IGM2025 > Gleichstellungsbüros als Mittäter:innen bei Intersex-Genitalverstümmelungen

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Heidi Walcutt: 'STOP Intersex Genital Mutilation!' (1997)Dass Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) nach über 30 Jahren Kampf von Betroffenen und Verurteilungen durch Menschenrechts- und Ethikgremien 2025 auch in der Schweiz immer noch ungestraft weiterpraktiziert werden können, ist nur möglich, weil es neben den Täter:innen auch eine ganze Reihe von Mittäter:innen gibt, die IGM, das dadurch verursachte lebenslange Leid und die Proteste der Betroffenen konstant vereinnahmen, verharmlosen, ignorieren, ausblenden und unsichtbar machen.

Oft genug sind diese Mittäter:innen ausgerechnet diejenigen, welche das Thema "im Namen der Betroffenen" in der Öffentlichkeit und in der Politik ausbreiten und womöglich buchstäblich besetzen (was von Betroffenen und Verbündeten seit mehr als 20 Jahren als "Kolonialisierung" verurteilt wird).

Z.B. die Fachstellen für Gleichstellung in Geschlechterfragen der Städte Bern, Basel und Luzern.

Bern: Expliziter Auftrag der Fachstelle für Gleichberechtigung zur
Bekämpfung "geschlechtsspezifischer Gewalt" (Aktionsplan 2023-26, PDF S. 16).
Weiter beruft sich der Aktionsplan (S. 8) explizit auf die UNO-Komitees CRC und CEDAW,
die beide die Schweiz bisher je 2x wegen IGM rügten.

Fachstellen, die zwar alle drei den mehr oder minder expliziten Auftrag zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt an "LGBTI", "queeren" und "intergeschlechtlichen Menschen" haben, in der Praxis aber die real existierende medizinische Gewalt an Intersex-Menschen ausblenden.

Laut dem Gleichstellungs-Glossar, auf das der Aktionsplan 2023-26 verweist, schliesst dabei "Geschlechtsspezifische Gewalt" explizit Gewalt an "intergeschlechtliche[n] Personen" mit ein.

Etwa am kommenden Donnerstag, den 24.04.2025 um 19h an einem öffentlichen Podium in der Photobastei Zürich, wo Vertreter:innen dieser drei Fachstellen unter dem Motto "Sichtbarkeit von intergeschlechtlichen Menschen stärken" über "Themen rund um die Aufgaben und Angebote dieser Fachstellen" diskutieren wollen – aber ausdrücklich nicht über die andauernden Intersex-Genitalverstümmelungen in den Kinderspitälern vor ihrer Haustüre.

Auf Anfrage bestätigten Vertreter:innen der Fachstellen, dass der Schutz der körperlichen Integrität von Intersex-Menschen sowohl in der praktischen Arbeit der Fachstellen wie auch an der Podiumsdiskussion ausdrücklich kein Thema sei.
(Da uns vorgeworfen wurde, dies sei so "verkürzt und unvollständig", hier der anonymisierte Mail-Austausch.)

Geleitet wird die Diskussion dazu passend von einer Person, die dafür bekannt ist, in der Öffentlichkeit Intersex und z.B. non-binäre Geschlechtsidentitäten unzulässig zu vermischen, sowie für massiv schädliche öffentliche Statements wie z.B. in den grossen Schweizer Kliniken würden Intersex-Kinder angeblich nicht mehr verstümmelt. (Tatsächlich verstümmeln gerade die grossen Kliniken am meisten.

Wir wehren uns gegen solche Unsichtbarmachung, Verharmlosung und Vereinnahmung von Intersex und IGM und rufen zur kritischen Teilnahme auf. Wir sehn uns, wo die Action ist!

Siehe auch:
100 UNO-Rügen wegen IGM!
Intersex-Genitalverstümmelung in der Schweiz

Intersex-Genitalverstümmelung und akademische (Mit-)Täterinnenschaft
Präsentation @
Feministisches Hochschulkollektiv Zürich, 8.11.23

Download Folien + Skript (PDF )
Video: Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Comments

1. On Tuesday, April 22 2025, 23:48 by Zwischengeschlecht.info

Dokumentation Mailverlauf mit Fachstellen für Gleichstellung

Von: Zwischengeschlecht.org […]  
Gesendet: Samstag, 29. März 2025 18:28
An: […]
Betreff: Fragen zur Intersex-Podiumsdiskussion in Zürich 24.04.2025
 
Hallo […]
 
Wir haben gelesen, dass Sie als Vertretung des Gleichstellungsbüros der Stadt Basel / Bern / Luzern am 24.04.2025 in Zürich an einer Podiumsdiskussion zum Thema Intersex teilnehmen.

Wir sind sehr besorgt darüber, dass laut Ankündigung einmal mehr das Thema Intersex öffentlich auf die Aspekte Diskriminierung und gesellschaftliche Anerkennung reduziert wird, unter gleichzeitiger Ausblendung der andauernden, massiven Gewalt an Intersex-Kindern durch Genitalverstümmelungen, welche von Betroffenenorganisationen seit Jahrzehnten als das dringendste Problem angeprangert und mittlerweile auch von Menschenrechtsgremien als massive Menschenrechtsverletzung eingestuft werden (u.a. wurde die Schweiz in den letzten zehn Jahren von UNO-Komitees 8x wegen IGM gerügt).
 
Eine weitere Sorge ist, dass das Festival, in dessen Rahmen die Podiumsdiskussion stattfindet, offiziell ein Projekt von Varia Suisse ist, einer Organisation, die gegen aussen vorgibt, für und im Namen von Betroffenen zu sprechen, tatsächlich aber von Ärzt:innen dominiert, die IGM praktizieren und gleichzeitig öffentlich leugnen (siehe Newsletter unten).

Wir wollten deshalb im Vorfeld fragen, ob Sie darüber informiert sind und was Ihre Position dazu ist?

Weiter möchten wir fragen, wie sich das Gleichstellungsbüro der Stadt Basel / Bern / Luzern zu den massiven Menschenrechtsverletzungen durch IGM stellt, die auch vor Ort im UKBB / Inselspital / Kinderspital Luzern praktiziert werden?

Wir wären froh um eine kurze Rückmeldung. Bei Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Vielen Dank und liebe Grüsse
 
Daniela Truffer, Markus Bauer
 
--
StopIGM.org / Zwischengeschlecht.org

———————

Von: <[…]@stadtluzern.ch>  
Gesendet: Freitag, 4. April 2025 15:40
An: […]
Cc: <[…]@BERN.CH>
Betreff: Fragen zur Intersex-Podiumsdiskussion in Zürich 24.04.2025
 
Guten Tag Daniela Truffer und Markus Bauer
 
Vielen Dank für Ihre E-Mail.

Bei dem Podium vom 24.4., das im Rahmen des Varia Festivals in Zürich stattfinden wird, werden wir Einblick geben in die städtische Gleichstellungsarbeit in Bern, Luzern und Basel. Wir werden aufzeigen und diskutieren, in welchen Bereichen und auf welche Weise wir in unserer Arbeit auf städtischer Ebene etwas dazu beitragen können, Diskriminierung gegenüber intergeschlechtlichen Menschen abzubauen und einen Beitrag zu leisten zur Sichtbarkeit von Geschlechtervielfalt. Das ist das Thema des Podiums. Aus unserer Sicht braucht es verschiedene Massnahmen, um die Lebenssituation von intergeschlechtlichen Menschen zu verbessern.  

Den Schutz der körperlichen Integrität jedes einzelnen Menschen, insbesondere von Kindern, welche noch nicht die Möglichkeit haben, ihre Rechte selbstbestimmt durchzusetzen, erachten wir als sehr wichtig und diesen Schutz sehen wir als staatliche Aufgabe. Themen, wie die Frage von medizinischen Eingriffen, aber auch juristische Fragen in diesem Bereich, liegen ausserhalb des städtischen Einflussbereiches. Als Verwaltungsangestellte ist es auch nicht unsere Rolle, uns politisch zu äussern, was aber nicht heisst, dass wir als Privatpersonen nicht eine Meinung dazu haben.
 
Die Diskussion rund um die Frage eines Operationsverbotes und der damit verbundene Austausch mit verantwortlichen medizinischen Fachpersonen ist das eine. Unseres Erachtens kann aber parallel dazu auch Bildungsarbeit in der Bevölkerung und bei spezifischen Zielgruppen wie pädagogische Fachpersonen oder Eltern einen wichtigen Beitrag leisten. Denn wir sind überzeugt, auch wenn ein Operationsverbot früher oder später durchgesetzt werden kann, ist die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber intergeschlechtlichen Menschen dadurch nicht automatisch erreicht.  
 
Wir haben Kenntnis von den genannten Rügen der UNO und wir wissen, dass an verschiedenen Schweizer Spitälern immer noch medizinische Eingriffe bei intergeschlechtlichen Kindern vorgenommen werden.  
 
Beantwortet das Ihre Fragen? Für Rückfragen stehen wir ebenfalls zur Verfügung.
 
Freundliche Grüsse
 
[…], Stadt Luzern und […], Stadt Bern

———————

Von: Zwischengeschlecht.org
Datum: 21. April 2025 um 02:02:05 MESZ
An: <[…]@bern.ch>
Betreff: Intersex News 2/25 + Save the Date 24.4.
 
Zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!

N E W S L E T T E R
 
Liebe Freund:innen der Intersex-Menschenrechte
 
Save the Date: Podiumsdiskussion Do 24.4. Photobastei ZH 19h
Eingeladen sind Vertreter:innen der Gleichstellungsbüros der Städte Basel, Bern und Luzern, deren Gleichstellungspläne zwar die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt an LGBTI bzw. queeren Menschen beinhalten, die in der Praxis aber die real existierende medizinische Gewalt an Intersex-Menschen ausblenden. Auf Anfrage bestätigten die Vertreter:innen, dass der Schutz der körperlichen Integrität von Intersex-Menschen für sie sowohl in ihrer Arbeit wie auch an der Podiumsdiskussion kein Thema sei. Geleitet wird die Diskussion von einer Person, die dafür bekannt ist, in der Öffentlichkeit Intersex und z.B. non-binäre Geschlechtsidentitäten unzulässig zu vermischen, sowie für massiv schädliche Statements wie z.B. in den grossen Schweizer Kliniken würden Intersex-Kinder angeblich nicht mehr verstümmelt.  

Wir wehren uns gegen solche Unsichtbarmachung, Verharmlosung und Vereinnahmung von Intersex und IGM und rufen zur kritischen Teilnahme auf. Mehr dazu in Kürze.
 
[…]

Liebe Grüsse
 
Daniela & Markus / Zwischengeschlecht.org

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Von: <[…]@BERN.CH>
Datum: Dienstag, 22. April 2025 um 20:21
An: Zwischengeschlecht.org
Cc: <[…]@stadtluzern.ch>
Betreff: Rückmeldung zum Text "Save the Date 24.4." und Vorschlag für Austausch

Guten Abend Daniela Truffer und Markus Bauer
 
Wir sind nicht glücklich mit dem Text zum “Save the Date: Podiumsdiskussion Do 24.4. Photobastei ZH 19h” so, wie er im Newsletter von Zwischengeschlecht.org vom 21. April 2025 zu finden ist.  
 
In unserer Mail vom Freitag, 4. April haben wir geschrieben, dass das Thema der medizinischen Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern ausserhalb des städtischen Einflussbereiches liege und wir uns auf andere Weise für den Abbau von Diskriminierungen gegenüber intergeschlechtlichen Menschen einsetzen. Der Text im Newsletter gibt unsere Aussagen nun verkürzt und unvollständig wieder. Er scheint unseres Erachtens nun zu suggerieren, dass den Städten das Thema der Verletzung der körperlichen Integrität von intergeschlechtlichen Kindern vollkommen gleichgültig sei. Dem ist, wie bereits in unserem Mail ausgeführt, nicht so: «Den Schutz der körperlichen Integrität jedes einzelnen Menschen, insbesondere von Kindern, welche noch nicht die Möglichkeit haben, ihre Rechte selbstbestimmt durchzusetzen, erachten wir als sehr wichtig und diesen Schutz sehen wir als staatliche Aufgabe.» Wir zeigen in unserem Mail einzig auf, dass dies eine Aufgabe ist, die nicht auf städtischer, sondern auf Bundesebene anzusiedeln ist.
 
Im Rahmen der Veranstaltung am kommenden Donnerstag ist keine Diskussion zum Thema medizinische Eingriffe/Operationsverbot vorgesehen. Wenn wir nun aber schon alle am selben Ort sind, könnten wir im Anschluss an die Veranstaltung zusammensitzen, und wir Vertreter*innen der Städte könnten von Ihnen als Vertreter*innen von Zwischengechlecht.org hören, was Sie sich von den Städten unter Berücksichtigung des städtischen Handlungsspielraumes wünschen würden. Falls Sie nach der Veranstaltung keine Zeit für einen Austausch haben oder falls wir während dem Austausch merken, dass wir mehr Zeit benötigen, können wir die Diskussion auch über Teams oder Zoom weiterführen.
 
Wäre das ein Vorgehen, das auch in Ihrem Sinne wäre? Danke für Ihre Rückmeldung und bis am Donnerstag.
 
Freundliche Grüsse,  
 
[…], Stadt Bern
[…], Stadt Luzern

———————

Von: "Zwischengeschlecht.org" [...]
Betreff: Re: Rückmeldung zum Text "Save the Date 24.4." und Vorschlag für Austausch
Datum: 23.04.2025 02:11
An:  <[...]@BERN.CH>, ""Zwischengeschlecht.org"
Kopie (CC):  <[...]@stadtluzern.ch>

Hallo [...] und [...]

Vielen Dank für das Gesprächsangebot, das wir gerne annehmen, vertieft vielleicht am besten später per Zoom.

Unserer Ansicht nach ist in unserem Text klar, dass die Aussagen sich auf die von Ihnen beschriebene Praxis der Fachstellen und die Podiumsdiskussion beziehen, nicht auf die von Ihnen weiter erwähnte Meinung als Privatpersonen.

Wir sind mehr als unglücklich darüber, wie das dringendste Thema der Intersex-Bewegung u.a. von Fachstellen dauernd ausgelassen, abgeschoben und unsichtbar gemacht wird, obwohl zum Beispiel die Fachstelle Bern ausdrücklich den Auftrag hat, geschlechtsspezifische Gewalt gegen Intersex-Menschen zu bekämpfen.

Liebe Grüsse

Daniela Truffer, Markus Bauer

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