Zwischengeschlecht.info - Tag - Ein Leben aus der Krankenakte2023-12-18T21:29:48+01:00urn:md5:4da99e5d0d3c61f5e4a80a076b93b51dDotclearLügen, Zwangseingriffe, Schweigegebote: ein Leben aus der Krankenakte (Teil III)urn:md5:2376b75ee0ea62efa6ea11bedbc9925f2008-07-06T12:05:00+02:002009-05-12T01:20:23+02:00nellaIchEin Leben aus der Krankenakte <a href="http://zwischengeschlecht.org/"><img title="Menschenrechte auch für Zwitter!" style="margin: 0 1em 1em 0; float: left;" alt="Menschenrechte auch für Zwitter!" src="https://blog.zwischengeschlecht.info/public/K_ln_shirts_06_02_08-3.gif" /></a>>>>
<a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/06/12/Beurteilt-zugewiesen-und-verwaltet%3A-ein-Leben-aus-der-Krankenakte-Teil-I">
Teil I</a> / <a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/06/12/Beurteilt-zugewiesen-und-verwaltet%3A-ein-Leben-aus-der-Krankenakte-Teil-II">
Teil II</a><br />
<br />
<strong>Verdrängung als Selbstschutz</strong><br />
<br />
Als ich die Unterlagen zur <a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/06/12/Beurteilt-zugewiesen-und-verwaltet%3A-ein-Leben-aus-der-Krankenakte-Teil-II">
Genitaloperation</a> in meiner Krankenakte fand, dachte ich zuerst an einen
Irrtum, meinte, es müsse sich um Unterlagen aus einer anderen Akte handeln. Ich
hatte die Operation komplett aus meinem Gedächtnis gelöscht (2), wusste absolut
nichts mehr davon. Neben der Erkenntnis, dass ich massiv operiert wurde, hat es
mich sehr erschüttert, dass ich das dermaßen verdrängt hatte, weil es zu
schrecklich war. Ich habe mich dadurch geschützt, hatte mir sogar eine
'Ersatzerinnerung' zurecht gelegt, die darauf beruhte, dass meine Mutter auf
mein Nachfragen sagte, dass man mir nur ein bisschen überschüssige Haut
entfernt habe, ambulant.<br />
<br />
Am 20.7.1972 wurde ich dann am Herz operiert. Im selben Jahr haben mir die
Mediziner also das Leben gerettet und vieles unwiederbringlich zerstört.<br />
<br />
Mit achtzehn Jahren wurde eine Vaginalplastik durchgeführt. Diese Operation
wollte ich selbst, da mir gesagt wurde, dass ich 'so' keinen Freund haben
könne. Ich habe mir aber geschworen, dass es die letzte sein soll und dass ich
danach nie wieder zu einem Arzt gehen würde. Ich gehe auch heute nur im
äußersten Notfall zum Arzt, gynäkologische Untersuchungen meide ich seit Jahren
ganz.<br />
<br />
<br style="font-weight: bold;" />
<strong>Verlorene Jahre</strong><br />
<br />
Heute, mit 42 Jahren, lebe ich immer noch (zäh, wie eine Katze, sagt mein Vater
immer) und hatte bisher keine besonderen gesundheitlichen Probleme, wobei man
das eigene Erleben nur bedingt mit anderen vergleichen kann. Nun beginne ich
mir Gedanken betreffend meiner contrachromosomalen Hormonersatztherapie
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als Folge der Kastration</a> und den möglichen Folgeschäden zu machen, die sich
abzuzeichnen scheinen: seit etwa zwei Jahren habe ich vermehrt Gelenkschmerzen
(Rücken, linke Hüfte, Knie, Füsse) nach nur einer Stunde spazieren mit Hund
(vorher kein Problem), habe oft bleischwere Beine, fast täglich
Schwindelgefühle, wieder vermehrt Hitzewallungen, Müdigkeit. Ich bin sehr dünn
geworden. Vor zwei Jahren hat man bei mir eine Vorstufe zur Osteoporose
diagnostiziert. Heute habe ich mit ziemlicher Sicherheit eine Osteoporose. Ich
sollte mich deshalb aufraffen und doch wieder mal zum Arzt gehen.<br />
<br />
Meine psychischen Probleme konnte ich zum größten Teil in einer Psychoanalyse
(seit sieben Jahren in Behandlung) aufarbeiten. Ich werde jedoch mein Leben
lang unter den Folgen dieser menschenverachtenden Behandlung leiden. Ich bin
weder Mann, noch Frau, aber vor allem bin ich auch kein Zwitter mehr. Ich
bleibe Flickwerk, geschaffen von Medizinern, verletzt, vernarbt. Ich muss mich
neu erfinden, wenn ich weiter leben will.<br />
<br />
Heute habe ich dank Jahre langer Psychoanalyse meinen inneren Frieden gefunden,
kann wieder Nähe und Liebe zulassen. Und dennoch ist es schwierig. Ich fühle
mich wie jemand, der nach vierzig Jahren aus dem Koma erwacht ist, seine Hände
betrachtet und realisiert, wie die Zeit vergangen ist und wie wenig er vom
Leben hatte. Mein körperlicher Urzustand ist unwiederbringlich verloren. Meine
Identität, meine Würde wurden mir genommen. Nun mache ich mich auf, um sie mir
wieder zurück zu erobern!<br />
<br />
Nella, Februar 2008<br />
<h5 style="font-weight: normal;">(2) Bei Dissoziationen (auch dissoziative
Störungen genannt) handelt es sich um eine vielgestaltige Störung, bei der es
zu einer teilweisen oder völligen Abspaltung von psychischen Funktionen wie des
Erinnerungsvermögens, eigener Gefühle (Schmerz, Angst, Hunger, Durst, …), der
Wahrnehmung der eigenen Person und/oder der Umgebung kommt."<br />
(...) (http://de.wikipedia.org/wiki/Dissoziation_(Psychologie)<br />
Vgl. auch dissoziative Amnesie: "Das Abkoppeln des expliziten Gedächtnisses von
diesem "Eigenleben" der niederen Steuerungsebenen erklärt die bei
Traumatisierten häufig beobachtbaren dissoziativen Symptome: das
Nicht-Erinnerungsvermögen an Trauma-Situationen nennt man auch dissoziative
Amnesie. Die Abtrennung des Großhirns vom Nachrichtenfluss bewirkt, dass keine
oder nur wenige sinngebenden Bewertungen vorhanden (bzw. physiologisch möglich)
sind und auch kaum etwas im expliziten Gedächtnis gespeichert ist. Da die
impliziten Gedächtnisse zustandsabhängig arbeiten, werden die dort
gespeicherten Informationen nach dem Ende der Lebensgefahr manchmal nicht mehr
aktiviert; sie scheinen "vergessen" (Amnesie). Oder sie werden in bestimmten
Situationen aktiviert, scheinen aber sinnlos zu sein, was dann zu Bewertungen
durch die Umgebung wie "hochsensibel" führen kann."
(http://www.aufrecht.net/utu/trauma.html)</h5>Lügen, Zwangseingriffe, Schweigegebote: ein Leben aus der Krankenakte (Teil II)urn:md5:b79a7f49acbe92d47e609e64e6977c5f2008-07-01T15:28:00+02:002009-05-12T01:20:58+02:00nellaIchEin Leben aus der Krankenakte <p><a href="http://zwischengeschlecht.org/"><img title="Menschenrechte auch für Zwitter!" style="margin: 0 1em 1em 0; float: left;" alt="Menschenrechte auch für Zwitter!" src="https://blog.zwischengeschlecht.info/public/K_ln_shirts_06_02_08-3.gif" /></a><a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/06/12/Beurteilt-zugewiesen-und-verwaltet%3A-ein-Leben-aus-der-Krankenakte-Teil-I">>>>
Teil I</a><br />
<strong><br />
Lügen und Halbwahrheiten</strong><br />
<br />
Die Mediziner haben meine Eltern angelogen und in der Folge angewiesen, wie sie
mich zu erziehen hätten:</p>
<blockquote>
<p>"Das Kind ist ein Mädchen und wird es bleiben, die ganze Erziehung hat sich
danach zu richten. Mit niemandem ausser den Eltern u. dem Arzt (...) soll über
die Geschlechtfrage weiter diskutiert werden."</p>
</blockquote>
Meinen Eltern wurde verschwiegen, dass ich chromosomal männlich bin und dass
man meine Hoden entfernt hatte. Natürlich wurde ihnen auch verschwiegen, dass
man einen Fehler gemacht hatte. Meine Eltern wurden also in der Folge
systematisch belogen:<br />
<blockquote>
<p>"Die Eltern fragten dann natürlich ob das Mädchen Kinder haben könne, und es
wurde gesagt, dass dies fraglich sei."</p>
</blockquote>
oder mit absurden Halbwahrheiten abgespiesen:<br />
<blockquote>
<p>"Beide Eltern sind übrigens gut orientiert über die Situation. Sie wissen,
dass Daniela ein Mädchen ist, und dass es ein Mädchen bleiben wird. Sie wissen,
dass man die missgebildeten Ovarien entfernen musste, da sonst die Gefahr einer
Virilisierung bestanden hätte; (...)." (3.2.72)</p>
</blockquote>
Erstens hatte ich nie Eierstöcke und zweitens kann man mit Eierstöcken nicht
vermännlichen!<br />
Auch ich wurde permanent belogen und mit unsinnigen Aussagen 'ruhig
gestellt':<br />
<blockquote>
<p>"21.8.79 Daniela ist beunruhigt wegen ausbleibender Menses, ob dies nicht
schaden könne.<br />
Erklärt, dass Gebärmutter so klein sei, dass keine Menses zu erwarten seien. Es
schade nichts, wenn Frauen keine Menses hätten."</p>
</blockquote>
<strong>Genitalkorrektur statt Herzoperation</strong><br />
<br />
Ich wurde dann doch älter als vorgesehen. Ich war sieben Jahre alt, als die
Mediziner sich dazu entschlossen, die komplizierte Herzoperation durchzuführen,
obwohl die Prognose nicht sehr gut war:<br />
<blockquote>
<p>"Die Operation des Endokardkissendefektes ist an sich sehr schwierig und
zeigt eine hohe Operationsmortalität von rund 50 % bei der kompletten Form. In
diesem Fall besteht zusätzlich eine Hypoplasie der linken Seite mit
wahrscheinlicher Mitralstenose, was die Operationschancen noch weiter
verschlechtert. (...) Die Gesamtprognose zusammen mit dem
Pseudohermaphroditismus und dem schweren Vitium schauen wir als nicht sehr gut
an. Allerdings kann erfahrungsgemäss keine Dauer angegeben werden. Trotzdem
glauben wir nicht, dass das Mädchen das Erwachsenenalter erreichen wird."</p>
</blockquote>
Wegen Voruntersuchungen zur Herzoperation war ich im Februar 1972 im
Krankenhaus. Aufgrund einer Infektion konnten diese Voruntersuchungen jedoch
nicht durchgeführt werden. Und da ich schon mal dort war, wurde kurzerhand mein
Genital korrigiert, wie folgender Auszug aus meiner Krankenakte
dokumentiert:<br />
<blockquote>
<p>"Da die Kardiologen wegen eines interkurrenten Streptococceninfektes den
geplanten Herzkatheterismus hinausschieben mussten, haben wir die Gelegenheit
benutzt, die schon 1965 geplante Genitalkorrektur vorzunehmen."</p>
</blockquote>
Aus dem Bericht nach der Operation vom 10.2.1972:<br />
<blockquote>
<p>"Wichtig für den Wochenenddienstarzt: Falls die Eltern Auskunft über die
Kleine wünschen, ist es wichtig zu wissen, was den Eltern über das Mädchen von
der 'Med. Klinik ' gesagt wurde. Es steht in den vorangehenden Seiten unter
'Besprechung mit den Eltern'.<br />
Post. Op.: Kind zeigt die Zeichen des Schocks. Nachblut. Es wird PPL Lsg
infundiert. Zudem erbricht das Kind viel. Die starke Bronchitis, die sie seit
Tagen hat, lässt leicht nach.<br />
Starke Hämatome bds. der Clit()oris. Rechts bläulich-schwärzliche Verfärbung.
Beginn einer Nekrose?"</p>
</blockquote>
<blockquote>
<p>14.2.72. Die Hämatome bds. der Clit()oris sind fluktuierend. Ueber Nacht hat
die Kleine wieder nachgeblut()et, tiefer Quick?<br />
Das Kind hustet nach wie vor stark. Links basal sind einige trockene RG zu
hören. kein Fieber."</p>
</blockquote>
Schwester "Annemarie" war dann für die Wundversorgung und das „nachts beide
Hände anbinden“ zuständig.<br />
<br />
Neun Tage später ging es schon weiter:<br />
<blockquote>
<p>"Heute (19.2.72) wurde Daniela wieder in die Kindermedizin zurückverlegt in
der Hoffnung, dass im Laufe der nächsten Woche der Herzkatheterismus
durchgeführt werden kann. Wenn die Operationswunde wie bisher weiter
komplikationslos abheilt, dürfte für diesen Eingriff, bei dem Inguinal
eingegangen werden muss, nichts im Wege stehen."</p>
</blockquote>
Fazit: Zum zweiten Mal wurde ich trotz meines lebensbedrohenden Herzfehlers
aufgrund meines uneindeutigen Geschlechts operiert! Keine Rede von
Infektionsgefahr mehr! Die Mediziner stellten ihre Definitionsmacht über mein
Leben!<br />
<br />
<strong><a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/06/12/Beurteilt-zugewiesen-und-verwaltet%3A-ein-Leben-aus-der-Krankenakte-Teil-III">
Fortsetzung</a></strong><br />Lügen, Zwangseingriffe, Schweigegebote: ein Leben aus der Krankenakte (Teil I)urn:md5:11074fcaacfddfa255042197db687d272008-06-12T20:28:00+02:002009-05-12T01:21:53+02:00nellaIchEin Leben aus der Krankenakte <a href="http://zwischengeschlecht.org/"><img title="Menschenrechte auch für Zwitter!" style="margin: 0 1em 1em 0; float: left;" alt="Menschenrechte auch für Zwitter!" src="https://blog.zwischengeschlecht.info/public/K_ln_shirts_06_02_08-3.gif" /></a><strong>Von
Anfang an keine Chance</strong><br />
<br />
Ich bin 1965 mit einem schweren Herzfehler und uneindeutigem Genitale geboren.
Aufgrund des Herzfehlers wurde ich ein paar Tage nach meiner Geburt notgetauft,
da die Mediziner davon ausgingen, dass ich nicht lange überleben würde. Sie
behielten mich in der Folge im Krankenhaus, meine Eltern durften mich nicht
nach Hause nehmen. Mein Vater musste arbeiten, meine Mutter reiste so oft wie
möglich aus dem weit entfernten Bergdorf in die Stadt, durfte mich jedoch nur
durch eine Glasscheibe anschauen.<br />
<br />
Als meine Eltern mich nach drei Monaten endlich nach Hause nehmen durften, war
ich gezeichnet von den Folgen eines Hospitalismus(1). Ich hätte so schlimm
ausgesehen, dass sie sich geschämt habe, mit mir im Dorf spazieren zu gehen,
erzählte mir meine Mutter.<br />
<br />
Die Mediziner begründeten diese Maßnahme mit der Infektionsgefahr aufgrund des
Herzfehlers. Während diesen drei Monaten wurden gemäß Krankenakte auch
verschiedene Untersuchungen aufgrund meines uneindeutigen Genitales
durchgeführt, wobei festgestellt wurde, dass sich im Bauchraum Hoden befanden
und ich über einen männlichen Chromosomensatz verfüge.<br />
<br />
Der Befund meines äußeren Genitales:<br />
<blockquote>
<p>„Prima vista aussehend wie bei AGS. Der Penis ist 2 cm lang, das Scrotum
nicht ausgebildet, sondern in Form von zwei Labia majora vorhanden. Kein Sinus
urogenitalis, beim Perineum befindet sich die Mündung der Urethra. Diese ist
nicht stenosiert, sie weist dorsalseits eine reizlose Narbe auf."</p>
</blockquote>
Trotz meines lebensbedrohenden Herzfehlers wurde ich Anfang September 1965 im
Alter von 2 1/2 Monaten kastriert, was aus zwei Sichtweisen unverständlich ist:
Diese Operation barg einerseits aufgrund meines Herzfehlers ein großes Risiko.
Andererseits machte sie aufgrund der angenommenen geringen Lebenserwartung
keinen Sinn. Es liegt also nahe, dass die Ärzte in Kauf genommen haben, dass
ich an den Folgen der Narkose und des Eingriffs sterbe, dass ihnen das
'Experiment' wichtiger war.<br />
<br />
Die durchgeführte Kastration wurde ohne Einwilligung meiner Eltern vorgenommen
und sollte ihnen in der Folge verschwiegen werden. Die Ärzte entschieden sich
dann doch anders:<br />
<blockquote>
<p>"Entgegen dem früheren Entschluss, den Eltern nichts über die genitale
Situation zu sagen, kamen wir nach reiflicher Überlegung überein, den wahren
Sachverhalt trotzdem mit den Eltern zu besprechen, insbesondere da eine
gesteuerte Nachkontrolle über die nächsten 20 Jahre nicht gesichert ist.<br />
(...)<br />
2. Ihr Kind sei ein Mädchen und dieses Geschlecht sei ein für allemal
festgesetzt.<br />
3. Bei der Operation hatte sich folgender Befund gezeigt: es sei kein Uterus
vorhanden gewesen, die Keimdrüsen seien missgebildet gewesen und hätten
entfernt werden müssen. Die Vagina sei kurz.<br />
4. Während der Pubertät, d.h. mit etwa 10 – 11 Jahren, müsse das Kind unbedingt
strengestens überwacht werden, und es müsse zur rechten Zeit mit einer
hormonellen Behandlung eingesetzt werden.<br />
5. Nach der Pubertät müsse eine weitere korrektive Operation (gemeint
Vaginalplastik, die Details wurden selbstverständlich nicht mit den Eltern
besprochen) durchgeführt werden."<br />
(17. September 1965)</p>
</blockquote>
An anderer Stelle heißt es (und natürlich ist wie üblich von 'Eierstöcken' und
nicht von 'Hoden' die Rede):<br />
<blockquote>
<p>"Besprechung mit Eltern: Entgegen dem früheren Entschluss kamen wir überein,
dass man den Eltern doch sagen muss, dass das Kindlein kastriert werden musste
und in der Pubertät streng überwacht werden müsste, da die Nachkontrolle eben
nicht gesichert ist und die Mutter eine [...] ist und ev. zu einem späteren
Zeitpunkt nach [...] verschwinden kann."</p>
</blockquote>
Die Kastration wurde später als Fehler beurteilt:<br />
<blockquote>
<p>"7. Weiteres Procedere: Ich habe den Fall unmittelbar nach der Cystoskopie
nochmals mit Herrn Prof. (...) besprochen. Es liegt seiner Ansicht nach ein
männliches Geschlecht mit Hypospadie vor. Obwohl er selbst bei der früheren
Beurteilung und vor der Castratio anwesend war, glaubt er retrospektiv doch,
dass ein Fehler begangen wurde. Die Situation ist nun jedoch so, dass auf
diesem Wege fortgefahren werden muss und aus dem kleinen Patienten ein
Mädchen gemacht werden muss. Zur Frage der Vaginalplastik äussert er sich so,
dass diese sobald wie möglich durchgeführt werden sollte und nicht erst dann,
wenn sich das Kind darüber im Klaren wird.“</p>
</blockquote>
Fazit: Ich wurde im Alter von nur 2 1/2 Monaten trotz eines lebensbedrohenden
Herzfehlers ohne die Einwilligung meiner Eltern kastriert und die Kastration
stellte sich später als Fehler heraus!<br style="font-style: italic;" />
<h5 style="font-weight: normal;">(1) "Unter Hospitalismus (ursächlich auch
Deprivationssyndrom genannt) versteht man alle negativen körperlichen und
seelischen Begleitfolgen eines längeren Krankenhaus- oder Heimaufenthalts. Dies
beinhaltet auch mangelnde Umsorgung und lieblose Behandlung von Babys und
Kindern, in der Psychiatrie Symptome infolge von Heimaufenthalt, oder durch
Folter oder Isolationshaft. Der Ausdruck Deprivationssyndrom stammt vom Begriff
Deprivation, lateinisch deprivare - berauben in Bezug auf Reize und Zuwendung."
(http://de.wikipedia.org/wiki/Hospitalismus)<br />
Vgl. auch Deprivationssyndrom: "Als Deprivation (auch Deprivationssyndrom,
anaklitische Depression) bezeichnet man in der Pädiatrie (Kinderheilkunde) die
mangelnde Umsorgung und fehlende Nestwärme bzw. Vernachlässigung von Babys und
Kleinkindern. Hospitalismus tritt häufig in Krankenhäusern, Säuglingsstationen
und Heimen auf. Dauert die Deprivation länger an, kommt es zu psychischem
Hospitalismus und zur Unfähigkeit, soziale Kontakte aufzubauen, dem Autismus
ähnelndem Verhalten oder zu Sprachstörungen. "
(http://de.wikipedia.org/wiki/Deprivation)<br /></h5>
<h4 style="font-weight: normal;"><a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/06/12/Beurteilt-zugewiesen-und-verwaltet%3A-ein-Leben-aus-der-Krankenakte-Teil-II">
Fortsetzung ...</a></h4>Ein Mädchen machen IIurn:md5:bfe0f0d0ee912301cf87d9064adc559c2007-11-15T22:05:00+01:002010-03-21T13:32:39+01:00nellaDie MedizinerEin Leben aus der Krankenakte <p><a href="http://zwischengeschlecht.org/"><img title="Menschenrechte auch für Zwitter!" style="margin: 0 1em 1em 0; float: left;" alt="Menschenrechte auch für Zwitter!" src="https://blog.zwischengeschlecht.info/public/K_ln_shirts_06_02_08-3.gif" /></a><a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2007/10/05/Ein-Madchen-machen-I">-->
Teil I</a></p>
<p>Auszug aus meiner Krankenakte:</p>
<p><br />
„Befunde:<br />
Die hypertrophische Klitoris steht über eine Länge von 2-3cm penisartig vor.
Zustand nach operativer Eröffnung des Sinus urogenitalis, es findet sich in der
Mittellinie eine Narbe (partieller Verschluss des Sinus urogenitalis nach der
1. Operation), es bleibt noch eine Restöffnung von knapp einem cm Länge. Ein
Ballonkatheter Charr.10 kann mühelos durch die Urethra in die Blase eingeführt
werde, eine Vagina lässt sich nicht sondieren.<br />
<br />
Vorgehen:<br />
<br />
1. (...)<br />
<br />
2. Klitorisrückversetzung nach Pellerin: Hochziehen der Klitoris an einem
Halterfaden und Y-förmige Incision an der Unterfläche derselben bis zum Sinus.
Nach zirkulärer Durchtrennung der Vorhaut dorsal-und lateralseits, wobei ein
wenige mm breiter Saum an der Glans verbleibt, kann die zu einem Hautlappen
ausgebreitete Vorhaut von den Schwellkörpern der Klitoris freipräpariert
werden. Nun wird ventralseits die Chorda excidiert und die nach beiden Seiten
abgehenden Crura clitoridis über eine Strecke von 1cm dargestellt. Schliesslich
Trennung der Corpora cavernosa der Klitoris in der Mittellinie (keine
wesentliche Blutung) und Adaptatation durch 2 kräftige Nylon-EKN der
Glansrückfläche an die Aufzweigungsstelle der Crura clitoridis. Dadurch wird
die Glans clitoridis um 2-3cm rückversetzt und die beiden Corpora cavernosa
schlingenförmig zur Seite verlagert. Adaption dieser beiden Schlingen unter
sich und mit den Crura clitoridis mit Nylon-EKN. Nach Kürzung der zu lange
gewordenen Vorhaut werden die Wundränder wiederum mit Chromcatgut-EKN
adaptiert. Einlegen einer Vioform-Mèche in den Sinus und auf die rückversetzte
Klitoris.<br />
<br />
10. Februar 1972<br />
Ka/wä<br />
<br />
(...)“<br />
<br />
"P(o)stoperativ musste der Patientin wegen eines leichten Schocks PPL
verabreicht werden. Beidseits der Clitoris sind starke Hämatome aufgetreten,
(...). Das Kind war immer afebril. Der Husten hielt fast unvermindert an,
(...)."</p>
<p>(Schwester "Annemarie" war dann für die Wundversorgung und das „nachts beide
Hände anbinden“ zuständig.)</p>
Und zack zack geht's weiter am Fliessband ...<br />
<br />
"Heute (19.2.72) wurde Daniela wieder in die Kindermedizin zurückverlegt in der
Hoffnung, dass im laufe der nächsten Woche der Herzkatheterismus durchgeführt
werden kann. Wenn die Operationswunde wie bisher weiter komplikationslos
abheilt, dürfte für diesen Eingriff, bei dem Inguinal eingegangen werden muss,
nichts im Wege stehen."<br />
<br />Ein Mädchen machen Iurn:md5:becd34b2f04c26c717859edc6e436e142007-10-05T09:29:00+02:002010-03-21T13:31:31+01:00nellaDie MedizinerEin Leben aus der Krankenakte <p><a href="http://zwischengeschlecht.org/"><img title="Menschenrechte auch für Zwitter!" style="margin: 0 1em 1em 0; float: left;" alt="Menschenrechte auch für Zwitter!" src="https://blog.zwischengeschlecht.info/public/K_ln_shirts_06_02_08-3.gif" /></a>„1.
Aeusseres Genitale: Prima vista aussehend wie bei AGS. Der Penis ist 2 cm lang,
das Scrotum nicht ausgebildet, sondern in Form von zwei Labia majora vorhanden.
Kein Sinus urogenitalis, beim Perineum befindet sich die Mündung der Urethra.
Diese ist nicht stenosiert, sie weist dorsalseits eine reizlose Narbe
auf.<br />
(...)<br />
7. Weiteres Procedere: Ich habe den Fall unmittelbar nach der Cystoskopie
nochmals mit Herrn Prof. B[...] besprochen. Es liegt seiner Ansicht nach ein
männliches Geschlecht mit Hypospadie vor. Obwohl er selbst bei der früheren
Beurteilung und vor der Castratio anwesend war, glaubt er retrospektiv doch,
dass ein Fehler begangen wurde. Die Situation ist nun jedoch so, dass auf
diesem Wege fortgefahren werden muss und aus dem kleinen Patienten ein Mädchen
gemacht werden muss. Zur Frage der Vaginalplastik äussert er sich so, dass
diese sobald wie möglich durchgeführt werden sollte und nicht erst dann, wenn
sich das Kind darüber im Klaren wird.“<br />
<br />
(Auszug aus meiner Krankenakte)</p>
<p>So etwas verfolgt einen ein Leben lang und es geht dabei nicht um die Frage,
ob ich mich nun eher weiblich oder eher männlich fühle, ob ich persönlich mich
nun für weiblich oder männlich entschieden hätte, sondern darum, dass über mich
entschieden wurde, dass ich dort, vor langer Zeit, in einem Raum, zu dem meine
Eltern keinen Zugang hatten, auf einem Tisch lag und fremde Menschen um mich
herum standen, über meine kleinen Körper entschieden, mich aufgeschnitten und
mir etwas genommen haben. Für immer. So etwas verfolgt einen ein Leben
lang.</p>
<a href="https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2007/11/15/Ein-Madchen-machen-II">Teil II</a><br />