Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
PRESSEMITTEILUNG von Zwischengeschlecht.org vom 20.04.2009
Das Problem ist altbekannt: Viele Zwitter werden nicht nur genital
zwangsoperiert, sondern zusätzlich zwangskastriert und benötigen deshalb für
den Rest ihres Lebens eine so genannte "Hormonersatztherapie (HET)". Da die
meisten dieser Zwangskastrierten "zu Mädchen gemacht" werden, besteht die HET
prinzipiell aus Östrogen – obwohl viele Zwitterkörper "von Haus aus"
Testosteron produzieren (und dieses je nach Bedarf in körpereiges Östrogen
umwandeln – Zwitter mit so genanntem "Androgen-Insuffizienz-Syndom
(AIS)").
Diese Östrogen-HETs wurden nie klinisch getestet, den Zwangsoperierten werden
Präparate aufgezwungen, die eigentlich nur für Frauen in der Menopause
zugelassen sind, d.h. sie erfolgen experimentell als "Off Label-Use". Obwohl
negative Folgen seit längerem auch in der medizinischen Literatur bekannt sind
(unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen,
Osteoporose, Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust),
weigern sich die Mediziner bis heute, zwangskastrierten Zwittern eine HET nach
Bedarf und Wunsch zuzugestehen.
Mehrere Betroffene begannen schliesslich, auf eigene Faust Testosteron zu
nehmen, viele davon mit positiven Resultaten. In Deutschland, Österreich und in
der Schweiz weigern sich die Mediziner jedoch, für Testosteron Rezepte
auszustellen, die von der Kasse übernommen werden – bezeichnenderweise gerne
mit der Ausrede, eine HET mit Testosteron sei "Off Label-Use" ... Sprich, die
Zwangskastrierten müssen eine adäquate HET noch aus der eigenen Tasche
bezahlen! Seit Jahren besteht deshalb die Forderung an die Mediziner und
insbesondere das "Netzwerk Intersexualität/DSD" bzw. "Euro-DSD", diesem Unfug
endlich ein Ende zu bereiten.
"Netzwerk DSD": Unrealistische Studie statt praktische
Hilfe
Als Reaktion auf diese Forderung kündigt nun Prof. Olaf Hiort, 1. Vorsitzender
"Netzwerk DSD", eine "Klinische Studie zur Testosteronsubstitution bei
kompletter Androgenresistenz" an, mit dem Ziel einer künftigen Kostenübernahme
von Testosteron wenigstens bei Zwangskastrierten mit CAIS.
Die Teilnahme an dieser Studie, und insbesondere das Monate lange Absetzen
jeglicher HET vor bzw. zwischen den Blindversuchen, über die Dauer eines ganzen
Jahres, bedeutet aber für die teilnehmenden Zwangskastrierten ein Jahr lang
massive körperliche und seelische Strapazen, die beispielsweise für das
Berufsleben je nach dem auch bleibende negative Auswirkungen haben können.
O-Ton Prof. Hiort: "Ich hoffe, diese mail schreckt Sie jetzt nicht zu sehr
ab."
Aufgrund dieser ruinösen Teilnahmebedingungen ist es sehr unwahrscheinlich,
dass sich die geforderten mindestens 30 Proband_innen finden lassen. Es ist
deshalb von vornherein unrealistisch, dass die Studie überhaupt zustande kommt.
Sie entpuppt sich somit als Alibiübung, um den schwarzen Peter weiterhin den
Betroffenen zuschieben zu können.
Zwangskastrierte fordern Rechte statt Almosen - das "Netzwerk DSD"
schweigt
Anstelle der unrealistischen Studie gäbe es durchaus pragmatischere
Möglichkeiten zur praktischen Hilfe. Die negativen Folgen von Östrogen-HETs und
die positiven Wirkungen von Testosteron-HETs bei vielen Betroffenen ist durch
eine Vielzahl von Fallbeispielen erwiesen, die auch dem "Netzwerk DSD" bekannt
sind.
Für viele Zwangskastrierte ist es zudem sehr störend, wie das "Netzwerk DSD"
permanent unterschlägt, dass auch die Östrogen-HETs nie klinisch getestet
wurden und somit ebenfalls einen "Off Label-Use" darstellen. Diese
scheinheilige Ungleichbehandlung ist klar entwürdigend und
diskriminierend.
Die inzwischen zurückgetretene 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.
Daniela Truffer forderte deshalb im Namen des Vorstands das "Netzwerk DSD" zu
einer Stellungnahme auf betreffend realistischerer Möglichkeiten, den durch die
Medizin geschädigten Zwangskastrierten endlich zu ihrem guten Recht zu
verhelfen.
Wie stets bei Anfragen Betroffener kam von Seiten des Netzwerks DSD bisher
keine Antwort ...
Weitere Informationen:
Zwangskastrationen an Zwittern und ihre Folgen
http://kastrationsspital.ch
Die geplante klinische Testosteronstudie
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/03/26/Netzwerk-DSD-plant-Testostudie-fur-Zwangskastrierte-mit-CAIS
Aufruf um Stellungnahme an "Netzwerk DSD"
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/04/02/Ersatzhormone-fur-Zwangskastrierte-auf-Kasse-Netzwerk-DSD-zum-Handeln-aufgefordert
Freundliche Grüsse
n e l l a
Daniela Truffer
presse_at_zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50
http://zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Zwischengeschlecht.org
Mitglied XY-Frauen
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info
Siehe auch:
-
"Netzwerk DSD" plant Testostudie für Zwangskastrierte mit CAIS
-
Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln
aufgefordert
- PRESSEMITTEILUNG: Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber
bezahlen
-
Testo-Studie: Doch keine Placebos
Published on Monday, April 20 2009 by seelenlos