Hamburg 9.7.: Intersex-Tagung der Justizbehörde – Genitalverstümmelungen kein Thema ...

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Friedliche Proteste + Offener Brief gegen IGM-Kongess "DGE 2011", Hamburg 01.04.2011

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 08.07.2014:

Die Diskrepanz könnte größer kaum sein: Während immer mehr internationale Menschenrechtsgremien Intersex-Genitalverstümmelungen verurteilen (und Deutschland dafür rügen), hält der Hamburger Senat kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit "atypischer" Geschlechtsanatomie für angeblich "nicht rechtswidrig" – und an der morgigen Fachtagung der Justizbehörde u.a. zu Intersex stehen die in Hamburg laut Senat 2-3 mal wöchentlich praktizierten Genital-OPs gar nicht erst auf der Traktandenliste. Betroffene und ihre Organisationen wollen sich das nicht länger bieten lassen!

UN-Ausschüsse und Europarat kritisieren Untätigkeit gegen IGM

In den letzten 5 Jahren verurteilten u.a. der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (A/HRC/19/41), der UN-Ausschuss gegen Folter (CAT/C/DEU/CO/5), der UN-Frauenrechtsausschuss (CEDAW/C/DEU/CO/6), der UN-Sonderberichterstatter über Folter (A/HRC/22/53), die UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO Interagency Statement on Involuntary Sterilisation) und der Europarat (Resolution 1952/2013) unmissverständlich und umfassend "medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen und erzwungene Sterilisierungen an Kindern mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen".

Aktuell fordert der UN-Behindertenrechtsausschuss (CRPD/C/DEU/Q/1) von Deutschland Daten und Statistiken über "irreversible chirurgische Eingriffe [...] an Intersex-Kindern" sowie "Zwangssterilisierungen" – und will unmissverständlich wissen: "Beabsichtigt der Vertragsstaat, diese Praxis zu beenden?" 

In Hamburg 2–3 kosmetische Genitaloperationen an Kindern PRO WOCHE

Die Hamburgische Bürgerschaft und der Senat wurden schon 2009 eindringlich auf das Unrecht der Intersex-Genitalverstümmelungen aufmerksam gemacht durch 3 Kleine und 2 Große Schriftliche Anfragen, sowie durch Betroffene und medizinischen und juristischen Sachverständige anlässlich der Anhörung Nr. 19/10 des Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz vom 29.04.2010. Am 16.09.2009 erteilte die Bürgerschaft dem Senat einstimmig den Auftrag, "Gesellschaftliches Bewusstsein [zu] schaffen sowie Betroffene und deren Familien stärken" (Ds. 19/4095). Und der Rest war Schweigen ...

2013 musste der Senat aufgrund einer erneuten Schriftlichen Kleinen Anfrage (Ds. 20/8650) Auskunft geben, in welchen Hamburger Kinderkliniken wie viele kosmetische Genitaloperationen durchgeführt werden, und was der Senat zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Betroffenen zu unternehmen beabsichtigt sowie zur Aufarbeitung der menschenrechtswidrigen Behandlungen. Die erschreckenden Ergebnisse: In nicht weniger als 5 Hamburger Kinderkliniken werden wöchentlich 2-3 kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit Varianten der Geschlechtsanatomie durchgeführt – laut Senat haben diese Kinder aber kein Recht auf körperliche Unversehrtheit, bzw. "Die zuständige Behörde geht davon aus, dass keine rechtswidrigen Eingriffe vorgenommen werden."  Auch Anstrengungen zu historischer Aufarbeitung der in Hamburg bis in die 1980er-Jahre besonders vehement propagierten kosmetischen Klitorisamputationen oder zu Hamburgs Rolle als 2.wichtigstes Zentrum zur Durchsetzung der systematischen "Intersex-Operationen" in Europa gebe es "nach Auskunft der Hamburger Universität keine".

Gleichzeitig weigert sich das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) seit Jahren standhaft, Betroffenen ihre medizinischen Akten zugänglich zu machen – und werden diesbezügliche juristische Begehren ebenso auf die lange Bank geschoben wie Anträge auf Opfer-Entschädigung (OEG).

Betroffene machen mobil!

Auf Mittwoch, den 9. Juli 2014 von 10:00–17:30h lädt die Hamburger Behörde für Justiz und Gleichstellung zu einer Fachtagung im Zentrum für Aus- und Fortbildung der Stadt Hamburg (ZAF) , in der zwar "Intersexualität" auf dem Programm steht – jedoch ausdrücklich nicht das laut allen Betroffenenorganisationen dringlichste Problem der andauernden Genitalverstümmelungen.

Die internationale Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org wie auch der Bundesverband Intersexuelle Menschen e.V. haben Mitglieder, die in Hamburger Kinderkliniken uneingewilligt irreversibel genitalverstümmelt wurden. Unter Betroffenen gehen die Emotionen hoch, seit bekannt wurde, dass kosmetische Genitaloperationen an der Fachtagung kein Thema seien, weil es laut Senatsverwaltung in Hamburg angeblich "keine sichtbaren intersexuellen Menschen [gebe], die medizinische Interventionen und medizinische Eingriffe ohne ihre informierte Einwilligung erlitten haben."

Zwischengeschlecht.org wird zur Tagung eine Dokumentation zu Intersex-Genitalverstümmelungen in Hamburg publizieren und in der Diskussion auf das andauernde Unrecht in Hamburger Kinderkliniken und Senat hinweisen. Und ruft mit Intersexuelle Menschen e.V. dazu auf, sich an der Fachtagung und bei der Gleichstellungsbehörde kritisch zu Wort zu melden.

Die internationale Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

Daniela "Nella" Truffer, Markus Bauer
Gründungsmitglieder Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0)76 398 06 50, +41 (0)78 829 12 60
presse_at_zwischengeschlecht.info

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>>> Flugblatt zur Intersex-Fachtagung vom 09.07.2014

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Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy

2014 NGO Report to the UN Committee on the Rights of the Child (CRC)
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