"Unmenschliche Behandlung": UN-Ausschuss gegen Folter verurteilt Intersex-Genitalverstümmelungen, fordert gesetzgeberische Massnahmen

Foto: Aktion von Zwischengeschlecht.org zum UNHRC UPR #14, UNO Genf 20.10.2012

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 14.08.2015:

Heidi Walcutt (1997): 'STOP Intersex Genital Mutilation'

Zwischengeschlecht.org begrüsst aufs herzlichste die heute am 14.08.2015 veröffentlichten, historischen "Abschliessenden Bemerkungen" des UN-Ausschusses gegen Folter an die Schweiz, welche IGM-Praktiken als "unmenschliche, grausame oder erniedrigende Behandlung (CIDT)" einstufen (Art. 16 CAT).
>>> PDF, französisch, zu Intersex S. 7, Abs. 20

Wir anerkennen besonders, dass der Ausschuss explizit"gesetzgeberische, administrative und weitere Massnahmen" fordert, sowohl zur Beendigung dieser Praxis, wie auch zur Gewährleistung von Wiedergutmachung und Entschädigung, und sich dabei explizit auf die Empfehlungen der Nationalen Ethikkommission (NEK-CNE) bezieht (welche die Notwendigkeit gesetzgeberischer Überprüfung inklusive Haftung, Strafrecht und Verjährungsfristen unterstreichen) sowie auf die jüngsten Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes an die Schweiz (welche IGM als "schädlichen Praktiken" klassifizieren und ebenfalls gesetzgeberische Massnahmen fordern).

Und wir freuen uns sehr, dass der Ausschuss weiter ausdrücklich eine Untersuchung und Aufarbeitung der bisherigen, auch in schweizer Kinderspitälern nach wie vor andauernden Praxis fordert (bisher hat erst das Kinderspital Zürich eine historische Aufrabeitung eingeleitet, bisher ohne staatliche Förderung), sowie last but not least angemessene psychosoziale Unterstützung für Eltern und Betoffene statt nicht-eingewilligter, verstümmelnder Genitaloperationen an wehrlosen Kindern.

Nun sind Bundesrat und Parlament gefordert, endlich mit dem Herumlavieren aufzuhören, und – in Absprache mit den Betroffenen und ihren Organisationen – rasch angemessene gesetzgeberische Massnahmen an die Hand zu nehmen, wie sie die Nationale Ethikkommission schon 2012 forderte.

Der Kampf von Intersex-Menschen und ihren Organisationen für "körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung" und um die Eliminierung von IGM-Praktiken ist leider noch lange nicht zu Ende. Die Abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses gegen Folter sind jedoch ein wichtiger und hochwillkommenen Schritt dazu – und ein Zeichen der Hoffnung für Intersex-Kinder überall!

>>> 04.08.2015: UN-Ausschuss gegen Folter kritisiert Intersex-Genitalverstümmelungen!

Inoffizielle Übersetzung (PDF, französisch, zu Intersex S. 7, Abs. 20):

Intersex-Menschen

20.    Das Komitee begrüsst den Entscheid des Bundesrates, Ende 2015 zu den Empfehlungen Stellung zu nehmen, welche die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin bezüglich nicht notwendiger und manchmal irreversibler chirurgischer Eingriffe gemacht hat, die an Intersex-Menschen (Menschen mit Variationen der Geschlechtsanatomie) ohne die wirksame und informierte Einwilligung der betroffenen Personen, durchgeführt werden. Jedoch stellt das Komitee mit Besorgnis fest, dass diese Eingriffe, die physisches und psychisches Leiden verursachen, noch zu keinerlei Untersuchung, Sanktion oder Wiedergutmachung führten (Art. 2, 12, 14 und 16).

Das Komitee empfiehlt dem Vertragsstaat angesichts des anstehenden Beschlusses des Bundesrates:

a)    gesetzgeberische, administrative und andere notwendige Massnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der körperlichen Unversehrtheit von Intersex-Menschen zu gewährleisten, und sicherzustellen, dass niemand während seiner Kindheit medizinischen oder chirurgischen Behandlungen unterzogen wird, die zum Ziel haben, das Geschlecht eines Kindes festzulegen, die keinerlei medizinische Dringlichkeit darstellen, wie dies auch von der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin und dem Komitee für die Rechte des Kindes (CRC/C/CHECO/2-4, par. 43 b)) empfohlen wurde;

b)    ein kostenloses psychosoziales Beratungs- und Begleitungsangebot zu gewährleisten für betroffene Personen und deren Eltern sowie diese über die Möglichkeit zu informieren, jegliche Entscheidungen betreffend nicht notwendigen Behandlungen aufzuschieben, bis sich die betroffene Person selber dazu äussern kann;

c)    eine Untersuchung über Fälle von medizinischen oder chirurgischen Behandlungen durchzuführen, welche Intersex-Menschen erdulden mussten, ohne ihre wirksame Einwilligung gegeben zu haben, und gesetzgeberische Massnahmen zu ergreifen, um Wiedergutmachung für alle Opfer zu gewährleisten, inklusive angemessene Entschädigung.

 
Intersex: Schluss mit straflos Kinder verstümmeln!Die internationale Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüsse

Daniela "Nella" Truffer, Markus Bauer
Gründungsmitglieder NGO Zwischengeschlecht.org / StopIGM.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50, +41 (0)78 829 12 60
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Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info

>>> 2015: UN-Ausschuss gegen Folter diskutiert Intersex-Genitalverstümmelungen
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"Nur die Angst v. d. Richter wird meine Kollegen dazu bringen, ihre Praxis zu ändern"

2015 NGO Report an das UN-Komitee gegen Folter (CAT)
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy
>>> Download PDF (3.46 MB)

>>> CAT 2011: Deutschland soll IGM-Praktiken untersuchen und Überlebende entschädigen!

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

Input von Daniela Truffer zum "Fachtag Intersex"
  • IGM Überlebende – Danielas Geschichte
  • Historischer Überblick:
     "Zwitter gab es schon immer – IGM nicht!"
  • Was ist Intersex?  • Was sind IGM-Praktiken?
  • IGM in Hannover  • Kritik von Betroffenen  • u.a.m.
>>> PDF-Download (5.53 MB)