"Das x-te Geschlecht" - Jungle World, 27.10.11

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Zufällig ein Tag nach dem 8. Intersex Awareness Day erschienener, mitunter wohl eher >>> unfreiwillig erhellender Artikel von Ulrike Klöppel (u.a. TGNB/TrIQ/IVIM – diese Mitgliedschaften werden allerdings in der Jungle World nirgends offengelegt).

Schon der (in der Regel allerdings von der Redaktion bestimmte) Titel setzt den Trend: Während aufrechte Zwitter sich seit langem selbstbewusst als "Das dritte Geschlecht" bezeichnen (vgl. z.B. der von Nella verfasste Kasten oben rechts auf diesem Blog) und dieses aktiv für sich einfordern, reicht's in der Jungle World grad mal noch zum x-beliebigen "x-te[n] Geschlecht" (in der Praxis hörte ich schon, wie dies Zwittern von "LGBT-Experten" dann folgendermassen ausgedeutscht wurde: für sie reiche es eh frühestens zum 4. Geschlecht, das 3. sein nämlich schon fest für Transgender reserviert).

Der Frage, wessen Anliegen der Artikel letztlich transportiert, klärt der (in der Regel ebenfalls von der Redaktion bestimmte) Untertitel: Lautet dieser vorne im Inhaltsverzeichnis noch vollmundig "Zur Debatte um Intersexualität", mutiert der Untertitel im Artikel selbst enthüllenderweise zu: "Ist die Geschlechtsregistrierung überholt?". Zwitter als Mittel zum Zweck für Transgender-Anliegen – soweit so bekannt.

"Schätzungsweise 10.000" "Intersexuelle" lebten in Deutschland, beginnt dann der eigentliche Artikel von Ulrike Klöppel – dass Medizyner dagegen 10 mal mehr Kinder als verstümmelungswürdig betrachten (und "behandeln"!) bleibt dabei schlicht unerwähnt.

Weiter unten heisst es, wiederum ohne Quellenangabe: "Inzwischen raten allerdings auch Fachleute bei Operationen zur Zurückhaltung." Aktuelle ASMW-Verstümmler-Leitlinien konstatieren demgegenüber unverändert: "In der Regel wird die Operation in Deutschland im ersten Lebensjahr durchgeführt."

Immerhin wird noch Daniela "Nella" Truffer (bezeichnenderweise ausdrücklich als Nicht-Deutsche eingeführt) aus ihrem Ethikrat-Statement kurz zitiert zu Klagen Überlebender über die "verheerenden Folgen dieser Praktiken", und Lucie Veith (Intersexuelle Menschen e.V.) darf auf im lesensweren Anhang des CAT-Schattenberichts aufgeführte, aktuelle Beispiele von medizinisch nicht notwendigen, "irreversible[n] kosmetische[n] Genitaloperationen und Hodenentfernungen an Kleinkindern" hinweisen.

Der Rest (und "zufälligerweise" grösste Teil) des Artikels dreht sich dann wenig überraschend praktisch ausschliesslich um Personenstandsfragen bzw. um die obligate (Trans-)Gender-Forderung nach Abschaffung des Personenstandseintrags, die Ins A. Kromminga (IVIM-OII Germany/TrIQ) abschliessend als optimales Mittel zur Verhinderung von Verstümmelungen anpreist: "Damit würde der medizinischen Begründung ›geschlechtsanpassender‹ Eingriffe die Basis entzogen."

Dass demgegenüber die meisten kosmetischen Genitalverstümmelungen ohne solche "›Geschlechtsanpassungs‹-Gründe" vorgenommen werden, verschweigt der Artikel ebenso wie den Umstand, dass dieses angeblich optimale Mittel, sofern es tatsächlich die behauptete Wirkung zeitigte, wohl definitiv das langsamste wäre – während gleichzeitig JEDEN TAG weitere Kinder verstümmelt werden.

Aber wen von den persönlich nicht von Genital- und Lustorganverstümmelung nicht Betroffenen in diesem Artikel oder bei Jungle World scheint sowas überhaupt zu interessieren?

Ganz im Gegensatz zu Personenstandsabschaffungs-, (Geschlechts-)Identitäts-, (Hetero-)Normativitäts-, (Trans-)Gender- und sonstigen Bauchnabeldebatten offensichtlich ...