Bundestags-Antrag "Rechte intersexueller Menschen stärken" - SPD nimmt Forderungen der Betroffenen ernst
By seelenlos on Thursday, April 25 2013, 15:06 - Forderungen - Permalink
Noch einer geht doch! Abgeordnete der SPD haben einen sensationellen >>> Antrag "Rechte von intersexuellen Menschen stärken" (Drucks. 17/13253, PDF) eingereicht, der über weite Strecken mit den viel gelobten, kürzlichen Anträgen von Grünen und die Linke übereinstimmt (und zufällig mit gleichem Datum wie die gestrige Rechtsausschuss-Anhörung zur (weiblichen) Genitalverstümmelung).
Dafür an alle Beteiligten ein ganz herzliches Dankeschön!
Mit enthalten sind auch bei der SPD die zentralen Forderungen der Betroffenen nach einem gesetzlichen Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Betroffenen, unbürokratischem Personenstanswechsel für erwachsene Betroffene und nach historischer Aufarbeitung!
Unterschiede auf den ersten Blick zu den vorherigen Anträgen 17/12851 und 17/12859 ist das Fehlen einer expliziten Forderung nach Entschädigung sowie nach einem zusätzlichen Dritten Personenstandseintrag, neu ist beim SPD-Antrag die zusätzliche Forderung nach umgehender Präzisierung der von Betroffenenverbänden kritisierten Personenstandsneuregelung (§22 PStG).
1. Nachtrag: Ebenso ist beim SPD-Antrag neu, worauf Das Ende des Sex hinweist, dass die Forderung nach einem Verbot der Genitalverstümmelungen expliziter formuliert ist: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher dazu auf, sicherzustellen, dass geschlechtszuweisende und -anpassende Operationen an minderjährigen intersexuellen Menschen vor deren Einwilligungsfähigkeit verboten werden.“ (Bei den Anträgen von Linke und Grüne hatte es noch abschwächend geheissen: „[...] vor deren Einwilligungsfähigkeit grundsätzlich verboten werden.“)
Meine 2 Cent:
Natürlich ist die Auslassung der Forderung nach Reparationen, wie sie von Betroffenen seit in Deutschland seit mindestens 13 Jahren konkret aufgestelt wird – vgl. Michel Reiter (--> "Ziele organisierter Intersexen") und Georg Klauda (--> "Agenda der KritikerInnen dieser Praxis", 3.) –, schmerzlich. Realpolitisch macht sie in Verbindung mit der expliziteren Formulierung eines Verbots und gleichzeitigem Verzicht auf Personenstandsforderungen durchaus Sinn:
- Ein Verbot ist das wichtigste unmittelbare Ziel, um endlich weitere Verstümmelungen und damit zusätzliches ungeheuerliches und lebenslanges Leid für weitere wehrlose Kinder endlich wirksam zu verhindern. Nicht umsonst ist dies sein 20 Jahren die klare Hauptforderung der Betroffenen, die es als erstes dringend unzusetzen gilt. Je mehr zusätzliche orderungen aber damit in ein Paket geschnürt werden, desto schwieriger kann das werden.
- Ein Verbot ist gleichzeitig das wirklsamste Mittel, ein öffentliches Bewsstsein über das Unrecht der Intersex-Genitalverstümmelungen zu fördern. Die Diskussion um Entschädigung kann zu einem späteren Zeitpunkt gut daran anknüpfen. Die allermeisten erwachsenen Betroffenen stufen es ebenfalls als wichtiger ein, zunächst einmal neues Leid zu verhindern.
- Personenstandsforderungen sind eine andere Bühne und nur für relativ wenige Betroffene ein zentrales Thema. Die wichtigste diesbezügliche Forderung nach unbürokratischem späterer Geschlechtseintragsberichtigung für Betroffene, die sich mit dem ihnen zugewisesenen Geschlecht nicht identifizieren, ist zudem auch im SPD-Antrag enthalten. Weiterführende "Grosse Personsenstadsrevolutionen" wie grundsätzliche "Aufweichung" oder Abchaffug des Personenstands, bei denen es in erster Linie nicht um die Betroffenen geht, und womöglich gar noch auf Kosten der heute und morgen von Verstümmelung akut gefährdeten, mit den unmittelbaren Hauptforderungen der Betroffenen zu veknüpfen ist ist zudem nicht fair. Und kann für Betroffene erst noch negative Folgen haben, wie etwa die unglückselige §22 PStG-Geschichte zeigt. Gut deshalb, dass der SPD-Antrag hierzu pragmatisch Nachbesserung fordert.
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