"Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" - Medizynerverbände DGKJ/DGKED/DGE: AWMF-Verstümmlerleitlinie 027/047 "Adrenogenitales Syndrom (AGS/CAH)" (2010)

>>> Aktion & Offener Brief zur "Ja-Ped 2010" (DGKED), Augsburg 5.11.10

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Dieselben Genitalabschneider-Standesorganisationen, die schon für die ethisch fragwürdige und dafür verschiedentlich öffentlich kritisierte AWMF-Verstümmlerleitlinie 027/022 "Störungen der Geschlechtsentwicklung" verantwortlich zeichen, nämlich die "Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ)", die "Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie (APE)" (mittlerweile umbenannt in "Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED)") und die "Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)", lassen in ihrer neuesten, im Januar 2010 in Kraft gesetzten Leitlinie 027/047 "Adrenogenitales Syndrom" ihre Maske fallen und verzichten kurzerhand auf jegliche ethischen Einwände oder sonstige Bedenken. Sondern fordern unverfroren medizinisch nicht notwendige, menschenrechtswidrige "Genitalkorrekturoperationen" an Kleinstkindern "auf Teufel komm raus".

Auch betreffend der unethischen pränatalen Dexamethason-Zwangstherapien haben die Medizynerverbände laut der vorliegenden Leitlinie immer noch nichts dazu gelernt.

Wiederum dieselben Genitalabschneider-Verbände haben zudem auf Januar 2011 eine weitere AWMF-Verstümmler-Leitlinie 027/029 "Hypospadie" angekündigt – das nächste ethische und menschenrechtliche Medizyner-Totalversagen scheint vorprogrammiert ...

Während die "DSD"-Leitlinie 027/022 noch den äusserlichen Schein zu wahren versuchte, indem Ethikgrundsätze erwähnt wurden (wenn auch nur als Feigenblatt zum Weiterverstümmeln), und zum ersten Mal auch Eltern-Selbsthilfegruppen mit zum Teil (auch) emanzipatorischen Ansprüchen konsultiert wurden und Bemerkungen beisteuern konnten, verzichtet die >>> neue AWMF-Verstümmlerleitlinie 027/047 "Adrenogenitales Syndrom" (PDF) von vornherein auf solchen Schnickschnack.

Sondern propagiert für Kinder mit "CAH/AGS" medizinisch nicht notwendige Genitalverstümmelungen im Säuglingsalter ohne Wenn und Aber als kommentarlose Selbstverständlichkeit – obwohl für die angebliche "Wirksamkeit" der verstümmelnden Zwangsoperationen nach wie vor keine klinischen Beweise vorliegen (fehlende Evidenz), und auch die vorliegende Leitlinie auf der untersten Entwicklungsstufe 1 steht:

Operative Therapie

Genitalkorrekturoperationen durch erfahrene Kinderchirurgen/-urologen/-gynäkologen. Die chirurgische Korrektur umfasst die Klitorisreduktionsplastik unter Schonung des Gefäß-Nervenbündels, die Labienplastik und die Vaginalerweiterungsplastik. In der Regel wird die Operation in Deutschland im ersten Lebensjahr durchgeführt.

Damit stellen die Genitalabschneider einmal mehr klar, dass sie ungehemmt und rücksichtslos weiterverstümmeln, und dass all ihre schönen, gegenteiligen Lippenbekenntnisse lediglich Fassade und Ablenkungsmanöver darstellen, um berechtigte und begründete Kritik und Bedenken zum Verstummen zu bringen.

So behauptete z.B. der APE-Endokrinologe Prof. Gernot Sinnecker ("Netzwerk DSD/Intersexualität") als Reaktion auf öffentliche Kritik von Zwischengeschlecht.org im Namen der DGKJ vor wenigen Wochen unverfroren:

„Heute“, sagt Sinnecker, „steht die Selbstbestimmung des Kindes an oberster Stelle.“ Man habe ein Ethik-Papier verabschiedet, gemeinsam mit Ärzten, Psychologen und Betroffenen. „Jede Operation, die vermeidbar ist, wird verschoben auf den Zeitpunkt, an dem Betroffene selbst entscheiden können.“ Lediglich medizinisch notwendige Eingriffe würden vorgenommen.

Wie's mit diesen schönen Lügen in der Realität aussieht, offenbart z.B. die vorliegende Verstümmler-Leitlinie 027/042 ...

Ebenfalls noch nicht wirklich dazugelernt haben die verantwortlichen Medizyner und ihre Verbände betreffend der von namhaften EthikerInnen wiederholt kritisierten pränatalen Dexamethason-Hormonzwangsbehandlungen. Zwar hält die Leitlinie hier immerhin fest, dass es sich dabei (wie übrigens auch bei den Genital-ZwangsOPs) "nach wie vor [um] eine experimentelle Therapie" handelt, die nur "im Rahmen kontrollierter Studien durchgeführt werden [sollte]".

Zwar beklagt sich der erstgenannte Autor der Leitlinie, Prof. Dr. H.G. Dörr, Kinder- und Jugendklinik der Universität Erlangen, an anderer Stelle selber über die Unverbindlichkeit der Erfassungsanforderungen, sowie dass sich seit deren Einführung im Jahr 1990 nach wie vor die wenigsten Medizyner sich um solche Kinkerlitzchen bekümmern:

Das Ausfüllen der Fragebögen erfolgt auf freiwilliger Basis. [...] Leider muss man somit feststellen, dass die Fragebögen nahezu nie komplett ausgefüllt zurückgeschickt werden [...]. Aufgrund der derzeit bestehenden Strukturen besteht jedoch keine Möglichkeit, gezielt nach den fehlenden Daten nachzufragen.[...] Man muss allerdings davon ausgehen, dass die dokumentierten Fälle in der Datenbank nur einen Teil der tatsächlich pränatal behandelten Fälle in Deutschland darstellen. Zum Beispiel wurden für das Jahr 1999 nur 2 Fälle und für das Jahr 2000 überhaupt kein Fall dokumentiert.

Trotzdem belässt es die von Prof. Dr. H.-G. Dörr mitverantwortete AWMF-Leitlinie 027/042 es wie gehabt bei unverbindlichen Empfehlungen ("sollte") – und lässt eigenmächtig "experimentierende" Medizyner dies weiterhin unkontrolliert tun, ohne dass sie für ihre menschenrechtswidrigen Humanexperimente je irgendwelchen Konsequenzen zu vergegenwärtigen hätten:

Pränatale Therapie

Die pränatale AGS-Therapie ist nach wie vor eine experimentelle Therapie. Sie sollte im Rahmen kontrollierter Studien durchgeführt werden (zentrale Datenerfassung für die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie über Prof. Dr. H.G. Dörr, Kinder- und Jugendklinik der Universität Erlangen).

Fakt bleibt, solche unkontrollierten Menschenversuche verstossen seit den Nürnberger Tribunalen gegen eine ganze Reihe von Vorschriften, Gesetzen und internationalen Abkommen. Was die Genitalabschneider und ihre Organsiationen DGKJ, APE und DGE offensichtlich unverändert vorsätzlich missachten ...

Verbindlich geregelter Zugang zu psychologischer und sozialpädagogischer Unterstützung ist auch in der neuen Leitlinie kein Thema, geschweige denn die von allen Betroffenen einhellig immer wieder betonte Wichtigkeit von Zugang zu Peer Support (Selbsthilfegruppen). Zwar erwähnt die Leitlinie im letzten Satz:

"Wichtig ist, dass sich das behandelnde Team der potentiellen psychologischen Problematik bewusst ist und für die Bearbeitung der Probleme ein hierin erfahrener Psychologe zur Verfügung steht."

Dies bezieht sich aber laut Leitlinie ausschliesslich auf die "Transition in die Erwachsenenmedizin und Prognose" bzw. auf "Probleme mit der Geschlechtsidentität", sprich erst ab der Pubertät. Und mutet zudem stark zynisch an, da interne Erhebungen der APE sowie Äusserungen Verantwortlicher in den "Grossen Behandlungszentren" seit Jahren klarstellen, dass adäquate psychologische Unterstützung nach wie vor faktisch inexistent ist (von adäquater sozialpädagogischer Unterstützung und garantiertem Zugang zu Peer Support ganz zu schweigen).

Dass dieselben Genitalabschneider-Standesverbände auf Anfang 2011 weiter eine >>> neue AWMF-Leitline 027-029 "Hypospadie" in Aussicht stellen, lässt wiederum das Schlimmste befürchten ...

Fazit: Freiwillig werden sie auch weiterhin nicht mit dem Verstümmeln aufhören ...

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Siehe auch:
- "Ethik als Freifahrtschein, an die Eltern eine ohnehin schon feststehende Entscheidung abzudelegieren" - Claudia Wiesemann, Forum Bioethik 23.6.10
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung 
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation"  – Dr. med. Jörg Woweries
- Das Medizynermärchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben"
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte"
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- Universitätsklinikum Heidelberg: Genitale Zwangsoperationen im Angebot 
- Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an Kindern
- Göttingen / Lübeck: Direktor Rolf-Hermann Ringert und Oberarzt Dominique Finas propagieren genitale Zwangsoperationen an Zwittern
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Genitale Zwangsoperationen: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Proteste gegen Genitalverstümmelung in Kinderkliniken (DGKJ 2010)
- Nov. 2010: Proteste gegen Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken und als "Rohmaterial" für die Geschlechterforschung (APE-AGPD 2010, 11th EMBL/EMBO)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?