"Was ist es denn geworden?" - taz, 28.9.10

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>>> Nachträge 10.10.10 + 1.12.10 + 3.4.11

>>> Interessanter Artikel über einen Vorstoss der Grünen in Bremen im Anschluss an eine Diskussionsveranstaltung im letzten April (dieser Blog berichtete: eins / zwei).

Dass die Bremer Grünen überhaupt etwas für Zwitter tun wollen (obwohl es sich bei dieser "benachteiligten Minderheit", wie im Artikel gleich zwei mal betont wird, nur um eine "relativ kleine Gruppe" handle), und dass die Bremer Grünen dabei immerhin schon zur Kenntnis genommen haben, dass die Probleme der Zwitter nicht via das Transsexuellengesetz gelöst werden können, ist ein Fortschritt und Grund zur Freude.

Dass die Bremer Grünen dabei die "Genitaloperationen" immerhin wenigsten einmal beim Namen nennen, ist ebenfalls sehr positiv zu werten.

Danke!

Dass auch die Bremer Grünen es letztlich aber einmal mehr geradezu krampfhaft vermeiden, das zentrale Problem der Genitalverstümmelungen direkt anzugehen, sondern stattdessen politisch über die "obligate" Personenstandsgesetz-Diskussion nicht herauskommen (wollen), und sich letztlich darauf beschränken, zum x-ten Mal "vom Senat" abgeklärt haben zu wollen, "ob eine verbindliche Frist besteht, innerhalb derer auf dem Standesamt das Geschlecht des Neugeborenen definiert wird", um "den betroffenen Eltern erstmal Zeit zu geben, sich von Fachleuten beraten zu lassen", während Peer Support (Kontakt zu Selbsthilfegruppen und Zwitterorganisiationen) einmal mehr aussen vor bleibt – wen wundert's?!

Da es sich beim standesamtlichen Gechlechtseintrag für manche offensichtlich um ein liebgewonnenes, immer wieder faszinierendes, scheinbar unergründliches Geheimnis handelt, sei es hiermit kurz und schmerzlos gelüftet: Nein, liebe Grüne, eine solche Frist gibt es nicht (mehr).

(1) Fehlen Angaben oder Nachweise für die Beurkundung eines Personenstandsfalls, kann das Standesamt die Beurkundung zurückstellen. Die Beurkundung des Personenstandsfalls ist in diesem Fall in angemessener Frist nachzuholen.

(2) Dem Anzeigenden ist auf Antrag eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass der Personenstandsfall angezeigt wurde, aber noch nicht beurkundet werden konnte.

Ebenfalls symptomatisch, wie sich die Bremer Grünen nach eigenem Bekunden (ausgerechnet!) den letztjährigen Vorstoss ihrer Hamburger KollegInnen zum Vorbild nehmen – seinerseits das Musterbeispiel dafür, wie PolitikerInnen sich schnell mal zu den KomplizInnen der GenitalverstümmlerInnen machen, indem sie, sobald es dann um konkrete Taten geht, das eigentlich Hauptproblem der täglichen Genitaverstümmelungen vor der eigenen Haustüre schnell elegant ausblenden und verleugnen. Und so dazu beitragen, dass in deutschen Kinderkliniken weiterhin JEDEN TAG MINDESTENS 1 WEHRLOSES KIND IRREVERSIBEL GENITALVERSTÜMMELT WIRD. Wie lange noch?!

Meine 2 Cent: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! Es ist offensichtlich noch ein weiter Weg, und allzuviel traue ich den Bremer Grünen beim aktuellen Stand nicht zu. Gerne liesse ich mich eines Besseren belehren ... Wie wär's zum Beispiel, wenn die Grünen einmal auf Zahlen bestehen würden, wieviele Kinder in ihrem Zuständiglkeitsbereich schon verstümmelt wurden und immer noch werden, und anschliessend konkrete Schritte dagegen unternähmen? Na?

Nachtrag 10.10.10.:  Am 1.10. schrieb Zwischengeschlecht.org den im taz-Artikel erwähnten Abgeordneten Björn Fecker an, bedankte sich für das Engagement der Bremer Grünen, übermittelte die oben genannnten Fakten zum Personenstandsgesetz und wies darauf hin, dass dringend auch das zentrale Problem der andauernden Genitalverstümmelungen angegangen werden muss. Am 27.10. stellte Björn Fecker, inzwischen aus den Herbstferien zurück, eine baldige Antwort in Aussicht.

Nachtrag 1.12.10: Eine baldige Antwort, die allerdings auch gut einen Monat später nach wie vor aussteht ...

Nachtrag 3.4.11: ... dito auch 4 Monate später.

Dafür reichte lancierte Björn Fecker zwischenzeitlich im Februar 2011 einen der üblichen Grün-SPD-Vereinnahmungsvorstösse, in denen es stets nur um das eine geht, nämlich um Aufweichungen des Personenstandsgesetzes, während die Genitalverstümmelungen bequemerweise aussen vorgelassen werden.

Schlimmer noch, im vorliegenden Fall darf dann der Bremer Gesundheitsminister (von allen inkl. dem sauberen Björn Fecker) unwidersprochen behaupten, in Bremen würde seit 10 Jahren nicht mehr verstümmelt - was bekanntlich gelogen ist, dass sich die Balken biegen, aber den privilegierten Schända-VereinnahmerInnen wohl noch so recht – zumindest solange es nicht ihre eigenen Genitalien sind, die da serienmässig verstümmelt werden, wetten?!

GenitalabschneiderInnen und HelfershelferInnen, wir kriegen euch!
ZwangsoperateureInnen und KomplizInnen, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

>>> Bremen: Verstümmelungen im "Zentrum für Kinderheilkunde"
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Fakten und Zahlen

Siehe auch:
- Genitalverstümmelungen an Zwittern als sind KEIN "Nebenwiderspruch des Zweigeschlechtersystems"! (Von der Frauenbewegung lernen 2)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Warum Zwitterforderungen, worin zu oberst nicht die schnellstmögliche Beendigung der Zwangsoperationen steht, keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung