dazu beiträgt, dass auch 2012 immer noch 90% aller Zwitterkinder möglichst rasch genitalverstümmelt werden – während gleichzeitig alle wegschauen bzw. noch auf dem Buckel der Opfer "Identitäts-" und "Antidiskriminierungspolitik" für dritte Interessengruppen betreiben.

Nun können wir uns aber schlecht vorstellen, dass dies seinerzeit deine Perspektive und die deiner Drehbuch-Mitautoren war, als ihr mit Beratung der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft den Film und damit auch diese unseres Wissens nach historisch nicht belegte Szene entworfen hattet.

Deshalb interessiert uns schon lange: Wie kamt ihr auf diese Szene? Was war der Hintergrund, woher die Inspiration? Und was wollt ihr damit ausdrücken?

Über einige erhellende Zeilen würden wir uns sehr freuen.

Liebe Grüße

Im Namen von Zwischengeschlecht.org

Daniela Truffer

http://zwischengeschlecht.org
Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info

>>> Antwort von Rosa von Prauheim   >>> Rückantwort
>>> Magnus Hirschfeld – bestbezahlter Genitalverstümmler seiner Zeit

Posts zu "Der Einstein des Sex" und Magnus Hirschfeld:
- https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2010/01/02/Dr.-Magnus-Hirschfeld-f%C3%BChrt-genitale-Zwangsoperation-an-Zwitter-durch
- https://blog.zwischengeschlecht.info/?q=hirschfeld

Sunday, June 3 2012

"Kosmetische Eingriffe grundsätzlich bis zum Erreichen der Volljährigkeit verbieten" - Ulrike Klöppel (Klartext in Ethikrat-Sachverständigen-Stellungnahmen 5)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) Auch nach der Veröffentlichung der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates (Friedliche Aktion von Zwischengeschlecht.org vom 23.2.12) präsentiert dieser Blog weitere Highlights aus den vom Ethikrat eingeholten, öffentlich zugänglichen "Stellungnahmen von Sachverständigen".

Ulrike Klöppel verfasste ihre Doktorarbeit "XX0XY ungelöst" über "Hermaphroditismus, Sex und Gender in der deutschen Medizin", ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Mitglied bei TGNB/TrIQ/IVIM und schreibt u.a. für die Magnus Hirschfeld Gesellschaft und die Jungle World.

In der Vergangenheit hatte dieser Blog Publikationen rsp. Auftritte Ulrike Klöppel schon konkret kritisiert, wenn wir fanden, Überlebende von kosmetische Genitaloperationen an Kindern würden darin als blosses Mittel zum Gendertheorie-Zweck erneut missbraucht, Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken lediglich in Tätersprache abgehandelt und ihr tägliches Fortdauern (nicht nur) in Deutschland im Allgemeinen und in der Charité im Besonderen sträflich ausgeblendet.

Umso mehr freut es, dass Ulrike Klöppel in ihrer >>> schriftlichen Stellungnahme an den Deutschen Ethikrat (PDF) Klartext bringt und mit klaren Aussagen nicht spart (die der Ethikrat bekanntlich lieber nicht hören wollte). Danke!

Einige relevante Ausschnitte:

Meiner Meinung nach müsste folgende Regelung getroffen werden:

Sämtliche genitalplastischen Eingriffe sowie Sexualhormonbehandlungen, die keiner "zwingenden medizinischen Indikation" unterliegen, sondern kosmetischen Zwecken der Angleichung an ein weibliches oder männliches Idealbild dienen (im Nachfolgenden als "geschlechtsverändernde Eingriffe" bezeichnet), sind grundsätzlich bis zum Erreichen der Volljährigkeit verboten. Darunter fallen auch Klitorisresektionen (egal bei welcher "Größenabweichung" und welcher chirurgischen Technik) sowie Gonadenentfernungen, die nicht auf der Grundlage eines signifikanten Entartungsrisikos erfolgen. Ebenso müssen jegliche kosmetischen Eingriffe bei AGS, inklusive der angeblich minimalinvasiven "Introitusplastiken", verboten werden.

Auf dieser Grundlage können Ausnahmen gestattet werden, um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht Jugendlicher zu gewährleisten, sofern sichergestellt ist:

  • Einwilligungsfähigkeit des_r Jugendlichen;
  • umfassende Information über mögliche körperliche und psychische kurz- und langfristigen Folgen der Eingriffe sowie über Alternativen zu geschlechtsverändernden Eingriffen;
  • peer-to-peer counselling durch erwachsene intergeschlechtliche Menschen;
  • von der medizinischen Betreuung unabhängige, psychologische Beratung des Kindes und der Erziehungsberechtigten.

Begründung:

1. Geschlechtsverändernde Eingriffe ohne informed consent verstoßen gegen das Menschenrecht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Somit verbieten sich solche Eingriffe eigentlich von selbst. Dennoch hat sich an der Behandlungspraxis bei Intergeschlechtlichkeit bislang nicht viel verändert: Sanktioniert durch das Consensus Statement on 21-Hydroxylase Deficiency von 20021 werden bei AGS weiterhin Klitorisreduktionen und Introitusplastiken im Kindesalter durchgeführt, so z.B. an der Berliner Charité. AGS ist das häufigste intergeschlechtliche Erscheinungsbild, somit kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass in der medizinischen Betreuungspraxis bereits ein wirkliches Umdenken eingesetzt hätte. [...] Nur ein Verbot wird m.E. eine wirksame Änderung der Situation herbeiführen können: Der Normalfall muss sein, dass geschlechtsverändernde Eingriffe ohne informed consent des Betroffenen keine Option sind. Auf dieser Grundlage sind allerdings Ausnahmeregelungen nötig, die der Wahrung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Heranwachsenden dienen.

2. AGS muss genauso wie andere Erscheinungsbilder von Intersexualität betrachtet und vor medizinischen Eingriffen im Kindesalter geschützt werden. [...]

4. Geschlechtsverändernde Sexualhormonbehandlungen gehören genauso verboten wie chirurgische Eingriffe, da sie ebenfalls irreversible körperliche Transformationen bewirken können. [...]

8. Psychischen und sozialen Schwierigkeiten des Kindes und der Erziehungsberechtigten im Umgang mit der Intergeschlechtlichkeit kann und muss mit anderen Mitteln begegnet werden als mit geschlechtsverändernden Eingriffen. [...] [S. 1-3]

Die Frage der "Zufriedenheit mit der Geschlechtsidentität" ist m.E. irrelevant für die Bewertung des bisherigen Behandlungsvorgehens. Maßstab muss – neben der Behandlungszufriedenheit resp. -unzufriedenheit – in erster Linie die Lebensqualität, wie sie die befragte Person selbst einschätzt, sein. Die Lebensqualität eines Menschen bestimmt sich nicht in erster Linie durch seine "Zufriedenheit mit der Geschlechtsidentität"; vielmehr können körperliche, soziale, psychische oder sexuelle Probleme unabhängig davon auftreten. Die Geschlechtsidentität sagt also nichts aus über die Lebensqualität und darf somit nicht der Maßstab des Behandlungsvorgehens sein. [S. 5f.]

>>> Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> "Es wird weiter an den Genitalien von Kleinkindern geschnitten" - Eva Matt (1)
>>> "Es muss sich grundsätzlich etwas ändern" - Deutscher Hebammenverband (2)
>>>
"Verjährungsvorschriften sind dringend zu überarbeiten" - Konstanze Plett (3)
>>> "Eltern dürfen nicht einwilligen" - Oliver Tolmein (4) 
>>>
Ethikratdiskurs: "Wie so oft wird um den heissen Brei herumgeredet"
>>> Deutscher Ethikrat: Privilegien für Genitalverstümmler, Zensur für Opfer 

Saturday, March 24 2012

[ ARCHIV ] "Intersex" im Bundestag: Monika Lazar (Grüne) + Genitalverstümmler = 1 Sprache = *HUALP!*

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NACHTRAG 2013-16: Gute Nachrichten! Bundestags-Antrag der Grünen (2013) von Monika Lazar nimmt Betroffene endlich ernst! Von Monika Lazar gab's zudem inzwischen wiederholt positive öffentliche Wortmeldungen auch in dern Medien, z.B. auf dradio: "Wir fordern die körperliche Unversehrtheit der Kinder. Wir fordern, dass niemand mehr genital verstümmelt werden darf, damit die Gesellschaft zufrieden ist oder die Eltern zufrieden sind." Dito auch am 01.02 2016 im Zusammenhang mit einer aktuellen Kleinen Anfrage u.a. in der Berliner Zeitung.
Dafür von diesem Blog ein ganz herzliches Dankeschön!
Die Aussagen im untenstehenden Blogpost sind daher klar überholt und lediglich noch zu Archivzwecken nachfolgend dokumentiert:

Solidarität mit Zwittern statt Vereinnahmung!Die Grünen haben eine lange und traurige "Erfolgsbilanz" vorzuweisen, wenn es darum geht, die realen Leiden genitalverstümmelter Zwitterkinder schamlos für Anliegen dritter Interessengruppen zu instrumentalisieren – hauptsächlich für ihre eigene Gender- und Personenstandspolitik. Die Grünen scheuen sich nicht, dazu auch gemeinsame Sache mit den GenitalverstümmlerInnen zu machen, und frönen seit jeher ungehemmt der TäterInnensprache, obwohl Betroffene sich seit langem gegen solche Kumpanei öffentlich wehren.

Umgekehrt werden die politischen Forderungen der Betroffenen von kosmetischen Genitaloperationen im Kindesalter nach schnellstmöglicher Beendigung der täglichen Genitalverstümmelungen von den Grünen bisher stets aufs Neue ignoriert bzw. höchstens mal mit inoffiziellen Lippenbekenntnissen abgetan – um gleich darauf das Leid der Betroffenen wider besseres Wissen erneut bloss für ihre unethische Gender- und Personenstandspolitik zu vereinnahmen.

Als offenbar unbeirrbares Aushängeschild von "Bündnis 90/Die Grünen" im Bundestag für solche menschenverachtende "Genderpolitik mit Kinderblut an den Händen" profiliert sich seit Jahren die Abgeordnete Monika Lazar (Wahlkreis Leipzig Süd, Sachsen). Aktuelles Beispiel: Das Schlusswort aus Monika Lazars Pressemitteilung zur Stellungnahme des Deutschen Ethikrates:

"Es ist wichtig, dass nicht nur die medizinische Behandlung intersexueller Menschen verbessert wird, sondern auch das Personenstandsrecht deren Existenz Rechnung trägt."

Mit Verlaub, die Beendigung medizinisch nicht notwendiger und uneingewilligter kosmetischer "Genitalkorrekturen" öffentlich als "Verbesserung der medizinischen Behandlung" zu deklarieren und entgegen der Jahrzente langen Forderungen der Betroffenen stattdessen Personenstandspolitik ins Zentrum zu rücken, kann nur einem Menschen einfallen, der offensichtlich noch nie um die Unversehrtheit der eigenen Genitalien fürchten musste, und dem es überdies eklatant an menschlichem Mitgefühl mangelt, sich in das Erleben der Opfer wenigstens ansatzweise einfühlen zu können.

Man wird den Verdacht nicht los, betreffend der weiblichen Genitalverstümmelung in Afrika würde Monika Lazar statt der raschestmöglichen Beendigung solcher menschenverachtenden Praktiken ebenfalls lieber "Verbesserungen der kulturellen Integration" sowie "Lockerung des Personenstandsgesetzes" fordern, und bei den andauernden Verstümmelungen lieber vornehm wegschauen und schweigen. Aber halt, betreffend "barbarischen Afrikanern" ist natürlich alles ganz anders.

Weiter typisch: Wo Monika Lazar in der Pressemitteilung "das Leid" der "Intersexuellen" doch noch kurz anspricht, lokalisiert sie dieses wider besseren Wissens einmal mehr ausschließlich "in der Vergangenheit""Wir dürfen nicht vergessen, uns an das Leid zu erinnern, das ihnen in der Vergangenheit widerfahren ist" – obwohl in jeder größeren Klinik in Deutschland "Intersex"-Genitalverstümmeungen an wehrlosen Kindern bis heute unverändert auf der Tagesordnung stehen – auch in Lazars Heimatstadt im Universitätsklinikum Leipzig in den Abteilungen für pädiatrische Urologie und für Kinderchirurgie.

Nach demselben Muster "Genderpolitik auf Kosten genitalverstümmelter Kinder" war bekanntlich ja schon der von Monika Lazar erstunterzeichnete "Intersex"-Antrag 17/5528 der Grünen gestrickt (vgl. Pressemitteilung Zwischengeschlecht.org vom 24.11.2011) – dass die Diskussion dazu im Bundestag positiv zu bewerten ist, lag einzig an den Voten der ParlamentarierInnen anderer Parteien, die im Gegensatz zu Monika Lazar weitgehend erkannt haben, dass körperliche Unversehrtheit ein elementares Grundrecht unabhängig und Partei- und "Geschlechterpolitik" darstellt, das allen Menschen zusteht und nicht nur denjenigen Privilegierten wie Frau Lazar, für welche Aufwachsen in Unversehrtheit offensichtlich derart selbstverständlich war und ist, dass sie die Leiden der weniger Privilegierten schamlos für ihre eigenen Partikularinteressen zu instrumentalisieren vermögen.

Nach alldem ist leider anzunehmen, dass Monika Lazar auch am kommenden Mittwoch, wenn an der 63. Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Vereinnahmungs-Antrag 17/5528 diskutiert wird, erneut unbeirrbar die Genderkeule schwingen wird, statt endlich die Jahrzehnte langen Forderungen der Betroffenen nach raschestmöglicher Beendigung kosmetischer Genitaloperationen an Kindern ernst zu nehmen.

Dieser Blog sagt zu solch eigennütziger politischer Profilierung auf Kosten der körperlichen Unversehrtheit wehrloser Kinder: *HUALP!* 

Nachtrag: Siehe auch inhaltliche Kritik von Heinz-Jürgen Voß an einer vergleichbar besch...eidenen Plenarrede von Monika Lazar am 10. Mai 2012: „Intersexualität“ – das reicht nicht aus, liebe Bündnis 90 / Die Grünen! In der dort verlinkten Rede lässt Monika Lazar kosmetische Genitalverstümmelungen an Zwittern bzw. die Forderung nach deren Verbot ebenfalls unerwähnt, und behauptet stattdessen wiederum: "Es ist aber auch wichtig, dass nicht nur medizinische und psychologische Behandlung intersexueller Menschen verbessert wird, sondern auch das Personenstandsrecht deren Existenz Rechnung tragen soll."  *HUALP!*

>>> 150 Jahre Zwitter-Vereinnahmung durch Schwule, Lesben und Transgender
>>> Magnus Hirschfeld - bestbezahlter Zwitter-Genitalverstümmler seiner Zeit 
>>> Wer tötete David Reimer? 

NACHTRAG 2013-16: Gute Nachrichten! Bundestags-Antrag der Grünen (2013) von Monika Lazar nimmt Betroffene endlich ernst! Von Monika Lazar gab's zudem inzwischen wiederholt positive öffentliche Wortmeldungen auch in dern Medien, z.B. auf dradio: "Wir fordern die körperliche Unversehrtheit der Kinder. Wir fordern, dass niemand mehr genital verstümmelt werden darf, damit die Gesellschaft zufrieden ist oder die Eltern zufrieden sind." Dito auch am 01.02 2016 im Zusammenhang mit einer aktuellen Kleinen Anfrage u.a. in der Berliner Zeitung.
Dafür von diesem Blog ein ganz herzliches Dankeschön!
Die Aussagen im obigen Blogpost sind daher klar überholt und lediglich noch zu Archivzwecken hier dokumentiert.

Wednesday, October 26 2011

"Widersprüchliches um Magnus Hirschfeld"

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Auf die >>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 17.10.11 über Magnus Hirschfelds Wirkung bezüglich heutige Genitalverstümmelungen an Zwittern ging über den Sündikat-Verteiler am 20.10.11 eine >>> Replik von Ulrike Klöppel [TGNB/TrIQ/IVIM] und Rainer Herrn [Magnus Hirschfeld Gesellschaft]. Darin wurden uns mehrfach Aussagen unterschoben, die in der Pressemitteilung gar nicht standen. Gleichzeitig wurden die darin konkret angesprochenen Kritikpunkte ausgeblendet wurden und Magnus Hirschfeld stattdessen einmal mehr pauschal zum Zwitter-Wohltäter hochstilisiert. Am 22.10.11 ging die >>> Rückantwort von Zwischengeschlecht.org dazu wiederum über den Sündikat-Verteiler.

Vielleicht kommt es ja irgandwann doch mal noch zu einer sachbezogenen Diskussion über die Folgen von Hirschfelds Werk und Vermächtnis für heutige genitalverstümmelte Zwitter?

(Bild: Dr. Magnus Hirschfeld entsorgt ein amputiertes Zwitter-Lustorgan.  – Standbild aus Rosa von Praunheims Hirschfeld-Filmbiographie "Der Einstein des Sex".)

>>> Offener Brief an Rosa von Praunheim
>>> Magnus Hirschfeld – bestbezahlter Genitalverstümmler seiner Zeit

Tuesday, October 18 2011

Magnus Hirschfeld – "bestbezahlter Genitalverstümmler seiner Zeit"

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Zwischengeschlecht.org on Facebook

Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 17.10.2011:

Filmbild: Hirschfeld operiert mit Blut im GesichtMagnus Hirschfeld, Zwitter-Genitalverstümmler für viel Geld
Darstellung nach Rosa von Praunheim: "Der Einstein des Sex"  >>> Quelle

Magnus Hirschfeld, als Lichtgestalt und Befreier von Schwulen, Lesben, Transsexuellen und Transgendern bejubelt und geehrt im ganzen Land ... Im Ganzen Land? Nein!

Für als Kleinkinder systematisch genitalverstümmelte Zwitter ist und bleibt Hirschfelds Einfluss und Vermächtnis ein mit großem Leid verbundenes, dunkles und bisher weitgehend verdrängtes Kapitel Deutscher Schwulen-, Medizin- und Wissenschaftsgeschichte.

                  INHALT
                  1.  1918: Zwitter-Verstümmelung als Grundstock für Hirschfelds
                       "Institut für Sexualwissenschaft"
                  2.  Hirschfeld als Rechtfertigung für heutige Zwitter-Genitalverstümmler
                  3.  Hirschfelds Beitrag zur Unsichtbarmachung der Zwitter
                  4.  Wie lange noch?!

1.  1918: Zwitter-Genitalverstümmelung als Grundstock für Hirschfelds "Institut für Sexualwissenschaft"

Ein Schlaglicht auf das historisch belastete Verhältnis zwischen Zwittern, Hermaphroditen oder "Intersexuellen" einerseits und andrerseits Schwulenbefreiungsbewegungen und Sexualwissenschaft wirft unfreiwillig Rosa von Praunheims Hirschfeld-Film-Biografie "Der Einstein des Sex":

1918: Hirschfeld hat kein Geld mehr und wird zusammengeschlagen, die Gründung des "Instituts für Sexualwissenschaft" ist akut gefährdet. Hirschfeld bleibt keine Wahl: Mit Hilfe seiner transvestitischen Assistentin Dorchen muss er eine drastische Genitalverstümmelung an einem wehrlosen "Hermaphroditen" durchführen. Als Lohn erhält der blutverschmierte Hirschfeld eine Schatztruhe voller Geschmeide – der dringend benötigte Grundstock für das in der nächsten Szene eröffnete "Institut für Sexualwissenschaft".

Auch wenn diese Episode des Films historisch nicht belegt ist, bleibt die Verstümmelungs-Szene ein treffendes Gleichnis für real existierendes mangelndes Bewusstsein und unaufgearbeitete (eigene) Geschichte.

Umso mehr, als dieses filmische Schlaglicht bisher von schwulen und sonstigen unverstümmelten Betrachter_innen schlicht unbeachtet blieb. Während dieselbe Szene bei verstümmelten Zwittern regelmäßig heftige und schmerzliche Reaktionen auslöst.

2.  Hirschfelds Vermächtnis als Rechtfertigung für heutige Zwitter-Genitalverstümmler

Hirschfelds Werk gilt heute als historischer Ausgangspunkt der Sexologie wie auch der Gender Studies, die Hirschfeld beide viel verdanken und sich zum Teil heute noch auf ihn beziehen.

Gleichzeitig war und ist Hirschfelds Vermächtnis untrennbar verbunden mit der andauernden Geschichte der menschenverachtenden medizinischen und sexologischen Experimente hauptsächlich an wehrlosen kleinen Zwitterkindern. Der medizinische Begriff "Intersex" als Synonym für systematisches Verstümmeln im Kleinkindalter geht letztlich zurück auf Hirschfelds Zwischengeschlechts-Theorie. Noch 2002 wurde John Money in Berlin von der DGSS passend die "Magnus Hirschfeld Medaille" verliehen.

Auch sich selbst die Hände nicht direkt blutig machende Disziplinen in Geschlechterforschung und Gender Studies stellen regelmäßig auf "Erkenntnisse" und Berichte menschenrechtswidriger medizinischer Humanexperimente an Zwittern ab, ohne sich über die Konsequenzen Rechenschaft abzulegen.

3.  Hirschfelds "Theorie der sexuellen Zwischenstufen" als Beitrag zur gesellschaftlichen Unsichtbarmachung der Zwitter

Zwitter fälschlicherweise als Untergruppe der eigenen Gruppe zu definieren, z.B.  unter "Transgender", oder "intersexuell" ungefragt als Schlusslicht bei schwul-lesbisch-bisexuell-transsexuellen Anliegen "anzuhängen" ("LGBTI")  – Hirschfeld hatte praktisch alle Tricks heutiger politischer Vereinnahmung schon vor über 100 Jahren vorgemacht.

Mit fatalen Folgen: In der öffentlichen Wahrnehmung sind die verstümmelten Zwitter, sofern sie nicht von vornherein mit Transsexuellen verwechselt werden, längst im (Trans-)Genderdiskurs untergegangen. Obwohl die Vereinnahmungen sachlich nicht zutreffen und genitalverstümmelte Zwitter sich seit längerem gegen solche politischen Vereinnahmungen wehren.

Aktuell leugnet der "genderpolitisch fortschrittliche" Berliner Senat öffentlich und kategorisch die Existenz der täglichen Verstümmelungen in den Kinderkliniken. Ebenso der Bremer Gesundheitsminister. Die Hamburgische Bürgerschaft beschloss zuvor, gegen die Verstümmelungen konkret nichts zu unternehmen. Gleichzeitig spielt sich der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit öffentlich als Zwitterbeschützer auf und werden "Intersexuelle" im Bundestag für schwulenpolitische Anliegen dauerverheizt.

4.  Wie lange noch?!

Zu Hirschfelds Zeiten wurden Zwitter nur selten Opfer von uneingewilligten Genitalamputationen. Heute werden Zwitter zu 90% Opfer medizinisch nicht notwendiger "Genitalkorrekturen" im Kindesalter.

Die täglichen Genitalverstümmelungen vor unserer Haustüre müssen endlich gestoppt werden! Diesbezügliche dunkle Kapitel müssen umfassend und vorbehaltlos aufgearbeitet werden. Die Vereinnahmungen von Zwittern durch Schwule und Transgender müssen aufhören.

Wir rufen alle dazu auf, sich konkret für die schnellstmögliche Beendigung der Verstümmelungen einzusetzen!

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.
 

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

http://zwischengeschlecht.org
Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info

Nachtrag: Am 20.9. ging über den Sündikat-Verteiler eine >>> Replik auf unsere Pressemitteilung von Ulrike Klöppel [TGNB/TrIQ/IVIM] und Rainer Herrn [Magnus Hirschfeld Gesellschaft] mit Vorwürfen an unsere Adresse. Darin wurden uns Aussagen unterschoben, die wir weder in der Pressemitteilung oder sonst je geäussert hatten, während gleichzeitig die in der Pressemitteilung konkret angesprochenen Kritikpunkte ausgeblendet wurden und Magnus Hirschfeld stattdessen pauschal zum Zwitter-Wohltäter hochstilisiert wurde. Am 22.10.11 ging dann >>> die Rückantwort von Zwischengeschlecht.org dazu wiederum über den Sündikat-Verteiler. Vielleicht kommt es ja doch mal noch zu einer sachbezogenen Diskussion über die Folgen von Hirschfelds Werk und Vermächtnis für heutige genitalverstümmelte Zwitter?

>>> Offener Brief an Rosa von Praunheim

Siehe auch:
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung 
- Dr. Magnus Hirschfeld führt Genitalverstümmelung an Zwitter durch
- Ulrichs-Krafft-Ebing-Hirschfeld-Money-Butler-"hirnorganische Intersexualität" 

- Die Rede von der "psychischen Intersexualität"

Wednesday, July 6 2011

Anja Gregor: Vortrag zum Thema Intersex-Bewegung, Jena Do 7.7.11 + Rezension zu Caroline Stern: "Intersexualität"

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>>> Nachtrag zur Ankündigung

Geschlecht: Zwangsoperiert

Anja Gregor, die aktuell ihre Doktorarbeit über "Intersexualität" schreibt, hält diesen Donnerstag um 20h im Café Wagner einen Vortrag mit folgender Ankündigung:

Bis heute werden vielen Eltern intersexueller Neugeborener medizinische Interventionen angeraten, um dem Kind einen "eindeutigen" Geschlechtskörper herzustellen. Trotz einer erstarkten Intersex-Bewegung, die sich deutlich gegen derartige Operationen im  Genitalbereich und die Entfernung der Keimdrüsen ausspricht, findet weiterhin die Feminisierung oder – seltener – Maskulinisierung intersexueller Kleinkinder statt. Welche Konsequenzen hat die Diagnose für die Intersexuellen? Und welche Art der Widerständigkeit hat sich seit den 1990er Jahren im deutschsprachigen Raum herausgebildet? 

Der Vortrag richtet sein Augenmerk insbesondere auf das politische Engagement medizinisch manipulierter Intersexueller. Die 20-jährige Geschichte des Widerstandes wird als Kampf um körperliche Selbstbestimmung rekapituliert und zentrale Forderungen der Intersex-Bewegung im Kontext der Menschenrechte dargestellt. Indem  Intersexualität als soziales, nicht medizinisch pathologisiertes Phänomen verstanden wird, stellt der Vortrag die Belange Intersexueller in den Mittelpunkt: Es geht explizit um die Handlungsebene der  Individuen und ihr Potential zur Modifikation gesellschaftlicher Normen, nicht um die Diskussionen um die Verunsicherung der zweigeschlechtlichen  Norm.

Auf querelles.net erschien zudem kürzlich von Anja Gregor eine >>> Rezension zu Caroline Stern: "Intersexualität. Geschichte, Medizin und psychosoziale Aspekte" (2004/2010)

Nachträglicher Kommentar zu Sprache und Inhalt des Ankündigungstextes: "Medizinische Interventionen" bzw. "medizinisch manipuliert" ist zwar schon besser als die in Gender-Kreisen sonst "üblichen" Ausdrücke wie z.B. "geschlechtsangleichende", "normierende" oder "geschlechtsbestätigende Eingriffe", m.E. aber immer noch zu nah an der TäterInnensprache dran: der Witz an diesen Eingriffen ist ja gerade, dass sie medizinisch NICHT notwendig sind! Für Menschen, die noch nicht genau über das Thema Bescheid wissen, können sie deshalb leicht das Gegenteil suggerieren ...

Warum also nicht klar z.B. von "medizinisch nicht notwendigen Interventionen" bzw. "medizinisch nicht notwendigen chiurgischen und hormonellen Eingriffen" reden, für die es zudem bis heute "keine Evidenz" gibt, und die von Betroffenen und FGM-ExpertInnen schon lange als "westliche Genitalverstümmelungen" angeklagt werden. Oder objektiv und neutral zumindest von "kosmetischen Genitaloperationen", die dazu noch "ohne Einwilligung der Betroffenen" erfolgen? Sprache ist wichtig!

Ob "maskulinisierende" kosmetische GenitalOPs wirklich "seltener" sind, ist eine Definitionsfrage, wobei die Medizyner natürlich (wie immer, wenn Kritik an den Verstümmelungen laut wird) aktuell die Definitionen im öffentlichen Diskurs jeweils stark einengen und z.B. "vermännlichende Hypospadiekorrekturen" nicht zu "Intersex-OPs" zählen – eben gerade, weil "Hypospadiekorrekturen" die mit Abstand häufigsten kosmetischen Genitaloperationen an Kindern sind! (Unter sich klassifizieren die Medizyner "Hypospadiekorrekturen" hingegen klar als "DSD-Operationen", vgl. z.B. Vorträge von "EuroDSD"-Genitalabschneider Pierre Mouriquand).

Auch geht es m.W.n. den meisten Zwittern NICHT darum, "gesellschaftliche Normen modifizieren" zu wollen, sondern in erster Linie darum, endlich an bestehenden und für alle anderen selbstverständlichen Normen teilhaben zu können, z.B. dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit endlich auch für Menschen mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen durchgesetzt wird.

Davon abgesehen aber nicht zuletzt ein Dankeschön dafür, dass der Schwerpunkt auf dem Kampf der Betroffenen gegen die kosmetischen Genitaloperationen liegen soll!

Siehe auch:
- Anja Gregor: "Es waren zwei Königskinder ..." - arranca! #43 + mehr (Selbst-)Kritisches gegen Zwittervereinnahmung
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
- Kurze Geschichte der Zwittervereinnahmung: Hirschfeld-Money-Butler
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter genitalverstümmelt, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren
- Instrumentalisierung von Zwittern: Kritik aus 2002 (Georg Klauda)
- LSVD und Zwittervereinnahmung: 1 Schritt vor, 3 Schritte zurück? 
- Genitalverstümmelungen an Zwittern als "Nebenwiderspruch" des Zweigeschlechtersystems? (Von der Frauenbewegung lernen 2)
- "Westliche Form der Genitalverstümmelung"
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Zwitter-Vereinnahmung im Zusammenhang mit Amnesty-Petition - Sündikat gibt Gegensteuer!
- Das Problem der Instrumentalisierung durch LGBTQ
- Die Rede von der "psychischen Intersexualität"  

Friday, June 3 2011

Anja Gregor: "Es waren zwei Königskinder ..." - arranca! #43 + mehr (Selbst-)Kritisches gegen Zwittervereinnahmung

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Noch sind (selbst-)kritische und nicht-vereinnahmende, sondern mit der Zwitterbewegung konkret solidarische Äusserungen, Publikationen und Aktionen von LGBTQ-AktivistInnen leider klar die Ausnahme und immer noch nicht die Regel. Trotzdem kommt nun erfreulicherweise in den letzten ein, zwei Jahren da und dort langsam etwas in Bewegung.

Ein weiteres Beispiel dafür ist ein in der >>> arranca! #43 erschienener >>> Artikel von Anja Gregor: "Es waren zwei Königskinder ..." (PDF). (Der Artikel wird ab ca. Sommer auf der arranca-Homepage online sein.) Anja Gregor doktoriert aktuell an der Unversität Jena ebenfalls zum Thema "Intersexualität".

Untenstehend einige zentrale Zitate aus dem Artikel, gefolgt von einigen kritischen Anmerkungen plus Hinweisen auf aktuelle weitere positive Entwicklungen in Leipzig, nämlich die explizit nicht-vereinnahmende Behandlung des Themas durch das heute anlaufende "Paranoid Paradise Queer Film Festival" sowie einen kürzlichen Vortrag von Anja Gregor am Ladyfest Leipzig.

Zitate aus "Es waren zwei Königskinder":

[...] Für ‚Intersexuelle’ steht damit das Recht auf körperliche Unversehrtheit an erster Stelle [...]

‚Intersexualität’ als politisches Moment steht damit zunächst für die Auseinandersetzung mit der Verhinderung von Operationen im Genitalbereich, die die Betroffenen als Verstümmelung ihrer gesunden Körper ansehen. Weiter gedacht steht er damit für die Aufklärung von Eltern ‚intersexueller’ Kinder und Mediziner_innen sowie die Krisenintervention bei Betroffenen. [...]

Es muss also zunächst die Existenzberechtigung ‚intersexueller’ Körper gesichert werden. ‚Intersex’ Politiken beinhalten nicht zwingend auch gleich die Auseinandersetzung mit der Kritik des kulturellen Systems der Zweigeschlechtlichkeit im Allgemeinen. Und damit wären wir bei den Reibungspunkten mit queer Aktivist_innen.

[...] Selten wird dagegen in queeren Texten auf die Forderungen von ‚intersex’ eingegangen. ‚Intersexuellen’ geht es aber zunächst einmal unabhängig von ihrem Verständnis als geschlechtliche Wesen, also unabhängig davon, ob sie sich als geschlechtlich ein- oder mehrdeutig oder als nicht verortbar verstehen, um die Beendigung der Gewalt gegen ihre Körper und ein Aufwachsen ohne traumatisierende Gewalterfahrungen. So kann beim Lesen solcher queer Texte schon einmal der Eindruck entstehen, ‚Intersexuelle’ werden lediglich als Beweis der gewaltvolle Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit angebracht aber nicht als Mitstreiter_innen mit eigenen Forderungen gesehen. [...]

Die Sichtbarmachung traumatisierender medizinischer Behandlungspraxen gegen ‚intersexuelle’ Menschen und die konkrete Forderung der Beendigung genitaler Operationen im Kleinkind- und Jugendalter muss selbstverständlichen Eingang in queer Politiken finden, und zwar unabhängig vom Gender-Verständnis der Betroffenen. [...]

Sich die eigene privilegierte Position bewusst machen und das entsprechende Handeln folgen lassen, das Bewusstsein von der Normierungspraxis der Medizin an ‚intersexuellen’ Körpern und ihren intrinsischen Begründungslogiken, die Suche nach einer gemeinsamen Sprache aufgrund von ähnlichen (jedoch nicht ohne weiteres vergleichbaren) Erfahrungen, indem von Seiten der Queers aktiv der Dialog mit Instanzen des ‚Intersex’-Aktivismus gesucht wird, können Schritte einer geschwisterlichen Zusammenarbeit sein.

Meine 2 Cent: Ein weiterer Text, der die 2002 durch Emi Koyama und Lisa Weasel formulierten Kritikpunkte an Vereinnahmung/Objektivierung der realen Zwitter u.a. durch Gender Studies aufnimmt und weiterentwickelt und daraus folgernd das Recht auf körperliche Unversehrtheit korrekt an erste Stelle stellt (siehe Zitate oben). Dafür ein herzliches Danke!

Nach wie vor liegen jedoch einige Probleme in Details: Nach wie vor dominieren klassische Queer-Anliegen à la "Verunsicherung hegemonialer Geschlechtskonzepte" bzw. Kampf gegen die "ausschließende Zweigeschlechtlichkeit des Grundgesetzes" z.T. unterschwellig den Text, wenn z.B. auf konkrete Grund- und Gesetzesparagraphen einmal mehr nur im Zusammenhang mit Geschlecht und Personenstandsgesetz verwiesen wird, während z.B. GG Art. 2.2 (Recht auf körperliche Unversehrtheit) nicht konkret aufgeführt wird, ebensowenig wie relevante Paragraphen betreffend Körperverletzung etc. Auch das Grundproblem der Nicht-Einklagbarkeit der Verstümmelungen an Kleinkindern aufgrund der Verjährungsfristen wird nicht angesprochen, ebenso weder in diesem Zusammenhang noch sonstwo die Gemeinsamkeiten der Leiden und Kämpfe der verstümmelten Zwitter z.B. mit den Überlebenden von sexualisierter Gewalt an Kindern.

Noch ganz unterhalb des Wahrnehmungsradars bleiben leider die konkreten politischen Probleme einer Zusammenarbeit im Namen von Queer & LGBT, nämlich dass der Kampf gegen die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken so in der politischen Wahrnehmung schnell mal als "marginales Schwulenanliegen" schubladisiert und abgetan werden, und so konservative/christliche PolitikerInnen (die aktuell in den meisten Parlamenten nach wie vor die Mehrheit stellen) von vornherein auf Ablehnung schalten, noch bevor die Zwitter-Aktivist_innen überhaupt je die Gelegenheit erhalten, zu erklären, worum es überhaupt geht – während umgekehrt bekanntlich auch konservative/christliche PolitikerInnen das Unrecht der Verstümmelungen erkennen und auch entsprechend politisch Stellung beziehen, wenn entsprechende Anliegen/Vorstösse eben NICHT in/aus der LGBTQ-Terminologie/Ecke kommen ...

Deshalb ist es gerade im politischen Kampf (und auch bei Demos) wichtig, dass fortschrittliche LGBTQs sich konkret mit den Zwitterforderungen solidarisieren (bekanntlich gehen nur wenig traumatisierte Zwangsoperierte auf die Strasse), aber eben ausdrücklich als Solidarische und NICHT als "Queer-Aktivisten", bzw. im politische Kampf entsprechend Zurückhaltung üben und entsprechenden Wert darauf legen, dass auch christliche/konservative PolitikerInnen zum Zug kommen – nur so wird die notwendige politische Mehrheit zur Beendigung der Verstümmelungen möglich sein ...

Fazit: Ein wichtiger Anfang ist gemacht, doch der Weg ist noch nicht zu Ende ...

Leipzig 30.6.:
"El último verano de la Boyita" @ "Paranoid Paradise Queer Film Festival"

Am Do 30. Juni läuft in Leipzig der bisher neueste Zwitterfilm aus Argentinien (Regie: Julia Solomonoff). Auf der >>> Homepage des Festivals hat dazu ein Statement, von dem sich noch so manche andere ruhig mal eine Scheibe abschneiden könnten – hört, hört:

Das paranoid:paradise-Team möchte an dieser Stelle seine Solidarität mit den Forderungen nationaler und internationaler Intersex-Verbände und -Aktivist_innen und seine reflektierte und ambitionierte Position bekunden. „Intersex“ wird von uns in diesem Kontext ganz klar NICHT innerhalb von (selbstgewählten) queeren Identitäts- und Lebensentwürfen angesiedelt. Es soll nicht als Abstraktum, Metapher, Mystifizierung oder Idealvorstellung einer Irritation der gesellschaftlichen Zweigeschlechterordnung instrumentalisiert werden, denn die individuelle Lebensrealität intergeschlechtlicher Menschen ist vielmals von erniedrigenden und schmerzlichen, körperlich- materiellen Erfahrungen geprägt und sollte daher nicht in einer (queeren) Homogenität untergehen/vergessen werden. Intersexualität ist vor allem ein medizinisches und gesellschaftliches "Problem" und uneindeutige Genitalien ein ästhetisches "Tabu". Auch wir fordern: "Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!" und rufen alle Interessierten auf, sich z.B. bei folgenden Organisationen über die gegenwärtige Behandlungspraxis an intersexuellen Menschen und deren Konsequenzen kritisch zu informieren.

Anja Gregor @ Ladyfest Leipzig: "Medizinische Macht und Intersexualität - gegenwärtige Praxis und Wege der Emanzipation"

Vortrag vom 19.5.11, mehr dazu hier.

Siehe auch:
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
- Zwitter und Patriarchat aus feministischer Perspektive 
"Westliche Form der Genitalverstümmelung"
- Das Problem der Instrumentalisierung durch LGBTQ
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter zwangsoperiert, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren
- LSVD und Zwittersolidarität: 1 Schritt vor, 3 Schritte zurück?
- Die Rede von der "psychischen Intersexualität"

Tuesday, November 2 2010

Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg: Zwitterfilme? Ja, gerne! Zwitter-Vereinnahmung? Nein, danke!

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Aktualitätshalber leider mit Verspätung:

Die "Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg / International Queer Film Festival" zeigten letzte Woche auf Initiative von MERSI Hamburg 3 Zwitterfilme.

Nämlich als lokale Premiere "El último verano de la Boyita" (2009) von Julia Solomonoff (eins / zwei), den "neuen Zwitter-Spielfilm aus Argentinien", thematisch scheints quasi ein inoffizielles Sequel zu "XXY" von Lucía Puenzo: Zeigte letzterer ein "Mädchen", das u.a. auch im Stehen pinkeln kann, geht es diesmal um einen menstruierenden "Jungen", der stimmigerweise als Jockey Pferderennen bestreitet – eine der wenigen Sportarten, wo Frauen gegenüber Männern  biologische Vorteile haben. (Ob "El último verano de la Boyita" ebenso überzeugend ist wie "XXY", kann ich aktuell nicht beurteilen.)

Sowie die seltener gezeigten englischsprachigen Kurzdokus "One in 2000" (2007) von Ajae Clearway (eins / zwei / drei) und "Gender Trouble" (2002) von Roz Mortimer (eins / zwei). Anlässlich der Vorführung der Kurzdokus gab's zusätzlich ein Publikumsgespräch mit Lucie Veith von Intersexuelle Menschen e.V.

Soweit, so positiv und verdankenswert!

Leider wollen die Verantwortlichen des Festivals aber offensichtlich mal wieder gar nicht kapiert haben, worum's beim Thema "Intersex" überhaupt geht. Sondern betreiben stattdessen munter die altbekannte schädliche Vereinnahmung, indem sie "Intersex" öffentlich als Untergruppe von "Queer" deklarieren und mit "Transgender" in eine Reihe setzen:

Katja Briesemeister von den LSF:

„Die Filmtage sind MEHR als lesbisch und schwul. Das wollen wir nun auch noch klarer nach außen vertreten: Online, im Programmheft und bei anderen Gelegenheiten machen wir deutlich, dass auch transgender, intersex, kurz: queere Filmbeiträge aller Couleur einen Platz in unserem Festival haben. [...] Filme, die mehr als lesbisch, schwul oder eben transgender sind, nämlich auch intersex, queer, …! (lsf-hamburg.de, blu.fm)

Kommentar: Falls diese politische Vereinnahmung vielleicht auch "nur" aus Unwissenheit und Recherchierfaulheit geschah und gar nicht "böse gemeint" war, ist sie nichts destotrotz für den politischen Kampf der Zwitter um körperliche Unversehrtheit sehr schädlich, zumal zu befürchten ist, dass die oben zitierte, verschiedentliche öffentliche Äusserung kein einmaliger Ausrutscher war. Wenig überraschend kommen solche Vereinnahmungen auch regelmässig von vergleichsweise privilegierten Gruppen und Personen, die (im Gegensatz zu den bekanntlich zu 90% zwangsoperierten Zwittern) selber nie um die Unversehrtheit ihrer Genitalien fürchten mussten, geschweige denn durch deren meist wiederholte Verstümmelung von Klein an massiv traumatisiert wurden.

Umso bedenklicher, dass auch MERSI Hamburg und Intersexuelle Menschen e.V. als am Festival Mitbeiteiligte allem Anschein an nichts bemerkt haben wollen, geschweige denn sich veranlasst sahen, öffentlich Gegensteuer zu geben!

Siehe auch:
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter zwangsoperiert, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren
- Instrumentalisierung von Zwittern: Kritik aus 2002 (Georg Klauda)
- LSVD und Zwittervereinnahmung: 1 Schritt vor, 3 Schritte zurück? 
- Genitalverstümmelungen an Zwittern als "Nebenwiderspruch" des Zweigeschlechtersystems? (Von der Frauenbewegung lernen 2)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Zwitter-Vereinnahmung im Zusammenhang mit Amnesty-Petition - Sündikat gibt Gegensteuer!

Friday, October 8 2010

"Arte-Doku über Intersexualität: Mal Mann, mal Frau, meist Inge" - taz, 8.10.10

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>>> Typisch vereinnahmender Artikel in der taz – von Menschenrechtsverletzungen bzw. Recht auf körperliche Unversehrtheit einmal mehr kein Wort. Stattdessen als einzige Forderung, als "wissenschaftliche Referenz" müssten auch – ausgerechnet! – "Gender-Forscher zu Wort kommen".

Mein dazu geposteter (bisher aber noch nicht freigeschalteter) Kommentar (der Bezug nimmt auf einen vorherigen Kommentar, der die Vernunft von Inges Eltern lobte):

Ja, Hut ab vor Inges Eltern, vor ihrer Vernunft, vor ihrer Menschlichkeit und vor ihrer Liebe zu ihrem Kind.

Kein Hut ab vor diesem Artikel, der vor lauter Projektion und Fixiertheit auf den eigenen Gender-Bauchnabel noch immer nicht bemerken will, dass dies in erster Linie ein Thema ist für MenschenrechtlerInnen, EthikerInnen und StaatsanwältInnen (und NICHT für GendertheoretikerInnen). All diese erstgenannten zentralen Aspekte bleiben in der taz wie gehabt aussen vor ...

Die Gender-Theorie war zudem Ursprung und Anlass und bleibt bis heute die Begründung für diese systematischen westlichen Genitalverstümmelungen, die in Deutschland JEDEN TAG mindestens einmal in einer Kinderklinik an einem wehrlosen Kind verbrochen werden.

Gender-ForscherInnen beuten diese fortdauernden medizynischen Verbrechen bis heute schamlos aus für die "Verbesserungen" ihrer "wertfreien wissenschaftlichen Theorien". Konkret gegen die Verstümmelungen etwas getan haben sie noch NIE. Im Gegenteil, meist arbeiten sie einträchtig in den selben Institutionen wie die VerstümmlerInnen, z.B. in Berlin in der "Charité-Universitätsmedizin". Und lassen sich von mittäterischen verantwortlichen PolitikerInnen unwidersprochen als Feigenblatt vorschieben. Aktuelles Beispiel:

Der Berliner Senat Wowereit III behauptete betreffend Genitalverstümmelungen vor der eigenen Haustüre noch am 17.06.2010 schamlos:

„Dem Senat liegen keine Erkenntnisse über konkrete Fälle mit derartigen Eingriffen oder Therapien vor. Eine rechtliche Beurteilung ist somit nicht möglich.“ (Drucks. 16 / 14436, S. 2).

„Auch gibt es keine Erkenntnisse darüber, ob und welche Krankenhäuser in Berlin solche Behandlungen an Kindern vorgenommen haben.“ (Drucks. 16 / 14436, S. 1).

Tatsache bleibt, dass „solche Behandlungen an Kindern“ im Zuständigkeitsbereich des Berliner Senats z.B. in der Charité seit Jahr und Tag systematisch „vorgenommen“ werden.

Tatsache bleibt, dass der Senat, der diese Verstümmelungen duldet und unterstützt, dann abschliessend zu seiner Weisswaschung als Feigenblatt auf ein von ihm veranstaltetes Fachgespräch mit den üblichen "Gender-ExpertInnen" verweist, in der Zwitter einmal mehr letztlich nichts als vereinnahmt wurden. (Drucks. 16 / 14436, S. 2)

Gleichzeitig spielt sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit öffentlich als Zwitterbeschützer auf und wird dafür in der taz bejubelt (während er in Tat und Wahrheit die Zwitter für seine eigenen Anliegen instrumentalisiert).

Schämt euch und macht es in Zukunft besser!

>>> "Tabu Intersexualität" - ARTE 8.10.10 + online auf arte.tv

>>>  Berliner Senat leugnet Verstümmelungen

Siehe auch:
- Genitalverstümmelung & Gendertheorie: Hirschfeld-Money-Butler
- John Money & Co. - Der Mythos vom Einzeltäter
- Vereinnahmung von Zwittern: Das Transgender Netzwerk Berlin TGNB macht's vor ... 
- "Die Bielefelderin Britta Dombrowe über ihren Arte-Film zur Intersexualität" - Neue Westfälische, 2.10.10
- Buch von Christiane Völling: "Mein Leben als Intersexuelle"
- "Tabu Intersexualität" - Dokfilm u.a. über Christiane, Arte 8.10.10
- Alle Posts zu Christiane Völling auf Zwischengeschlecht.info
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung

"Tabu Intersexualität" - dpa, 8.10.10

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Geschlecht: Zwangsoperiert>>> Zwiespältige Meldung der Deutschen Depeschen Agentur zum Dokfilm u.a. über Christiane Völling heute auf Arte um 22:45h.

Nach bekanntem "Gender"-ABC geht's um "Geburtsurkunde" statt um medizynische Verbrechen, um "richtige Geschlechtsbestimmung" statt um Recht auf körperliche Unversehrtheit. John Money wird einmal mehr zum alleinigen Sündenbock gestempelt.

Das einzige, was an den täglichen Verstümmelungen in den Kinderkliniken als problematisch dargestellt wird, ist, dass sie vielleicht etwas zu früh gemacht würden, nämlich "solange noch Unklarheit über das Geschlecht besteht", weshalb "oftmals [...] beim Versuch der Bestimmung die Zeichen nicht richtig [...] erkannt" würden.

Doch die Rettung naht: "in den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft mit Hochdruck begonnen, die Ursachen und Auswirkungen von Intersexualität zu erforschen". Und die neuen, gender-optimierten Verstümmelungsmethoden werden's dann schon richten: 

«Man muss warten, bis das Gehirn anfängt, in einer geschlechtlich differenzierten Weise zu arbeiten», sagt der Hirnforscher Dirk Swaab. «Nur vom Verhalten eines Menschen können wir ableiten, ob er ein männliches oder weibliches Gehirn hat.»

Liebe Leute von der dpa: Es gibt keine "richtigen" Zwangsoperationen! Verstümmelungen a.k.a kosmetische GenitalOPs an wehrlosen Kindern sind IMMER falsch und ein Verbrechen. Wenn die Kinder später einmal entscheidungsfähig sind, können sie selbst am besten sagen, ob sie überhaupt Eingriffe wollen, und falls ja, welche. Vorher ist JEDER nicht gesundheitsnotwendige Eingriff einfach nur daneben und die TäterInnen gehören allesamt bestraft. Was ihr bestimmt schnell einsehen würdet, wenn's um Eure eigenen Genitalien ginge, wetten?!

Ausserdem, der "Hirnforscher" heisst Dick Swaab und NICHT Dirk.

Fazit: Ungenügend, setzen. Das nächste Mal besser, bitte. Genderbrille zwischendurch absetzen könnte helfen.

>>> "Tabu Intersexualität" - ARTE 8.10.10 + online auf arte.tv

Siehe auch:
- Christiane Völlings Geschichte in ihren eigenen Worten
- "Die Bielefelderin Britta Dombrowe über ihren Arte-Film zur Intersexualität" - Neue Westfälische, 2.10.10
- Buch von Christiane Völling: "Mein Leben als Intersexuelle"
- "Tabu Intersexualität" - Dokfilm u.a. über Christiane, Arte 8.10.10
- Alle Posts zu Christiane Völling auf Zwischengeschlecht.info
- Genitalverstümmelung & Gendertheorie: Hirschfeld-Money-Butler
- John Money & Co. - Der Mythos vom Einzeltäter

Thursday, September 16 2010

16.9.10 - Berlin: Fachgespräch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)

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Gleichentags wie der erste Protest in Potsdam ist angekündigt:

Ein weiteres der immer wieder beliebten "Fachgespräche", an denen die Genitalverstümmelungen an Zwittern jeweils (auch) irgendwie "(mit)gemeint" sind, diesmal in einem Workshop Nr. 6 „Geschlechtsausdruck, geschlechtliche Identität, Zwei-Geschlechter-Ordnung: Diskriminierung von Trans*, Inter* und schwul-lesbisch-bi lebenden Menschen“.
--> Anmeldung und Programm: http://www.ads-fachtagung.de/

Intersexuelle Menschen e.V. wird dort eine schriftliche Note „Diskriminierungen im Leben von intersexuellen Menschen“ übergeben.

Ob sich daraus eine konkrete Praxis gegen die GenitalabschneiderInnen entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Zumindest bisher dienten solche Veranstaltungen hauptsächlich als Feigenblatt, wenn verantwortliche PolitikerInnen sich später öffentlich herauslügen wollen, eigentlich würden sie im Gegenteil ja etwas für die Menschenrechte der Zwitter tun:

Bezeichnenderweise waren mehrere der am aktuellen „Fachgespräch“ Beteiligten bereits an einer ähnlichen Veranstaltung des Berliner Senats vom November 2004 mit von der Partie – auf welche vom heutigen Berliner Senat nach bewährtem Muster in der u.a. im Flugblatt zu den Protesten und auf Indymedia bereits erwähnten Drucksache 16/14436 vom 17.06.2010 auf S. 2 abschließend „verwiesen wird“ ...

Siehe auch:
- Vereinnahmung von Zwittern: Das Transgender Netzwerk Berlin TGNB macht's vor ... 
- Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht - und Intersexuelle Menschen e.V. sich nicht wehrt
- Intersexuelle Menschen e.V.: Katzbuckeln gegenüber den Medizynern und den verantwortlichen PolitikerInnen
- Intersexuelle Menschen e.V. / XY-Frauen Elterngruppe nimmt "EuroDSD"-Zwangsoperateure in Schutz
- Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen? 
- John Money & Co. - Der Mythos vom Einzeltäter
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- Genitalverstümmelung & Gendertheorie: Hirschfeld-Money-Butler
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken
- Hamburg: Bürgerschaft will Zwitter stärken – Zwangsoperationen ausgeklammert
Bundestag / CEDAW: "Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe" will nix kapiert haben – Intersexuelle Menschen e.V. guckt zu und schweigt
- Intersexuelle Menschen e.V. informiert (nicht)
- 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V. möchte diesem Blog mal wieder das Kommentieren verbieten ... 

Friday, September 3 2010

David Reimer: Klage gegen John Money – erfolglos wegen Verjährung

Zwischengeschlechtliche ehren Milton Diamond, Hamburg 30.1.08

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Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!In einem Interview mit Milton Diamond von Hertha Richter-Appelt anlässlich des "2. Interdisziplinären Forum zur Intersexualität" vom 30.1.08 (publiziert in Zeitschrift für Sexualforschung 2008; 21; 369 – 376) erzählt Diamond, wie David Reimer 1997 seinen Peiniger John Money verklagen wollte – mit demselben Ergebnis, das es auch viele zwangsoperierten Zwittern verunmöglicht, auf gerichtlichem Wege Gerechtigkeit zu erfahren:

Da die Medizyner ihre Verbrechen mit Vorliebe an Kleinkindern begehen, sind diese längst verjährt, wenn die Opfer endlich im Stande wären, juristisch gegen die Täter vorzugehen ...

Auch sonst bietet das Interview interessante Einblicke, nachfolgend einige Auszüge:

1979 plante die BBC eine Sendung, in der der Psychiater von David interviewt wurde. Und der sagte, David, der damals 13 oder 14 Jahre alt war, verhalte sich keineswegs wie ein Mädchen. Auch Money hatte ein Interview zugesagt, sagte aber wieder ab, nachdem man ihn mit der Entwicklung von David konfrontierte. Also rief die BBC mich an, schließlich musste die Sendezeit gefüllt werden. [...]

Später versuchte ich, jemanden zu finden, der [David Reimer] kannte oder etwas über ihn wusste. Und tatsächlich fand ich seinen Endokrinologen, David bekam ja die ganze Zeit Östrogene. Mit ihm nahm ich Kontakt auf und er sagte mir: „Stopp, suchen sie nicht weiter. Reden Sie mit niemandem über diesen Fall und lassen Sie die ganze Geschichte auf sich beruhen.“ Ich wollte aber mehr wissen und stieß schließlich auf Davids Psychiater. Als ich ihn anrief, war sein erster Satz: „Ich war gespannt, wie lange Sie brauchen würden, um mich ausfindig zu machen.“

[...] Wir unterhielten uns lange und wurden später gute Freunde. Aber er hatte Angst um seinen guten Ruf und seinen Job, weil er anderer Meinung war als Money. [...] Erst Jahre später fragte der Psychiater dann David, ob er mich treffen wolle – und er hat zugesagt. Zunächst versuchte ich noch, Money zu kontaktieren, aber der nahm mich nicht ernst und so reiste ich 1995 nach Kanada, um David zu treffen. Unser Gespräch war sehr gut und David war erstaunt darüber, wie berühmt er war. Er hatte nie erfahren, dass jemand über ihn schreibt.

[...] Zu diesem Zeit punkt muss [David Reimer] 30 Jahre alt gewesen sein, schon seit seinem 14. Lebensjahr lebte er aber wieder als Mann. Er hatte damals seinen Eltern mit Suizid gedroht, falls man ihm das nicht gestatten würde. Als ich ihm die Hintergründe seiner Geschichte erzählte, wurde er sehr böse. Aber er wollte auch nicht aus der Anonymität heraustreten, um seine adoptierten Kinder nicht zu belasten.

1997 schrieben wir dann einen Aufsatz (11), der auf riesiges Interesse stieß: Viele Zeitungen und Zeitschriften berichteten darüber. Und natürlich wollte man auch Money interviewen, aber der weigerte sich. David wollte Money damals verklagen, aber sein Fall war in den USA bereits verjährt. [...] Nach der Veröffentlichung unseres Aufsatzes 1997 beschloss ich dann, mich auch all den anderen Fällen zu widmen, die ich über die Jahre zusammengetragen hatte, und einen Aufsatz über die Behandlung von Menschen mit Intersexualität zu publizieren. (12)

[...] David habe ich noch einige Male getroffen. Aber er lebte ja in Kanada und ich in Hawaii, sodass wir meist auf anderem Wege kommunizierten. [...]

(11) Diamond M, Sigmundson HK. Sex reassignment at birth: a long term review and clinical implications. Arch Pediatr Adolesc Med 1997; 151: 298 – 304

 

(12) Diamond M, Sigmundson HK. Management of intersexuality. Guidelines for dealing with persons with ambiguous genitalia. Arch Pediatr Adolesc Med 1997; 151: 1046 – 1050; vgl. auch Diamond M. Intersexuality: Recommendations for management. Arch Sex Behav 1998; 27: 634 – 641

 

Siehe auch:
- Genitalverstümmelung & Gendertheorie: Hirschfeld-Money-Butler
- Milton Diamond fordert gesetzliches Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern
- "Who killed David Reimer?" 
- Zwischengeschlechtliche ehrten Milton Diamond - 30.1.08

Sunday, June 27 2010

"Er, sie, es" - Tagesspiegel, 27.6.10

>>> Nachtrag: Kommentare auf dem Hermaphroditforum    >>> Nachtrag 2

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter! 

Als bisher einziges kommerzielles Medium brachte der Tagesspiegel aus Berlin heute einen insgesamt >>> gelungenen Bericht von Ulrike Baureithel über das "Forum Bioethik" des Deutschen Ethikrates vom letzten Mittwoch, dem 23.6.10.

Der Titel des Artikels ist leider weder besonders originell noch neu noch gut. (U.a. wurde er bereits benutzt für einen Artikel von Katrin Hummel in der Frankfurter Allgemeinen vom 15.1.03., der darin mitportraitierte Michel Reiter merkte schon damals an: "[E]in Mensch wird nie ein Es sein; im Titel ist ein Diskredit enthalten und Sprachwissenschaftler sind gefordert, ethymologische Recherche der Pronomina es/ie/r (es, sie, er) zu betreiben.")

Im Gegensatz zur Pressemitteilung des Ethikrates zur Veranstaltung bringt der eigentliche Artikel aber Klartext: Bereits im Lead fällt das Wort "Zwangsoperationen", im ersten Abschnitt steht "Kastration", weiter unten ist die Rede von John Moneys "brutalen und entwürdigenden Experimente[n] an Kindern", die Forderung Überlebender nach einem Verbot der Genitalverstümmelungen wird ebenso erwähnt wie Konstanze Pletts Kritik an der Doppelmoral "unserer" Gesellschaft:

Die westliche Welt lamentiere über Genitalbeschneidung, und der Bundestag diskutiere ein Verbot, ohne wahrzunehmen, dass derlei tagtäglich auch hierzulande passiere.

Interessant auch der Vergleich der Rezensentin mit vorherigen Veranstaltungen des Deutschen Ethikrates:

Dass hinter jedem Einzelfall ein oft von Irrationalität und Leiden begleitetes Schicksal steht, erlebten vergangene Woche auch die deutschen Ethikräte, deren ansonsten akademisch dahin plätscherndes „Forum Bioethik“ beim Thema „Intersexualität – Leben zwischen den Geschlechtern“ plötzlich zu einer Konfrontationsarena zwischen dem Expertensystem und selbstbewussten Anwälten in eigener Sache wurde.

Natürlich stehen zwischendurch wiederholt Dinge drin, nun wirklich nicht hätten sein müssen, wenn etwa als zusätzlicher "Experte" ausgerechnet der unsägliche Sexologe und wohl unverbesserliche Verstümmelungsentschuldiger und -zulieferer Hartmut Bosinski zitiert wird. Auch werden einmal mehr unkritisch und unhinterfragt die beschönigten Zahlen und Statistiken des "Netzwerk DSD/Intersexualität" kolportiert: "Je nach Ausprägung und Zuordnung kommt auf 3000 bis 5000 Geburten ein Kind mit einem uneindeutigen Geschlecht, schätzen Experten." Dabei ist hinlänglich belegt, dass Medizyner diese nur nennen, wenn es um die Abwehr von Kritik geht, während sie bei der "Gewinnung" neuer Opfer 1:1000 veranschlagen.

Auch (ausgerechnet!) Magnus Hirschfeld und Judith Butler werden ebenfalls völlig unkritisch und unhinterfragt hinzugezogen, und so sicher wie das Amen in der Kirche kommt die Autorin zum Schluss wieder zurück auf das ihr selber offenbar viel bedeutende Thema der "Normalgesellschaft", die "auf ein binäres Schema fixiert" sei, obwohl sich an der Veranstaltung, wie sie offensichtlich etwas verwundert festhält, "der Streit um Behandlungspraktiken drehte".

Alles in allem nahm sie die Kritik der Überlebenden daran aber immerhin ernst genug, um ihr im Artikel Platz einzuräumen und dabei Klartext zu bringen. Dafür ein herzliches Danke!

>>> http://www.tagesspiegel.de/wissen/er-sie-es/1869792.html

>>> Nachtrag: Kommentare auf dem Hermaphroditforum

>>> Nachtrag 2: Der Titel wurde inzwischen online geändert zu "Zwischen den Geschlechtern". Auch der Lapsus "Verein interkultureller Menschen" wurde inzwischen berichtigt zu "Verein intersexueller Menschen".  

>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 23.6.10
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 22.6.10

>>> Pressemitteilung des Deutschen Ethikrates vom 25.6.10
>>> Veranstaltung des Ethikrates in Berlin, Mi 23.6.10 18h: "Intersexualität - Leben zwischen den Geschlechtern" 

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