Nach (gerichtlichen) Beschwerden und Intersex-Schattenbericht: Barmer GEK zahlt für "Florinef"

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Menschenrechte auch für Zwitter! Zwischengeschlecht.org on FacebookFür Intersex-Menschen mit AGS/CAH mit Salzverlust, wie auch für Menschen mit Morbus Addison, ist die tägliche Einnahme eines Fludrocortison-Präparates lebenswichtig. Umso größer war die Bestürzung, als Merck Serono, die Herstellerin des einzigen in Deutschland zugelassenen Präparates "Astonin H", Ende 2014 bekannt gab, die Produktion "auf unbestimmte Zeit" einzustellen, angeblich wegen eines "Lieferengpasses". Betroffenen wurde empfohlen, auf unsichere Privat-Importe des nicht-zugelassenen Fludrocortisonacetat-Präparates "Florinef" auszuweichen, das ständig gekühlt gelagert werden muss, und dessen Kostenübernahme von der Kulanz der Kranken abhängt (dieser Blog berichtete).

Nach mehreren Beschwerden u.a. von Etekar (u.a. beim Sozialgericht Hamburg) und Kritik im Schattenbericht von Zwischengeschlecht.org an den UN-Behindertenrechtsausschuss CRPD hat sich nun die Barmer GEK als erste Krankenkasse zur raschen Kostenübernahme öffentlich bereiterklärt:

Die BARMER GEK übernimmt während der Zeit des Lieferengpasses die Kosten für das Ausweichpräparat Florinef (enthält den Wirkstoff Fludrocortisonacetat).

Für Betroffene kann der Arzt/ die Ärztin Florinef auf einem rosa Kassenrezept verordnen. Die Apotheke wird dann in der Regel einen Antrag auf Kostenübernahme bei der BARMER GEK stellen, da das Arzneimittel aus dem Ausland importiert werden muss. Die BARMER GEK wird diese Anträge umgehend bewilligen. Anschließend kann die Apotheke Florinef aus dem Ausland bestellen.

Meine 2 Cent: Das ist für betroffene Menschen erstmal eine gute Nachricht.Bleibt zu hoffen, dass alle Krankenkassen sich dem anschießen!

Trotzdem bleiben im unwürdigen Gerangel auf Kosten der Betroffenen noch mehrere Fragen offen: Wie konnte es geschehen, dass Merck Serono offenbar aus letztlich finanziellen Gründen mit einem für Betroffene lebenswichtigen Medikament (das auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimitel steht!) derart verantwortungslos umgehen kann, noch dazu offenbar mit der Billigung der verantwortlichen Behörden? Was wird nun unternommen, um Betroffenen solches in Zukunft zu ersparen? (Dreimal dürft ihr raten ...)

Auch betreffend dem (mangelhaften) Ersatzmittel "Florinef" bleiben die bekannten Probleme, namentlich der notwendigen Kühlung und des nicht-geprüften, offenbar minderwertigen Wirkstoffes. Noch dazu sind Importe laut §73 Abs. 3 AMG lediglich "in geringer Menge" erlaubt, und sämtlicher Schutz Betroffener durch das Arzneimittelgesetz (AMG) entfällt, da dieses bei Privat-Importen nicht-zugelassener Produkte ausgehebelt wird.

Und dies alles, während MedizynerInnen und PolitkerInnen sich laufend öffentlich brüsten, wie sie angeblich alles zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen tun (oder eben nicht!). Wie lange noch?!

>>> "Verweigerung lebenswichtiger Medikamente f. Betroffene m. AGS m. Salzverlust"
>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015

>>>
Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben