Heute im Bundestag: Genitalverstümmelung inkl. "Intersexualität" im Rechtsausschuss
By seelenlos on Wednesday, April 24 2013, 03:07 - Forderungen - Permalink
Seit 20 Jahren klagen Betroffene von kosmetischen "Genitalkorrekturen" im Kindesalter diese als "Westliche Form der Genitalverstümmelung" öffentlich an.
FGM-ExpertInnen, HistorikerInnen, JuristInnen, klinische PsychologInnen, ja sogar die GenitalabschneiderInnen selbst bestätigen diese Wahrnehmung.
Die Bundesregierung hat dazu bis heute "noch keine abgeschlossene Meinung".
Dass die "weibliche Genitalverstümmelung in Afrika" fraglos eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellt, streitet mittlerweile keine Fraktion mehr öffentlich ab, ebensowenig die Bundesregierung. Auch die Problematik der vorzeitigen Verjährung sowie fehlende Strafbarkeit von Taten im Ausland sind offiziell längst anerkannt.
Eile scheint bei der "afrikanischen Verstümmelung" trotzdem keine angesagt: Sage und schreibe seit 2010 sitzt der Bundestag auf konkreten Vorschlägen von SPD, Grünen und Bundesrat und schiebt eine Diskussion zum Thema vor sich her.
Heute kommt es nun um 11 Uhr immerhin schon mal zu einer Anhörung im Rechtsausschuss. Dazu sind 9 (soweit namentlich bekannt auschließlich männliche) "Sachverständige" geladen, bei 7 davon sind die Stellungnahmen bereits online.
Diejenige von PD Dr. Edward Schramm (Lehrstuhl für Deutsches und Internationales Straf- und Strafprozessrecht, Friedrich-Schiller-Universität Jena – in deren Universitäts-Kinderklinik bis auf den heutigen Tag regelmäßig wehrlose Kinder verstümmelt werden!) berücksichtigt auf den Seiten 25-26 gar "Intersexualität".
Soweit, so positiv und begrüßenswert. Was Schramm dann inhaltlich zum Begriff absondert, ist leider faktenwidrig bis hoffnungslos verquast.
Einmal mehr werden medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen einzig auf "geschlächztheoretische Doppelsaltos" reduziert betrachtet (der Ethikrat lässt grüßen). Was bei Schramm u.a. in der messerscharfen Behauptung gipfelt, Intersex-Genitalverstümmelungen seien nur welche, wenn dabei das betroffene Kind "in einem Mann umgewandelt" werde – Klitorisamputation oder "die Verwandlung eines doppelgeschlechtlichen Menschen zu einer Person weiblichen Geschlechts, d.h. das Abschneiden des Penis und der Hoden" stelle dagegen juristisch keine Genitalverstümmelung dar, weshalb Eltern hier zur stellvertretenden Einwilligung durchaus berechtigt seien.
Tolmein, Plett, Matt u.v.a.m. waren da schon mal weiter ...
Dass Experte Schramm in seiner Einführung zum Thema einerseits zwar explizit auf die verhängnisvolle westliche Tradition von Klitorisamputationen an Kindern als "Heilmittel" gegen a) Masturbation und b) Hysterie verweist, aber andrerseits die mit Abstand am längsten praktizierte Diagnose c) "zu große Klitoris" kommentarlos auslässt (bzw. unter "andere sog. 'weibliche Störungen'" subsummiert), und sich dabei ausgerechnet auf die Dissertation von Marion Hulverscheidt beruft (die Propagierung und Durchführung von kosmetischen Klitorisamputationen an Kindern mit Diagnose c) klipp und klar nachweist, u.a. durch die Berliner Charité), unterstreicht weiter den weltfremden und praxisfernen Ansatz. Ebenso verräterische Stilblüten von der dreifaltigen "geistig-seelischen-hirnorganischen Geschlechtsidentität" – wäre ja noch schöner, wenn der freie Wille und die freie Entscheidung der Betroffenen mehr als 100 Jahre nach dem Ende des vergleichsweise fortschrittlichen "Zwitterparagraphen" im Allgemeinen Preußischen Landrecht plötzlich erneut hochgehalten würden ...
Es ist noch ein weiter Weg ...
(Bild: Heidi Walcutt an einer Aktion von "Hermaphrodites with Attitude", 1997)
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