Malta > Gesetzesentwurf der Regierung will IGM-Praktiken verbieten, unterstreicht Recht auf köperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung
By seelenlos on Wednesday, December 31 2014, 21:16 - Forderungen - Permalink
Am 3. Intersex-Forum 2013 in Malta kam es zu einem Dialog mit Ministerin Helena Dalli,
wobei Zwischengeschlecht.org mit Statistiken belegte, dass auch in Malta Intersex-Kinder
medizinisch diagnostiziert und "behandelt" werden, u.a. wegen "Indeterminate Sex"
und "Hypopapdie". Im Bild ganz rechts, 3. von unten: Silvan Agius.
Ein von der Maltesischen Ministerin für sozialen Dialog und zivile Freiheiten, Helena Dalli (siehe Bild unten) vorgestellter
>>> Gesetzesentwurf (PDF, englisch) bringt Malta in eine Spitzenposition im laufenden Rennen darum, welches Land als erstes IGM-Praktiken verbieten wird (vgl. weitere aktuelle gesetzgeberische Bestrebungen in Kenia und Deutschland).
Dies ist das allererste Mal überhaupt, dass irgendwo von Regierungsseite ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt wurde! Der Entwurf befindet sich aktuell in der Vernehmlassungsauswertung bzw. Beratung. Wir drücken die Daumen!
Zwar ist im Entwurf des "Gender Identity, Gender Expression And Sex Characteristics Act (GIGESC)" (>>> Homepage des Ministeriums), in der Öffentlichkeit gehandelt als "Gender Identity Act" (>>> Malta Today, englisch), der Begriff "Intersex" pikanterweise gar nicht enthalten. Jedoch schützt der Entwurf explizit "körperliche Geschlechtsmerkmale" (inkl. als Diskriminationsgrund), definiert als "chromosomale, gonadale und anatomische Eigenschaften einer Person, einschließlich primäre Merkmale wie Fortplanzungsorgane und Genitalien, oder in chromosomalen Strukturen und Hormonen; und sekundäre Merkmale wie Muskelmasse, Haarverteilung, Brüste und Gestalt" (Abs. 2).
Und der Entwurf unterstreicht ausdrücklich das "Recht auf körperliche Unversehrtheit und physische Selbstbestimmung" für "alle Personen" (Art. 3.1.d), unter Art. 15 weiter ausgeführt wie folgt:
15. (1) Es soll für Mediziner und andere Berufsgattungen nicht rechtmäßig sein, geschlechtszuweisende Behandlungen und/oder chirurgische Eingriffe an körperlichen Geschlechtsmerkmalen von Minderjährigen durchzuführen, wenn Behandlungen oder Eingriffe aufgeschoben werden können, bis die zu behandlende Person ihre informierte Einwilligung geben kann.
(2) In Ausnahmesituationen soll eine Behandlung durchgeführt werden können, wenn eine Übereinstimmung besteht zwischen dem Interdisziplinären Team und den Personen, die das elterliche Sorgerecht ausüben für die minderjährige Person, die noch einwilligungsunfähig ist:
Unter der Bedingung, dass medizinische Eingriffe, die durch soziale Faktoren motiviert sind ohne die Einwilligung der betroffenen Person, eine Verletzung dieses Gesetzes darstellen.
(Bild: Ministerin Helena Dalli, sowie zu ihrer Linken Silvan Agius, bis Ende 2013 ILGA Policy Director und heutiger Berater der Ministerin. Quelle.) Weiter ist vorgesehen, dass die Ministerin nach Konsultation mit dem Gesundheitsminister eine Arbeitsgruppe einberuft, die innerhalb eines Jahres Empfehlungen für eine Überarbeitung bestehender medizinischer Leitlinien formuliert unter Berücksichtigung der gegenwärtigen besten medizinischen Praxis und Menschenrechtsstandards (Art. 17), und soll der Zugang zu psychosozialer Beratung gewährleistet sein (Art. 16). Kern des Entwurfs ist außerdem "das Recht auf eine Geschlechtsidentität für alle Personen" (Art. 3) sowie eine Änderung des Geschlechtseintrags durch eine schriftliche Willensbekundung der betroffenen Person (Art. 4-5).
Lob gab's für den Entwurf u.a. von OII EU, OII AU, OII UK und Inter/Act Youth (alle englisch).
Meine 2 Cent: Sollte dieser Gesetzesentwurf innert nützlicher Frist so durchkommen, wäre Malta das erste Land, das IGM-Praktiken gesetzlich verbietet. Dafür von diesem Blog ein Herzliches Dankeschön an alle Beteiligten, insbesondere an die Ministerin Helena Dalli und ihren Human Rights policy coordinator Silvan Agius!
Trotzdem bleiben im vorliegenden Entwurf einige Schlupflöcher: Z.B. könnten OP-wütige MedizynerInnen (und Eltern) immer noch Kinder etwa nach Italien zum Verstümmeln überweisen, und könnten VerstümmlerInnen aufgrund der gängigen Verjährungsbestimmungen weiterhin in den allermeisten Fällen wohl kaum je belangt werden, zumal der Entwurf auch keine Sanktionen vorsieht.
Fazit: Es ist noch ein weiter Weg – doch auch der weiteste beginnt mit einem ersten konkreten Schritt – und aktuell hat Malta diesbezüglich die Nase vorn!
Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy
2014 NGO Report an das UN-Kinderrechtekomitee (CRC) (englisch)
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A
>>> Download PDF (3.65 MB) >>> Table of Contents
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben