"Gratuliere, es ist ein Zwitter!" - Jungle World 7.5.09
By seelenlos on Saturday, May 9 2009, 13:34 - Die Medien - Permalink
Die Zwitter Medien Offensive™ lässt grüssen!
Jungle World war neben Gigi meines Wissens nach die zweitwichtigste Zeitschrift, die Michel Reiters Texten und Aktivitäten zugunsten der Zwitter schon zu AGGPG-Zeiten mehrfach Raum und Unterstützung gab. Anlässlich der Anhörung vor der Bürgerschaft in HH vom 29.04.09 greift nun auch >>> Jungle World mit einem gelungenen Artikel von Ron Steinke diese noble Tradition wieder auf (wie schon Gigi zu Christianes Prozess) und bringt Klartext:
Eine dringende medizinische Notwendigkeit für »geschlechtszuweisende« Eingriffe gebe es nie, erläuterte der Lübecker Medizinprofessor [und "EuroDSD"-Chef] Olaf Hiort. Weil viele Eltern in Sorge um ihr Kind annehmen, dass es für die Operation im Säuglingsalter dennoch zumindest eine soziale Notwendigkeit gibt, setzen Ärzte trotzdem noch immer in vier von fünf Fällen das Skalpell an. Dies ergab eine aktuelle Studie der Universität Lübeck.
Ausführlicher geht der Bericht ein auf die schon in der taz erwähnten Bestrebungen zur Änderung des Personenstandsrecht zu Gunsten von Zwittern:
Die Bezeichnung »Zwitter« war in Deutschland einst sogar in amtlichen Dokumenten zu finden. Einigen Intersexuellen schwebt Ähnliches für die Zukunft vor. Anders als heute stellte es im preußischen Recht des 19. Jahrhunderts nämlich kein Problem dar, ins Geburtenregister nicht »männlich« oder »weiblich«, sondern etwas Drittes eintragen zu lassen. Die Hamburger SPD-Politikerin Anja Domres etwa erwog, ob nicht das Personenstandsrecht wieder in dieser Weise geöffnet werden könnte. Das würde zwar die Situation verunsicherter Eltern nicht einfacher machen. Denn nicht die Ämter sind es, die Eltern und Ärzte dazu zwingen, die Kinder schmerzhaften Operationen zu unterziehen (die Behörden zwingen sie »nur« dazu, die Frage nach dem Geschlecht in bestimmter Weise zu beantworten). Eher sind es die vorherrschenden Vorstellungen von Geschlecht.
Ganz unbeeinflusst von rechtlichen Vorschriften sind diese aber vielleicht auch nicht, weshalb die offizielle Anerkennung eines »dritten Geschlechts« etwa auch zu den Forderungen des Vereins Intersexuelle Menschen gehört. Dem Anliegen von Queer- und Transgender-Gruppen, die behördliche Registrierung von Geschlechtern abzuschaffen, läuft das natürlich zuwider. Aber zumindest, so der Gedanke, braucht ein Kind, das ein anerkanntes Geschlecht hat, keines mehr auf dem OP-Tisch »zugewiesen« zu bekommen.
Dass anerkannt wird, dass ein 3. Geschlecht für Zwitter für diese positiv wäre und auch die Zwangsoperateure zusätzlich unter Druck setzen würde, während gleichzeitig die beliebte Medizyner-Ausrede "Die Personenstandseintragung zwingt uns zum zwangsoperieren" zurückgewiesen wird, find ich doch schon mal voll Klasse. Hipp, hipp!!
Ob jedoch die IMeV-Forderung nach einem "optionalen 3. Geschlechtseintrag für Zwitter" (vgl. 5.) dem Anliegen, die Geschlechter gelegentlich ganz abzuschaffen, wirklich zuwiderläuft, wage ich zu bezweifeln.
Meine 2 cent:
Bemerkenswert, dass sowohl das neu gegründete "Netzwerk Intersexualität/DSD" wie auch die Nachfolgeorganisation "Euro-DSD" Trotz zugegebenerweile fehlender medizinischer Indikation krampfhaft an den kosmetischen Zwangsoperationen an Zwitterkindern festhalten.
Ein optionales 3. Geschlecht nur für Zwitter hat aktuell die grössten realpolitischen Chancen und wäre zugleich der wohl durchschlagendste Beitrag zur schnellstmöglichen Abschaffung der Geschlechter überhaupt. Oder sagt mir wer n besseren konkreten Vorschlag, dem "unsinkbaren" 2-Geschlechtersystem so richtig einen Eisberg vor den Bug zu setzen, als durch die offizielle Einführung eines optionalen 3. Geschlechtseintrags für Zwitter – sowie durch gesetzliche Massnahmen zur Beendigung der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern?
>>> http://jungle-world.com/artikel/2009/19/34441.html
(gefunden via Intersex-Feed)
Siehe auch:
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Für eine schlagkräftige Zwitter-Lobby JETZT!
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Oliver Tolmein: Bericht von der Anhörung auf FAZ-Online
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Vorabbericht zur Anhörung taz hamburg
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Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
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Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen