Genitalverstümmelung: "Unrecht der Medizinversuche anerkennen" (Oliver Tolmein 2009)

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Menschenrechte auch für Zwitter!

Während der öffentlichen Anhörung "Politischer Handlungsbedarf bei der Regelung für ärztliche Behandlungen von Hermaphroditen" der Hamburgischen Bürgerschaft vom 29. April 2009 brachte es der Hamburger Rechtsanwalt und Journalist Oliver Tolmein auf den Punkt (>>> PDF-Wortprotokoll -> S. 11):

Herr Dr. Tolmein:

Und ich glaube, dass wichtig ist als Grundlage für eine weitere Beschäftigung mit diesem Thema, [...] dass das als Unrecht und auch als medizinisches Unrecht zur Kenntnis genommen wird und akzeptiert und anerkannt wird.

Frau Veith hat das sehr deutlich gesagt [...], ich bin Überlebender eines Medizinversuches, und ich denke, [...] das muss man auch einfach mal so anerkennen.

Interessant ist, dass zu uns in die Kanzlei beispielsweise sehr viele Menschen kommen, die Schadensersatzprozesse führen möchten gegen ihre Ärztinnen und Ärzte, die behandelnden, und zwar nicht in erster Linie, um reich und glücklich zu werden, sondern damit anerkannt wird, dass das, was damals an ihnen praktiziert worden ist, was sie durchlitten und durchlebt haben, dass das eben keine Standardbehandlung, keine medizinischen Heileingriffe waren, sondern dass das eben genau das war: Medizinversuche [...].

Und ich denke, dieses Experimentelle, dieses Versuchsmäßige, dass dazu geführt hat, dass Menschen hier schwer leiden müssen und mussten, das muss in irgendeiner Art und Weise reflektiert [werden] und dann auch zu irgendwelchen Konsequenzen führen.

Bekanntlich stahlen sich in der Folge betreffend "politischem Handlungsbedarf bei der Regelung für ärztliche Zwangsbehandlungen an Hermaphroditen" sowohl der Hamburger Senat wie auch die Bürgerschaft einmal mehr letztlich tatenlos aus jeder Verantwortung – während auch in Hamburg die experimentellen Verstümmelungen unvermindert weitergehen.

O-Ton Prof. Dr. Olaf Hiort, Chef von "Netzwerk DSD/Intersexualität" und "EuroDSD" an derselben Anhörung (>>> PDF-Wortprotokoll -> S. 40):

Es gibt keine Qualitätskontrolle, und alleine in Hamburg würde ich drei oder vier Krankenhäuser benennen können, die solche Operationen durchführen oder durchgeführt haben.

Auch die von RA Tolmein ewähnten "sehr vielen" Überlebenden, die ihre VerstümmlerInnen verklagen wollten, wurden inzwischen allesamt im Regen stehen gelassen – da die Medizyner ihre Experimente mit Vorliebe an Kleinkindern durchführen, waren ihre medizinischen Verbrechen einmal mehr allesamt längst verjährt ...

Allein in Deutschen Kinderkliniken wird JEDEN TAG mindestestens 1 wehrloses Kind experimentell genitalverstümmelt, sowie in Österreich und in der Schweiz JEDE WOCHE nochmals JE 1 weiteres.

Wie lange noch?!

Siehe auch:
- Zwitter: "Akzeptieren statt zwangsoperieren" – Oliver Tolmein (2002)
- Leugnen, wegschauen, schweigen – Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen
- Hamburg: Bürgerschaft will Zwitter stärken – Zwangsoperationen ausgeklammert
- Schweiz: Patientenschützerin Margrit Kessler fordert Reglementierung experimenteller "Heilversuche"
- "Heimliche Versuche am Menschen" - Beobachter 7/2010 
- Verfassungsartikel Forschung am Menschen – Chance im Kampf gegen genitale Zwangsoperationen und sonstige experimentelle Zwangsbehandlungen an Zwittern
- Prof. Dr. Ricardo González (Kispi Zürich): "Noch etwas weiter experimentieren, vielleicht künftig bessere Resultate"
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 23.6.10
- Amnesty: Zwangsoperationen "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit
- Terre des Femmes: Genitalverstümmelungen an Zwittern gleich schädlich wie weibliche Genitalverstümmelung
- Schweiz: Bundesrat will weibliche Genitalverstümmelung verbieten – aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ... 

Comments

1. On Wednesday, September 29 2010, 18:55 by claudia

Jetzt kann ich mir, böse wie ich nun mal bin, die Frage nicht verkneifen: Vom Anwalt Tolmein hört man seit 10 Jahren immer wieder mal, dass er an dem Thema irgendwie dran sei. Was ist bis jetzt herausgekommen?

In Köln gab es vor zwei Jahren eine Gerichtsentscheidung, das ist bekannt. Aber der Anwalt hiess dort nicht Tolmein...

2. On Wednesday, September 29 2010, 23:54 by seelenlos

m.e. ist oliver tolmein als medienschaffender und journalist offensichtlich bisher erfolgreicher "am thema dran" denn als rechtsanwalt. alles in allem lässt sich m.e. sein leistungsausweis in den letzten 10 jahren sehr wohl sehen.

logisch stimme ich nicht mit allen von tolmeins steckenpferden überein ("diskriminierung" oder "gender" sind m.e. KEINE sinnvollen politischen diskurse zur beendigung der chirurgischen genitalverstümmelungen in den kinderkliniken).

doch wo er recht hat, hat er recht.

wie z.b. oben: "wichtig ist als Grundlage für eine weitere Beschäftigung mit diesem Thema", dass die "Medizinversuche" an kindern und jugendlichen mit 'auffälligen' geschlechtsmerkmalen "als Unrecht und auch als medizinisches Unrecht zur Kenntnis genommen wird und akzeptiert und anerkannt wird", inkl. "irgendwelchen Konsequenzen". von solchen statements kann ich gar nicht genug kriegen.

--------------------

--> christianes definitiver prozessieg in köln (vor übrigens noch nicht mal 13 monaten) war m.e. der wohl wichtigste schritt der letzten jahre in richtung ebendieser "Anerkennung des medizinischen Unrechts" inkl. "auch zu irgendwelchen Konsequenzen führen".

dass christiane dafür von gewissen "besserzwittern" aus der "identen-fraktion" bis heute öffentlich runtergemacht wird, ist nur auf den ersten blick ironisch.

der 2. wichtigste schritt war m.e. die lancierung des schattenberichts – auch dieser wird von denselben "besserzwitteridenten" bis heute nur öffentlich runtergemacht.

(nur auf den ersten blick ironisch #3: leider wurden die aus dem schattenbericht resultierenden realpolitischen möglichkeiten von den unterzeichnenden organisationen m.e. nur sehr minimal abgeschöpft bzw. glatt vergeben – teilnahme an "extrem wichtigen elefanten- und ministerialrunden", bei denen zum wiederholten male kaum konkretes rausschaut, ausser dass sie demnächst z.b. im cedaw-zwischenbericht von den verantwortlichen mittäter-politikerInnen als feigenblatt vorgeschoben werden, sind m.e. KEINE gute ausschöpfung, sondern verpasste chancen.)

auch war christianes sieg umso bemerkenswerter, weil die "elefantenrunden-besserzwitter" und ihre organisationen wie z.b. imev und die xy-elterngruppe seit vielen jahren jeden versuch einer öffentlich/offensiv/juristischen auseinandersetzung mit den genitalabschneidern prinzipiell im keim zu ersticken versuchen.

vor etwa 5 jahren unterbreitete raketennordlicht diesen gruppen einen konkreten und valablen vorschlag, wie öffentlich-strafrechtlich gegen verstümmler vergegangen werden kann (was gegenüber zivilrechtsklagen verschiedene vorteile hat: z.b. sind anzeigen kostenlos).

nur auf den ersten blick ironisch #4: der vorschlag verschwand sogleich im giftschrank, raketennordlicht wurde dafür runtergemacht und aus dem forum geschmissen (wenn ich richtig informiert bin gleich aus beiden).

nicht zuletzt auf betreiben massgeblicher heute noch aktiver kader oben erwähnter organisationen.

und nach dem heute noch gültigen muster, sobald wer in ihrem umfeld nur schon medizyner und ihre taten konkret und öffentlich beim namen nennen will – geschweige denn konkret gegen sie vorgehen.

nur auf den ersten blick ironisch #5: worin sich diese "elefantenrundenbesserzwitter" sich scheinbar mit den "identenbesserzwittern" einig sind, die bisher ebenfalls jede konkrete auseinandersetzung mit den genitalabschneidern und ihren helfershelfern inkl. "patienteninitiativen" scheuen wie der teufel das weihwasser.

(gelegentlich auf blabla-podien und an der uni mit medizynern "über gender reden" und insbesondere über "die abschaffung des geschlechtereintrags" ist m.e. KEINE konkrete auseinandersetzung mit den täterInnen – erst recht, wenn mensch sich dafür anschliessend noch von mittäter-politikerInnen als feigenblatt vorschieben lässt, wie kürzlich z.b. tgnb/triq/ivim vom berliner senat.)

nachtrag: ganze 2 zwitter hatten den mut, letzten september in potsdam öffentlich gegen die genitalabschneider hinzustehen, nämlich nella und x.y.z.

nur auf den ersten blick ironisch #6: beide wurden von "besserzwitteridenten" anschliessend auf dem hermaphroditforum massiv gemobbt.

x.y.z. wurde mehrfach unterstellt/angespielt, sie sei geistig nicht ganz zurechnungsfähig, auch von einer moderatorin (inzwischen in den geschlossenen bereich verschoben); nella wurde gar geraten, sie solle, statt in den medien die ihr zugefügten verstümmelungen anzuklagen, besser ihre "Geschichte" auf einer sadomaso-pornopage "erzählen".

beides geschah, ohne dass weder die moderator_innen noch sonstige user_innen dagegen aufstanden, stattdessen zogen sich darauf praktisch alle ausser der "identenfraktion" stillschweigend zurück, und die "identenfraktion" beansprucht seither das forum praktisch für sich allein und fühlt sich offensichtlich wohl dabei.

-----------------

übrigens, bemerkenswertes "detail" zu christianes prozess:

wenn die einen und die anderen der oben erwähnten gruppen und organisationen die wichtigkeit der unterstützung konkreter juristischer kämpfe bewusst wäre, und hätten diese von ihren jährlichen krankenkassengeldern und gendersubventionen jeweils etwas dafür zur seite gelegt, hätte christianes zwangsoperateur 250'000 euro schadenersatz hinblättern müssen statt "nur" 100'000.–.

wie christiane völling in ihrem gelungenen buch beschreibt, hatte ihr anwalt georg groth ihr ursprünglich geraten, prof. dr. l. auf 250'000.– zu verklagen, was sie schlussendlich vom landgericht wohl auch bekommen hätte.

leider konnte sie aber prof. dr. l. nicht auf 250'000.– verklagen, da es ihr nirgends möglich war, das für die höhere streitsumme zusätzlich notwendige geld zu leihen zwecks hinterlegung beim gericht als voraussetzung für die klageeinreichung.

aus diesem grund verklagte sie prof. dr. l. schliesslich nur auf 100'000. –.

die dazu notwendige (niedrigere) kaution schoss ihr anwalt groth aus eigener tasche vor.

andernfalls wäre auch christianes zwangsoperateur gratis und ungeschoren davongekommen – wegen verjährung.

wie bisher alle anderen genitalverstümmler vor und nach ihm ...