Pränatale Hormonbomben gegen "lesbische oder zu selbstbewusste Mädchen" (US-Kampagne gegen pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen UPDATES 2)

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Kann ein Zwitter Sünde sein?Es tut sich was in der wegweisenden US-Kampagne gegen pränatale Dexamethason-Hormonzwangstherapien:

Am 18.6.10 berichtete mit dem >>> Time Magazine (englisch) erstmal ein Mainstreammedium kritisch über Dr. Maria I. News unkontrollierte Menschenversuche mit pränatalem Dexamethason. Im Artikel kommt unter anderen eine betroffene Mutter zu Wort, die von Dr. Maria I. New nach bekanntem Muster NICHT darüber aufgeklärt wurde, dass es sich um eine umstrittene Off-Label-Anwendung handelt. Sowie namhafte Mediziner, Psychologen und Bioethiker, die u.a. bestätigen, dass weder Maria I. New noch ihre KollegInnen weltweit wirklich wissen, was sie genau (an-)tun, und dass es bei den pränatalen Behandlungen (wie auch bei den kosmetischen Genitaloperationen an Kleinkindern) nicht darum geht, dem Kind zu helfen, sondern die Eltern vor "psychologischem Stress" zu bewahren.

Der Time-Artikel hält weiter fest, dass die Dexamethason-Zwangsbehandlungen entgegen aktuellen Leitlinien grösstenteils völlig unkontrolliert und ohne zentrale Auswertung erfolgen (wie bekanntlich z.B. auch in Deutschland). Sowie nicht zuletzt, dass die Menschenversuche nie, wie in Amerika eigentlich vorgeschrieben, von einem Ethikkomitee (Institutional Review Board IRB) genehmigt wurden (auch im Rest der Welt werden sie hauptsächlich als unkontrollierte Feldversuche durchgeführt – und obwohl in Deutschland der Endokrinologenverband APE ebenfalls zentrale Erfassung und Kontrolle der Anwendungen befürwortet, gibt es keinerlei Konsequenzen für frei experimentierende Medizyner, was die APE zwar kritisiert, aber trotzdem keine konkreten Schritte dagegen unternimmt).

Kurz darauf liess der US-Endokrinologenverband "Endocrine Society" in seiner Zeitschrift >>> "ENDO Daily" durchsickern, in einem am 21.6.10 vorgestellten Entwurf für die künftige Leitlinie werde ausdrücklich festgehalten, dass Dexamethason eine "experimentelle Prozedur" darstelle und nur noch im Rahmen IRB-kontrollierter Studien zulässig sei. Die Kehrseite: Als "sichere" Alternative propagiert (wie ebenfalls deutsche "Netzwerk Intesexualität"/"Euro-DSD"-Medizyner) auch die neue Leitlinie chirurgische Genitalverstümmelungen an Säuglingen: "Die Leitlinie [...] empfiehlt frühe, einstufige chirurgische Reparatur für schwer vermännlichte Mädchen."  Auch hier in beklemmender Übereinstimmung mit der aktuellen Deutschen Leitlinie ...

Als nächstes legten die Iniatiatorinnen der Kampagne, Ellen K. Feder und Alice Dreger, zusammen mit Anne Tamar-Mattis, Präsidentin der Zwitter-Lobbyorganisation "Advocates for Informed Choice (AIC)", in einem am 29.6.10 auf dem >>> "Bioethics Forum" des Hastings Center veröffentlichten Artikel noch einen drauf:

Wohl unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit dem Outing des US-Seriengenitalverstümmlers Prof. Dr. Dix P. Poppas gemachten Erfahrungen, dass die öffentliche Meinung viel stärker auf Meldungen reagiert, in denen es vordergründig um illegitime Eingriffe an "Mädchen" geht und erst in zweiter Linie um Menschenrechtsverletzungen an Zwittern, stellt der Beitrag die (nicht nur) von Maria I. New und Prof. Dr. Heino Meyer-Bahlburg verschiedentlich in Publikationen propagierten "Vorteile" ins Zentrum, wonach die pränatalen Zwangsbehandlungen verhindern sollen, dass die betreffenden "Mädchen" später lesbisch werden oder durch allzu selbstbewusstes Verhalten "auffallen", oder gar noch durch eine "entsprechende" Berufswahl – sondern stattdessen hoffentlich verstärkt heiraten und in der traditionellen Mutterrolle aufgehen würden ... Alice Dreger vertiefte diese Kritik in einem gleichentags veröffentlichten >>> Folgepost auf Psychology Today.

Zwar kam es nicht zu einem vergleichbaren öffentlichen Entrüstungssturm wie bei Dr. Poppas' Vibrator-Experimenten an genital zwangsoperierten "Mädchen", doch die öffentliche Beachtung der Kampagne verstärkte sich trotzdem deutlich: Mehrere prominente Blogs griffen den Hastings-Artikel sowie Dregers Post auf Psychology Today auf, u.a. >>> Huffington Post und >>> Slog, gefolgt von >>> Nature, >>> The Village Voice, >>> Los Angeles Times, >>> Jezebel, >>> ScienceBlogs und einem offiziellen und ebenfalls sehr positiv zu bewertendem >>> Artikel von Newsweek, deren Wissenschaftautorin auch Maria I. New und ihre Arbeitgeberin Mount Sinai Hospital um eine Stellungsnahme bat, jedoch beide Male vertröstet wurde ...

In Deutschland, Österreich und in der Schweiz ist die Situation betreffend unkontrollierte Dexamethason-Zwangsbehandlungen wie auf diesem Blog berichtet durchaus vergleichbar – inkl. einer "AGS-Eltern- und Patienteninitiative e.V.", welche entsprechend dem Vorbild der US-"Cares Foundation" ebenfalls mit den ZwangsbehandlerInnen eng zusammenarbeitet und mit diesen zusammen die experimentellen Zwangsbehandlungen wiederholt als "erprobt und sicher" vermarktet.

Bisher sahen ausserhalb der USA jedoch weder EthikerInnen, noch Medien oder PolitikerInnen irgendwelchen Handlungsbedarf, weshalb die Zwangsbehandlungen dort überall unwidersprochen weiterpraktiziert werden ... Wie lange noch?!

Fortsetzung folgt ...

Siehe auch:
- USA: Weg weisende Kampagne gegen pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen "auf Verdacht hin"
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- USA: Seriengenitalverstümmler Prof. Dr. Dix Phillip Poppas von Ethikerinnen geoutet
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken