"XXY ungelöst" - Jungle World 14.1.10

>>> 2. Update 18.1.10

Pünktlich zum IOC-Medizyner-Symposium steht die aktuelle Ausgabe im Zeichen von "Sport, Sex und (wie könnte es anders sein?) 'Schända'". Mit dabei u.a. ein Artikel von Oliver Tolmein.

Das Stichwort "Menschenrechte" kommt in allen 4 Artikeln nirgends vor, ebenso wenig Kritik daran, dass sowohl die IOC wie auch die IAAF betreffend Teilnahme von Zwittern hauptsächlich genitale Zwangsoperationen verkaufen wollen ...

Menschenrechte auch für Zwitter!Der Themenschwerpunkt bedient im Gegenteil hauptsächlich die eigene (Trans-)Genderfraktion und dreht sich >>> laut Inhaltsangabe folgerichtig um – na, was wohl: "[...] die bisherigen Geschlechtstests zeigen vor allem eins: dass es mehr als zwei Geschlechter gibt."

Oliver Tolmeins Beitrag >>> "XXY ungelöst" rekapituliert die Geschichte der "Geschlechtstests im Leistungssport". Leider bleibt er dabei meist an der theoretischen Oberfläche, bzw. befasst sich hauptsächlich mit den entsprechenden Verlautbarungen und offiziellen Texten der internationalen Sportverbände. So wird dann beispielsweise die >>> IAAF Policy on Gender Verification (PDF) gelobt, obwohl der "Fall" Caster Semenya aktuell drastisch vor augen führt, wie speziell in der "Behandlung" von (mutmasslichen) Zwittern schöne Versprechungen und schmutzige Praxis krass aneinander vorbeigehen. Immerhin wird der Zwang zur operativen Entfernung der "Keimdrüsen" durch die IAAF speziell bei Zwittern kritisiert (das IOC ist diesbezüglich auch nicht besser). Auch Kritik am "Zwang zur Operation der Genitalien" durch das IOC wird aufgeführt – allerdings lediglich im Zusammenhang mit Transsexuellen. (Zumindest bezüglich der Teilnahme von Zwittern ist die IAAF diesbezüglich ebenfalls nicht weiter als das IOC.) Fehlen darf auch nicht der bei Jungle World-LeserInnen wohl publikumswirksame Hinweis: "Geschlecht ist also auch im Leistungssport als normative Kategorie erkannt", desgleichen das Zitat, für die betroffenen Frauen sei der obligatorische Geschlechtstest "das Entwürdigendste, was sie erlebt hätten". Kein Statement leider dazu, wie nach Abschaffung der allgemein obligatorischen "Geschlechtstests" Zwitter (und als solchen Verdächtigten) die nunmehr lediglich selektiv und auf Verdacht bzw. Denunziation durchgeführten Tests erfahren, geschweige denn deren Folgen ...

Im Beitrag >>> "Zu schnell für eine Frau" rollt Karolin Heckemeyer laut Inhaltsangabe den "Fall Caster Semenya" noch einmal auf. Auch hier geht's dann entsprechend hauptsächlich Kritik an der "kompromisslose[n] Entweder-Oder-Frage »Mann oder Frau«" eines "auf Zweigeschlechtlichkeit fixierte Wettkampfsystems" sowie um die Forderung der Schaffung neuer, "andere[r] Wettkampfklassen", die "nicht länger an die Einteilung in zwei Geschlechter knüpfen würde[n]".

Nachtrag 17.1.10: In >>> "Wenn die Medaille mehr als zwei Seiten hat" bringt Martin Krauss laut Inhaltsangabe "Sport und Gendertrouble – eine Chronik". Wenig überraschend geht's dort in der auch bei Jungle World scheinbar gottgegeben Rehenfolge um "Trans- und Intersexuelle im Sport", bzw. um "Transgender", um "nach innen gewachsene Genitalien" usw., alles nach Gusto scheinbar synonym wild durcheinandergewürfelt, weil letztlich zählt laut der Wahrnehmung durch die Trangsgenderbrille eh nur eins: "dass man die einfache Vorstellung der Sportfunktionäre, ein Mensch müsse entweder Mann oder Frau sein, sonst sei er gar nichts, endlich über Bord werfen sollte". Kein Wort von Menschenrechtsverletzungen, kein Wort von Verletzungen der Privatsphäre, kein Wort vom systematisch besonders verwerflichen "Umgang" mit mit SportlerInnen aus der "Dritten Welt". Typisch ...

2. Nachtrag 18.10.: Auch der letzte Beitrag >>> "Gender-Voyeure" von Federica Matteoni mit dem Untertitel "Wie die Öffentlichkeit den »Fall Caster ­Semenya« inszenierte" macht sich gleich selber zum Voyeur mit einer typischen, lediglich auf die eigenen Interessen zugeschnittenen "Gender"-Nabelschau. Nirgends wird das Caster Semenya (auch durch diesen Artikel) angetane massive Unrecht thematisiert, es geht wie bei Jungle World anscheinend obligat stets nur um das eine:

Am »Fall Semenya« konnte man gut verfolgen, wie fremd auch die elementarsten Ansätze der kritischen Gender-Theorie dem herrschenden Diskurs über Geschlecht und Identität noch sind. [...] Dass es hier um eine selbstbestimmte Form des Gender-Performing handelte, wie Judith Butler die soziale Konstruktion Geschlecht nennt, darf bezweifelt werden.

 Solidarität mit Zwittern statt Vereinnahmung!Fazit: Einmal mehr kein Wort von Menschen- oder Persönlichkeitsrechten, dafür von A-Z bloss Betrachtungen über "Gene, Hormone und Geschlechtsorgane", "Definitionsmacht eines Diskurses", "Schända" etc. ppp.

Jungle World, schäm dich! Du konntest es schon besser ...