Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) zur Bundestagsdebatte über ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen

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Intersex-Genitalverstümmelungen stoppen! - Aktion DGE 7.3.2012Als Reaktion auf die Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org im Vorfeld der Bundestagsdebatte über ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen publizierte die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) einen
>>> Blogpost "Deutscher Bundestag debattiert als weltweit erstes Parlament über Verbot von Genitaloperationen bei Intersexualität".

Dieser Post bringt nicht nur unsere Pressemitteilung "allen seinen Mitgliedern und Interessierten zur Kenntnis", sondern nimmt darüber hinaus Bezug auf unseren letztjährigen Protest zur "DGE 2012" in Mannheim und den dabei überreichten Offenen Brief (PDF) sowie auf eine daraus resultierende öffentliche Auseinandersetzung der DGE mit der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates. Danke!

Weiter wird darin festgehalten: "Der Beratung dieses äußert schwierigen, komplexen Themas durch die deutschen Volksvertreter sieht auch die deutsche Ärzteschaft mit größtem Interesse entgegen."

Aus der seinerzeitigen Auseinandersetzung mit der Ethikrat-Stellungnahme zitiert der Post folgendes:

Medizinische Behandlung bei Intersexualität

Beratung nur in interdisziplinären Kompetenzzentren
Regelmäßige Betreuung in unabhängigen Betreuungsstellen
Irreversible Maßnahmen sind Eingriffe in das Recht körperlicher Unversehrtheit:
- Höchstpersönliche Entscheidung daher grundsätzlich nur von entscheidungsfähigen Betroffenen
- Sonst nur nach unabweisbaren Gründen für das Kindeswohl, z.B. konkrete schwerwiegende Gefahr (erhöhtes Tumorrisiko)
Entscheidung für die Unterlassung von Eingriffen: Gleich hohe Anforderungen
Familiengericht einschalten bei widersprüchlichen Auffassungen

Pikantes Detail: In der DGE-Folien-Präsentation zur Ethikrat-Stellungnahme (PDF), auf die sich sowohl der aktuelle Post wie auch der vorherige im Anschluss an die DGE-Proteste letztlich beziehen, steht zuunterst nach einem Trennstrich weiter folgendes:

AGS-Betroffene: Geschlechtsangleichende Operationen nach Kindeswohl.
Bei Zweifel Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen abwarten.

Sprich, die Interpretation der Ethikratstellungnahme als Lizenz zum "gendergerechten" ungehemmten Weiterverstümmeln in den allermeisten Fällen, wie sie u.a. von Ethikrat-Intersex-Sprecher Dr. Michael Wunder stets öffentlich propagiert wird, und auch von Intersex-Genitalverstümmlerinnen wiederholt dankbar aufgegriffen wurde, z.B. von Prof. Dr. Dagmar L'Allemand-Jander oder Prof. Dr. Wieland Kiess.

Und zwar, obwohl eine solche auf die "Geschlechtsidentität" und sonstige "geschlechtertheoretische" Thesen fixierte Betrachtungsweise bekanntlich sämtlichen Gund- und Menschenrechten spottet, worauf Zwischengeschlecht.org und andere Betroffenenorganisationen seit langem hinweisen. Und was neulich in einer Anhörung vor dem Bundestags-Familienausschuss auch >>> Prof. Dr. Beate Rudolf (Deutsches Institut für Menschenrechte) erneut unmissverständlich klarstellte:

"Die internationalen Gremien arbeiteten nicht mit der Unterscheidung zwischen geschlechtszuweisenden und geschlechtsangleichenden Operationen. Sie stellten auf die Auswirkungen für die betroffene Person, nämlich auf die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, ab."

Und auch die (im Gegensatz zu derjenigen des Deutschen Ethikrates) von Betroffenenorganisationen weltweit ausdrücklich begrüsste und unterstützte (und auch in den aktuellen Bundestag-Anträgen angeführte) >>> Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission (NEK-CNE) stellte bekanntlich allein darauf ab, ob ein Eingriff auch wirklich medizinisch notwendig ist und damit zulässig – oder eben (wie in den allerallermeisten Fällen, was auch die Medizyner selbst oft genug einräumen) stattdessen psychosozial resp. kulturell indiziert und damit ein klarer Verstoss gegen die Menschenrechte der Betroffenen.

Meine 2 Cent: Bleibt zu hoffen, dass die taktische Zitat-Auswahl der DGE im diesjährigen Blogpost darauf schliessen lässt, dass zumindest unter den fortschrittlicheren Standesverbänden langsam ein Umdenken in die Gänge kommt.

Obwohl der Zeitpunkt dieser neuen Auswahl einmal mehr ein deutlicher Hinweis ist, dass die kosmetischen "Genitalkorrekturen" letztlich erst aufhören werden, wenn ein konkretes Verbot durchgesetzt ist – oder zumindest die Aussicht auf ein solches unübersehbar vor der Türe steht. Es ist noch ein weiter Weg ...

(Bild: Intersex-Protest + Offener Brief vor der DGE 2012 in Mannheim, 7.3.2012)

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