Kenia > Historisches Gerichtsurteil: Intersex-Kinder haben Recht auf Geburtsurkunde, Datenerhebung über Intersex und gesetzliche Regeln gegen Genitaloperationen notwendig

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Menschenrechte auch für Zwitter!Zwischengeschlecht.org on FacebookHipp, hipp! Der High Court in Nairobi (Kenia) ordnete in einem >>> Urteil vom 5.12.2014 im Fall 266/13 'Baby A' gegen Justizministerium u.a. (englisch) an, dass jeweils innert 90 Tagen

• das Standesamt einem heute 5-jährigen Intersex-Kind eine Geburtsurkunde ausstellen muss

• das Justizministerium eine Stelle benennen muss, die eine generelle Datenerhebung zu Intersex-Kindern und -Menschen in Kenia durchführt

• das Justizministerium einen Bericht abliefern muss zum Stand der Dinge betreffend einem Regelwerk zur Anerkennung von Intersex als einer Geschlechtskategorie sowie betreffend Richtlinien und gesetzlicher Regulierung von "Korrektur-Operationen" an Intersex-Menschen.

Dieses bahnbrechende Urteil ist das Verdienst des Anwaltes John Chigiti (Bild), der sich seit Jahren für die Rechte von Intersex-Kindern und -Erwachsenen einsetzt. Dafür von diesem Blog ein ganz herzliches Dankeschön!

In vorliegenden Fall hatten ÄrztInnen in einem Formular zur Registrierung der Geburt des Kindes, das 2009 mit "uneineutigen Genitalien" auf die Welt kam, das Geschlecht ein Fragezeichen neben das Kästchen eingetragen, in dem das Geschlecht angegeben wird. Danach weigerten sich die Behörden, dem Kind eine Geburtsurkunde auszustellen – eine solche ist wiederum Voraussetzung dafür, u.a. eine Schule besuchen zu können, eine ID zu erhalten oder wählen zu können, wie Chigiti gegenüber der >>> Agentur Reuters erklärte (englisch).

In einem >>> Artikel in der Kenianischen Zeitung "The Star" (englisch) führte John Chigiti weiter aus:

Als ein Resultat von Panik und Angst lassen viele mit einem Intersex-Kind gesegnete Eltern es schließlich zu, diese korrigierenden Operationen zur Veränderung der Genitalien und der hormonellen Gegebenheiten dieser sonst normalen Kinder. Solche Operationen sind sehr invasiv und naturgemäß irreversibel. Sie belassen die Patienten gewöhnlich mit einer bleibenden Narbe. Dies verletzt das Recht der Intersex-Kinder auf körperliche Unversehrtheit, Gesundheit und Freiheit von Folter. Da es keinerlei Richtlinien gibt, läuft dies meiner Meinung nach auf IGM (Intersex Genitalverstümmelung) oder erzwungene [Mädchen-]Beschneidung hinaus.

Ärzte, die solche korrigierenden Operationen wegen einem medizinischen Notfall oder aus anderen Gründen durchführen, müssen durch Standards geleitet werden, die einen Schutz für Intersex-Kinder garantieren. so dass diese Operationen keine vom Nürnberger Kodex verbotene Experimente am menschlichen Körper bleiben. Die Operation sollte die letzte Option sein.

Es besteht eine Notwendigkeit für Richtlinien, Regeln und gesetzliche Bestimmungen für Intersex-Menschen, die auf medizinische Hilfe angewiesen sind. Dieselben Vorschriften werden auch die Ärzte vor künftigen Klagen der Kinder schützen.

Meine 2 Cent: Das Rennen ist immer noch offen, welcher Staat als erster ein gesetzliches Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen auf die Reihe kriegt. Kenia ist nach diesem Urteil offensichtlich besser aufgestellt als z.B. europäische Länder (Hallo Personenstand-Murks!). Fortsetzung hoffentlich bald ...

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy

2014 NGO Report an das UN-Kinderrechtekomitee (CRC) (englisch)
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A
>>> Download PDF (3.65 MB)     >>>
Table of Contents

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben