NGO-Bericht an UN-Kinderrechtsausschuss kritisiert Intersex-Genitalverstümmelungen, fordert gesetzgeberische Massnahmen

Foto: UNHRC Intersex Side Event, Genf 11.03.2014  >>> Flyer (PDF) >>> PM (PDF)

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Beitrag von Zwischengeschlecht.org zum gemeinsamen CH-Kinderrechte-NGO-Bericht 2014 (PDF), auf S. 26:

Netzwerk Knderrechte Schweiz:
Zweiter und Dritter NGO-Bericht an den Ausschuss für die Rechte des Kindes

4.6 Schutz vor Misshandlung: Genitalverstümmelung

Einschätzungen des Netzwerks Kinderrechte Schweiz

[Intersex Genital-Verstümmelungen]

Kinder mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen (Intersex, DSD, Hermaphroditismus) werden seit 1950 systematisch medizinisch nicht notwendigen, irreversiblen Eingriffen unterworfen, die darauf abzielen, eine körperlich eindeutige Geschlechtszugehörigkeit herzustellen. Dazu zählen kosmetische Genitaloperationen, Kastrationen / Sterilisierung sowie hormonelle Eingriffe. Schweizer Kliniken waren an der globalen Durchsetzung dieser «operativen Genitalkorrekturen» massgeblich beteiligt. Da ein weibliches Genital chirurgisch leichter zu formen ist als ein männliches, wurden die meisten Kinder zu Mädchen operiert, häufig unter Amputation der «vergrösserten Klitoris». Ihre Eltern wurden falsch informiert, nicht aufgeklärt und nicht sachgerecht unterstützt. Behandlungen dieser Art führen zu schwerwiegenden körperlichen und psychischen Komplikationen. Seit 20 Jahren kritisieren Betroffene und NGOs diese Eingriffe als massive Menschenrechtsverletzung u. a. ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit und verurteilen sie als «Intersex Genital Mutilation». Die UN-Komitees CEDAW und CAT, der UN-Sonderberichterstatter über Folter (SRT), der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), der Europarat (COE) und die Schweizerische Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) kritisieren diese Eingriffe als menschenrechtswidrig und fordern gesetzgeberische Massnahmen (NEK, SRT, COE), historische Aufarbeitung, gesellschaftliche Anerkennung des angetanen Leids (NEK) und Entschädigung für Betroffene (NEK, CAT).

Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz empfiehlt, die Schweiz zu verpflichten:

–– Sämtliche Empfehlungen der nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin zum Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (Intersex, DSD) umzusetzen und gesetzgeberische Massnahmen zur Beendigung kosmetischer Genitaloperationen an betroffenen Kindern zu prüfen, die menschenrechtswidrige Praxis gegenüber betroffenen Kindern und Jugendlichen historisch-gesellschaftlich aufzuarbeiten und Betroffene angemessen zu entschädigen.;

(Leider gingen alle Zwischentitel im Abschnitt zu Genitalverstümmelungen irgendwo unterwegs verloren.)

Zusätzlich haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, das auf S. 15 des Schattenberichts "intersex" nicht nur in den Einschätzungen "miterwähnt" wurde, sondern das "I" auch im Zwischentitel und in den Empfehlungen mit aufgenommen wurde. ;-)

Dank an alle, die das möglich machten! Soweit wir wissen, ist dies das 4. Mal, dass in einem NGO/NHI-Bericht an den UN-Kinderrechtsausschuss CRC Intersex-Genitalverstümmelungen als schwerwiegende Menschenrechtsverletzung kritisiert wurden, und das 2. Mal, dass IGMs auch tatsächlich so ausbuchstabiert wurden!

Aktuell sind wir dran, gemeinsam mit der CH-Selbsthilfegruppe Intersex.ch und der CH-Elternselbsthilfe SI Selbsthilfe Intersexualität einen zusätzlichen, intersex-spezifischen Schattenbericht zu verfassen. Mehr dazu demnächst via intersex.schattenbericht.org!

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen