Prof. Dr. Heino Meyer-Bahlburg: John Moneys Erbe

Zum ersten Mal wurde ich auf Prof. Dr. Heino F. L. Meyer-Bahlburg aufmerksam durch seine menschenverachtende, Pardon: "objektive" Studie, die in Deutschland 2005 vorgestellt worden war unter dem bezeichnenden Titel "Intersexuelle Syndrome - Drittes Geschlecht nicht erwünscht". Darin (und auch in unzähligen weiteren, nicht minder "seriösen" Studien) behauptet Meyer-Bahlburg allen Ernstes, Zwitter würden Zwangsoperationen frenetisch befürworten:

"Die überwiegende Mehrheit zeigte sich mit ihrem Geschlecht zufrieden und lehnte ein drittes Geschlecht strikt ab (85%). Die Befragten gaben an, dass sie sowohl mit dem äußeren Aussehen als auch mit der Funktionalität ihrer Geschlechtsorgane zufrieden seien [...]. Auch sollte nach Ansicht der Patienten die übliche Praxis beibehalten werden, dass die operativen Eingriffe bereits in frühen Jugendjahren durchgeführt werden sollten."

Meyer-Bahlburgs "objektive Studie" war derart offensichtlich gezinkt, dass in einem Kommentar dazu auch Prof. Dr. Westenfelder (der kaum verdächtig ist, Zwangsoperationen prinzipiell in Frage zu stellen) unmissverständlich festhielt:

"Zieht man z.B. in den einzelnen Auswertungsergebnissen die Gruppe der 17 CAIS, die zunächst ohne Intersexproblematik und ohne Operation zunächst als "normale" Mädchen aufwachsen, von dem Gesamtkollektiv ab, so kommt es in einigen Aussagen zur Umkehr der Ergebnisse. Bei der Bewertung der Aussagen zum OP-Trauma bleiben Art und Umfang der Operationen, z.B. bei CAIS und Minipenis, völlig unberücksichtigt [...]."  ("Retrospektive Erforschung des Intersex-Phänomens notwendig" -- Nach unten scrollen --> "Zweiter Kommentar")

Im vor kurzem erschienenen 'Medizyner-Gruselkabinett', Pardon: "medizinischen Fachbuch" mit dem Titel "Intersexualität bei Kindern" (Kurzbesprechung bei Kitty) darf Meyer-Bahlburg wieder unwidersprochen wüten, so u.a. in einem Abschnitt "Patientenmeinungen zur Genitaloperation": "Fast 70 Prozent" der Zwitter seien betreffend der von "Intersex-Aktivisten" aufgestellten Forderung "Genital-OPs nur mit Einwilligung der betroffenen Menschen" "nicht damit einverstanden", "47 Prozent" würden sich zudem für Zwangsoperationen "im ersten Lebensjahr" aussprechen, usw., ad nauseam. (S. 42)

Na ja, Meyer-Bahlburg kostete es wohl schon Überwindung, statt 85% neu bloss noch 70% Zwangs-OP-Befürworter_innen unterstellen zu dürfen. Ausserdem sehr bezeichnend: Dass Zwangsoperationen unterlassen werden sollten (bzw. nur schon könnten), stand in seiner "objektiven Studie", welche die "Intersex-Aktivisten" angeblich Lügen straft, "rein zufällig" gar nicht erst zur Auswahl, sondern lediglich "(1) nicht vor dem Erwachsenenalter, (2) nicht vor der Adoleszenz, (3) nicht vor dem Grundschulalter", (4) nicht vor dem 2. oder 3. Lebensjahr, (5) im ersten Lebensjahr" -- um hier nur auf den alleroffensichtlichsten Kotzbrocken hinzuweisen. Wie auch Kitty treffend schrieb: "man erstellt seine Studien so, wie sie gerade benötigt werden". Was (einmal mehr) zu beweisen war.

Trotz (oder wohl eher wegen?) seiner offensiv zur Schau getragenen Unseriösität und Menschenverachtung ist Prof. Dr. Heino F. L. Meyer-Bahlburg aktuell sowas wie der ungekrönte "Intersex"-King der "Church of Sexology": Mitglied im DSM-III Gender Disorder Comittee, bei DSM-IV Mitglied im Subcommittee on Gender Identity Disorders, seit 2002 Mitglied des Committee on Intersexuality for the Harry Benjamin International Gender Dysphoria Association (Quelle: en-Wiki) -- allesamt Schlüsselpositionen bei der laufenden Sexologen-Medizyner-Kampagne, Zwitter (noch) schlechter zu stellen und nach Belieben als "geisteskrank" einstufen und auf die "Trans-Schiene" abschieben zu können. Umgekehrt wird Meyer-Bahlburg auch gern zitiert, wenn es gilt, Transsexualität als "hirnorganische Intersexualität" zu definieren.

Laut seiner Homepage liegt Meyer-Bahlburgs "primärer klinischer Schwerpunkt" bei "Intersexuality / Disorders of sex development in children, adolescents, and adults.
Gender variants / Gender identity disorder in children and adolescents."  Wenig überraschend hatte er bereits mit dem unseligen John Money zusammengearbeitet. Als Milton Diamond im November 1995 in San Francisco das erste Mal die Wahrheit über David Reimer an einem medizinischen Kongress präsentierte, war Meyer-Bahlburg prompt zur Stelle, den "klinischen Standpunkt", Pardon: genitale Zwangsoperationen nichtsdestotrotz unverdrossen weiter zu propagieren: Ohne Zwangsoperationen bestünde die Gefahr, Kinder "würden von ihren Eltern abgelehnt und von anderen Kindern gehänselt zu werden" (vgl. diesen englischen Bericht von Bo Laurent a.k.a. Cheryl Chase). Die übliche Leier, die heute noch auch im Netzwerk bei Bedarf immer neu aufgewärmt wird. Als wären Eltern, die ihren Kindern genitale Zwangsoperationen aufzwingen, jemals fähig, diese wirklich zu akzeptieren, egal ob operiert oder nicht. (Aber das ist ein anderes Thema.)

Kaum ein heute aktiver Wissenschaftler hat wohl mehr zwangsoperierte Zwitter auf dem Gewissen als der saubere Prof. Dr. Heino F. L. Meyer-Bahlburg. Trotzdem wurde er von der "Intersex-Community" bisher kaum je prinzipiell kritisiert oder gar an den Pranger gestellt. Im Gegenteil, etwa bei OII könnte Mensch eher das Gefühl bekommen, dieses "Verdienst" stünde eigentlich Alice Dreger zu. Verkehrte Welt?

(Ums einmal mehr klar zu sagen, ich finde DSD Scheisse und letztlich wohl ein Eigentor. Trotzdem, nach allem was ich weiss, hat kaum jemand den Zwangsoperateuren bisher mehr eingeheizt und ihnen das zwangsoperieren mehr vergällt als Dreger, Chase a.k.a. Laurent & ISNA.)

Meiner Meinung nach höchste Zeit, den offensichtlich hoffnungslos zwangsoperationsgeilen Prof. Dr. Meyer-Bahlburg vermehrt öffentlich unter die Lupe zu nehmen und blosszustellen -- und falls er z.B. wieder mal in der Gegend an einem Kongress seine menschenverachtenden "objektiven Studien" predigt, ihm ev. auch mal etwas direkter die Meinung zu geigen ...

Nachtrag: Interessant auch diese Netzwerkpublikation aus 2001, die unverfroren behauptet, für die (erstrebte) "stabile Geschlechtsidentität" sei u.a. "das Alter des Kindes zum Zeitpunkt der genitalen Korrektur" entscheidend -- unter Berufung auf eine, ähm, Studie von Na-wem-wohl? (Plus von wegen psychologische Betreuung der Eltern, dass die mittlerweile quasi selbstverständlich sei -- obwohl Selbsthilfegruppen meist vom Gegenteil berichten. Plus, dass einmal mehr vollmundig angekündigt wird, es werde jetzt angeblich statistisch erfasst, wie häufig "Intersexualität" nun wirklich sei, bzw. "eine Studie zur Inzidenz von Intersexualität beim Neugeborenen unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Endokrinologie durch[geführt]". Und weiter mag ich fürs erste gar nicht mehr gucken ...)

Comments

1. On Tuesday, October 7 2008, 18:48 by Curtis E. Hinkle

My response in English:

How is it that Seelenlos knows more about Alice Dreger and ISNA than those of us in the United States? How is it that Seelenlos is not aware that almost ALL former ISNA members have rejected what Alice Dreger and ISNA have done and formed their own Intersex Collective? (1) How is it that Seelenlos has not read that three of the people in the DSD Guidelines made Alice Dreger retract their inclusion in that publication? (2) How is it that Seelenlos does not understand that the Accord Alliance which is the new organization in the United States founded by Cheryl Chase and others PROMOTES intersex genital mutilation because it is in favor of the LWPES guidelines which has already published it Consensus on infants with CAH which recommends surgeries between 2 and 6 months? (3) How is it that Seelenlos does not understand that ISNA and Dreger, after 15 years of activism have had no effect whatsoever in the number of infants subjected to normalization treatments without consent? The statistics prove that nothing has changed.

I think Seelenlos would be better to be open minded and read FACTS objectively.

I would also point out to Seelenlos that Dr. Meyer-Bahlberg is a strong supporter of the Chicago Consensus which is what the new Accord Alliance is also supporting.

After speaking with Sophie Siedlberg from the United Kingdom, this was her personal response:

“It seems very interesting that this German-speaking group is very happy to spring to the defense of Alice Dreger, considering that Alice Dreger and the one academic that she defends a lot, J Michael Bailey, preach eugenics and also seem to focus almost exclusively on the feminization of intersex children when discussing human rights issues.”

Curtis E. Hinkle
Founder of OII
Organisation Intersex International
http://www.intersexualite.org/

Footnotes:
1. Intersex Collective which is made of principally of former ISNA supporters
http://www.intersexcollective.org/
2. Three intersex activists defend children against pejorative terminology
http://www.intersexualite.org/Disor...
3: The Accord Alliance supports the Chicago Consensus Statement
http://www.accordalliance.org/dsd-i...
The new organization which Bo Laurent (real name of Cheryl Chase) has helped found appears to be very pro-surgery. If you read the website of the Accord Alliance, you will notice that the mission of the Accord Alliance is to support the Consensus Statement. The following is from the LWPES Consensus Statement on CAH:
The LWPES Consensus on CAH is found here:
http://jcem.endojournals.org/cgi/co...

Quote from that Consensus Statement:
"Based on recent clinical experience, the recommended time for surgery is at age 2–6 months; although, at present, this is not universal practice. It is important to note that surgery at this stage is technically easier than at later stages."

2. On Wednesday, October 8 2008, 06:49 by seelenlos

hi curtis,

with regards to "read[ing] FACTS objectively":

i did NOT claim to "know more" than anybody to begin with (actually my phrase was "to my best knowledge"), NOR did i support dsd (which i in contrary called "bullshit", "stupid" and an "own goal"), NOR do i support the accord alliance, and i do NOT represent any "group".

however, i DID consider meyer-bahlburg to be the worst propagator of forced genital surgery and other non-consented "treatments" (according to his publications, see also how many times and how he's quoted in the consensus statements), and i DID wonder why e.g. you and oii again and again seem to concentrate on dreger while leaving meyer-bahlburg & co unhindered and unpunished. or am i missing something?

however, before they took the 'dsd-road' and eventually dismantled isna, as stated "to my best knowledge" chase, dreger and isna were the ones to "rumble" and "sour" the forced-surgery-perpetrators the most (at least least that's what i hear german surgeons whining about, cf. e.g. michael sohn's statement here). that's why for me, the 'old' isna is still dearly missed.

my personal main goal is to contribute to end forced surgery and other non-consented "treatments" as soon as possible, and that's why i'm mostly interested in political, legal, public and practical action against surgeons and propagators like meyer-bahlburg & co (and again can't understand why you seem to keep focusing on dreger and chase).

cheers   seelenlos

ps: care to share the statistics you mentioned?

3. On Thursday, October 9 2008, 03:39 by oii-suisse

Download the file, Preview:
Fille, garçon ou les deux ?
Reporting in ''LA SMALA''
of Radio Suisse Romande, March 2008

http://www.intersexualite.org/Paren...

in French

oii-suisse@hotmail.com
http://www.intersexualite.org

4. On Tuesday, August 25 2009, 07:49 by claudia

Kopie von oben:
""(1) nicht vor dem Erwachsenenalter, (2) nicht vor der Adoleszenz, (3) nicht vor dem Grundschulalter", (4) nicht vor dem 2. oder 3. Lebensjahr, (5) im ersten Lebensjahr" Das Perfide an der Art des Fragens: Wer ankreuzt "Nicht vor dem Erwachsenalter" oder "nicht vor der Adoleszenz" kann meinen, dass dann natürlich vorgeschlagene Eingriffe mit den Betroffenen sachlich besprochen würden. Das ist in der Regel nicht der Fall. Christianes Prozess zeigt hier nur die Spitze des Eisberges...

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Kopie von oben:
"Umgekehrt wird Meyer-Bahlburg auch gern zitiert, wenn es gilt, Transsexualität als "hirnorganische Intersexualität" zu definieren." Aus sexologischer Sicht dürfte das wohl ein uninteressanter Nebeneffekt sein, denn auf die Behandlungspraxis unter dem Label "trans" hat es keinerlei Auswirkungen, ob eine "Geschlechtsidentität" als rein psychisch oder als "hirnorganisch" postuliert wird.

Kopie aus der oben verlinkten Seite "mut23":
"'Ich stimme ihnen zu: Das Gehirn bestimmt das Geschlecht. Dies ist auch die Grundlage für die Operation (den Körper an die Identität des Gehirns anzupassen)'
(Professor Dr. Dick F. Swaab, Amsterdam, in einer Emailantwort an mut23.org)"
Im Jahre 2005 sagten Radmayr/Innsbruck und Schwöbel/Bern in Zeitungsinterviews etwa gleichlautend: "Heute können wir ein Kind entsprechend seiner Geschlechtsidentität operieren". Damit war die These zum "Geschlechtshirn" gemeint, das pränatal als "read only memory" festprogrammiert sei. Ein neuer Freibrief für Kinderzuweiser.

Leute wie "mut23" werden lediglich als Bestätiger gebraucht. Die Mauern um die Festungen "Trans" und "Inter" sind derart hochgezogen worden, dass kaum jemand hinterfragen kann, was da abläuft und wer wen für was benützt.

5. On Wednesday, September 9 2009, 00:40 by seelenlos

@ kim:
bitte hör gelegentlich auf, auf unsern blog dauernd mit deiner gehirngeschlechts-theorie zuzuspammen, danke.

(zur kenntnisnahme: künftige versuche wandern wieder direkt ins archiv nicht themenbezogener etc. kommentare https://blog.zwischengeschlecht.info... ps: gilt auch für die geburtsgeschlecht-theorie usw.)