Sportprofessor: Athletikverbänden geht es ums Image, nicht um Fairness; Caster Semenyas Rechte werden unter den Teppich gekehrt (XVI)

>>> Nachtrag

IOC IAAF: Intersex - Guilty by SuspicionTimothy "Tim" Noakes von der Universität Kapstadt (Südafrika), Mitbegründer des Sports Science Institute of South Africa und der Olympic Science Academy des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), redet Klartext und erregt damit weltweites Aufsehen.

Auftakt war ein Interview mit Tim Noakes in der südafrikanischen Sunday Times vom 15.5.10 (englisch), publiziert unter dem Titel "Caster 'ein Opfer von Image Management'". Darin führte er aus, seiner Meinung nach würden intersexuelle Athletinnen von Verbänden wie dem Internationalen Athletikverband IAAF und dem Olympischen Komitee IOC von Wettkämpfen ausgeschlossen, um das Image des Sports zu schützen, und nicht wegen bewiesener unfairer Vorteile der intersexuellen Athletinnen:

"Insgesamt 8 intersexuelle Frauen wurden bisher von Wettkämpfen ausgeschlossen – soviel ich weiss mit der Warnung, dass sie öffentlich blossgestellt würden, sollten sie es wagen, einen Wirbel daraus zu machen. Es sieht deshalb danach aus, dass es nicht um athletische Vorteile geht, sondern darum, die Olympischen Spiele [von intersexuellen Athletinnen,] von unerwünschten Verwicklungen freizuhalten. Das sendet die Botschaft aus, dass Frauen tun müssen, was Männer sagen, und wenn dabei acht Athletinnen geopfert werden müssen, so sei es, was ich beunruhigend finde."

"Meiner Ansicht nach sollte Caster Semenya rennen dürfen. Sie rennt nicht so schnell wie die Männer, und noch nicht einmal so schnell wie andere Frauen. Wenn sie jedoch 1:41 rennen würde [der Rekord für Männer], dann hätten wir ein Problem."

Tim Noakes kritisierte auch die Mokgadi Caster Semenya und anderen "verdächtigten Athletinnen" aufgezwungenen, willkürlichen Geschlechtstests:

"Es gibt keinen einzigen Test, der zeigen kann, ob jemand mehr männlich oder weiblich ist. Für mich ist es falsch, solchen Athletinnen Hormonbehandlungen aufzuzwingen [wie dies anscheinend bei Caster Semenya der Fall sein soll]. Ich glaube nicht, dass die acht früheren Athletinnen respektvoll behandelt wurden, und ich glaube, die südafrikanischen Sportchefs taten gut daran, dem IAAF gegenüber nicht klein beizugeben."

Weiter argumentierte Tim Noakes, im Sport seien manche genetische Besonderheiten gängig, und führte das Beispiel von Usain Bolt an, der zusammen mit Michael Phelps auch von anderen ExpertInnen oft als Beispiel für Sportler mit genetischen Besonderheiten angeführt wird.

Gestern 19.5.10 wurde diese Meldung u.a. auch vom der englischen Zeitung "Telegraph" sowie von der kanadischen "National Post" aufgegriffen. Dabei verschäfte Tim Noakes seine Kritik, indem er beifügte, Caster Semenyas Rechte würden "unter den Teppich gekehrt".

Gleichzeitig erschienen am 19.5.10 englischsprachige Meldungen, wonach die die englische Sprinterin Jenny Meadows sich mit Caster Semenya solidarisierte und nicht zum ersten Mal das ungebührlich lange Lavieren des IAAF kritisierte. Meadows gab weiter zu Protokoll, dass sie gegen Caster Semenya antreten würde, jedoch wisse sie von einigen anderen Weltklasse-Läuferinnen, dass diese bei einer Rückkehr von Caster Semenya planen, Wettkämpfe zu boykottieren (u.a. London Times, Times Südafrika, SkySports, UKPA-Agenturmeldung).

Heute 20.5.10 fanden die Zitate von Tim Noakes vereinzelt auch ihren Weg in deutschsprachige Pressemeldungen, etwa bei diePresse.com und bei dieStandard.at.

Gleichzeitig gab der südafrikanische Sportminister bekannt, die Entscheidung für Caster Semenyas Rückkehr werde innerhalb der nächsten 3 Wochen fallen, was aktuell auch als deutschsprachige SID-Agenturmeldung verbreitet wird.

Nachtrag: Der südafrikanische Läufer Oscar Pistirius solidarisierte sich in einem Interview auf Scotsman.com (englisch) ebenfalls mit Caster Semenya: "Das Schlimmste ist vorbei für sie, sie hat einen starken Charakter und ich bin sicher, sie wird es überstehen. [...] Es tut mir Leid für sie, wei dies alles gelaufen ist."

>>> Bitte unterschreibt die Petition an das IOC!

>>> Zwitter im Sport: IOC und IAAF leugnen Verantwortung

>>> IOC/IAAF/FIFA: "Zwitter brauchen OPs und Hormonbehandlungen"

>>> Pressemitteilung Zwischengeschlecht.org von 22.01.2010

Siehe auch:
- Gerechtigkeit für Santhi Soundarajan!   
- Caster Semenya verzichtet vorläufig auf Klage (XIII)
- "Caster Semenya wird als Zwitter verheizt" (IV) 
- Diskriminierung von Zwittern im Sport weltweit
- Protest gegen Diskriminierung von Zwittern im Sport, IOC 19.11.09