Genf > UN-Ausschuss gegen Folter befragt Dänemark zu Intersex-Genitalverstümmelungen – Vertragsstaat streitet dreist alles ab zum 2.!

Ditte Dyreborg (Dänische Intersex-Vertreterin), Daniela Truffer, Markus Bauer (StopIGM.org),
Small Luk (BBKCI Hong Kong) nach dem Intersex-NGO-Briefing, Palais Wilson 13.11.2015

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STOP Intersex Genital Mutilation!Zwischengeschlecht.org on FacebookDänemark ist das 2. Land, das vom UN-Ausschuss gegen Folter während dessen 56. Session zu IGM-Praktiken befragt wurde (nach Österreich und vor Hong Kong + China + Macau).

StopIGM.org berichtete live von den Verhandlungen am Mo 16. November 10–13h + Di 17. November 15–18h. Nachfolgend ein zusammenfassendes Protokoll der Fragen und (Nicht-) Antworten zu Intersex. (Original-Wortprotokoll auf englisch hier.)

1. Sitzung: Montag 16. November 2015

Mo 10:58h: Sapana Pradhan-Malla, Länder-Co-Berichterstatterin des Ausschusses für Dänemark, bringt IGM-Praktiken zur Sprache! YAY!!

Der Ausschuss sei besorgt über die Situation von Intersex-Menschen, die  im Gesundheitswesen unmenschlichen und entwürdigenden Behandlungen unterworfen werden, namentlich sog. "Korrekturoperationen" an Kindern mit "atypischen" Genitalien. Dabei handle es sich um irreversible Eingriffe, welche insbesondere ihr Recht auf Freiheit vor uneingewilligten Behandlungen betreffen. Welche Schritte unternimmt der Vertragsstaat dagegen?

2. Sitzung: Dienstag 17. November 2015

Di 15:58h: Jetzt kommt die Antwort zu Intersex – der Vertraggstaat streitet (einmal mehr) rundheraus alles ab!

Pernille Skafte vom Ministerium für Gesundheit:

In Dänemark werde das Geschlecht eines Kinder bei der Geburt durch anwesendes medizinisches Personal anhand der äußeren Genitalien bestimmt. In seltenen Zweifelsfällen erfolgten weitere Abklärungen durch PädiaterInnen anhand der äußeren und inneren Geschlechtsorgane, immer in engem Dialog mit den Eltern.

Während dieser Begutachtung werde das Kind durch spezialisierte PädiaterInnen beobachtet. In Dänemark sei dies und das weitere Vorgehen als spezialisierte medizinische Behandlung durch den von den Gesundheitsbehörden herausgegebenen Masterplan für spezialisierte Kliniken geregelt.

In Dänemark könnten medizinische Behandlungen nur mit informierter Zustimmung durchgeführt werden, das Mindestalter dazu betrage 15 Jahre. Bei jüngeren Kindern würde diese Einwilligung von den Erziehungsberechtigten erteilt. Intersex-Behandlungen an Kindern unter 15 Jahren würden immer in engem Dialog mit den Eltern und in Übereinstimmung mit deren und/oder den Wünschen des Kindes vorgenommen.

Das dänische Gesundheitsministerium verfüge über keinerlei Daten, die darauf hinweisen würden, dass Intersex-Behandlungen gegen den Willen des Kindes und der Eltern stattfänden.

Di 16:58h: Länder-Co-Berichterstatterin Pradhan-Malla hakt nach betreffend Intersex, hebt unmenschliche Behandlung hervor. Lobt Dänemark für führende Rolle bei LGBTI-Rechten (oder eigentlich eher LGB- oder LGBT-Rechten), und fährt fort:

Betreffend der geäußerten Bedenken betreffend unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung von Intersex-Menschen, spezifisch Behandlungen, an betroffenenen Personen ohne ihre freie und informierte Zustimmung durchgeführt oder ihnen aufgezwungen werden, welche Maßnahmen hat der Vertragsstaat unternommen oder geplant, um das Recht der Betroffenen auf freie Entscheidung bei Volljährigkeit zu schützen?

Di 17:31h: Der Delegationsleiter gibt den weiteren Ablauf für die offenstehenden Fragen bekannt, erwähnt Intersex zuletzt: "Und dann waren zum Abschluss Fragen zu Intersex, auf die wir zurückzukommen versuchen werden." Zunächst ist nun das Verteidigungsministerium an der Reihe.

Di 17:47h: Jetzt ist das Justizministrium wieder dran. Es werden aber lediglich die Fragen zu Haft und Psychiatrie beantwortet, danach folgt gleich das Schlusswort des Delegationsleiters. Intersex wurde einfach ausgelassen!

Meine 2 Cent: Rundheraus Abstreiten zum 2. – "keinerlei Daten", wer hätte sowas gedacht?! Dafür Vorreiter in Sachen LGBTI – Beantwortung der 2. Fage daher überflüssig. Überhaupt, "freie und informierte Zustimmung"? Für Intersex-Kinder? In Dänemark? Soll wohl ein Scherz sein?  Und die gute Nachricht: Solch arrogante (Nicht-)Antworten sind gewöhnlich ein gutes Rezept für besonders starke "Abschließende Bemerkungen"  – für Dänemark im Dezember fällig. Fortsetzung folgt ... 

>>> Englische UN-Medienmitteilung zur Sitzung, erwähnt Intersex
>>> Französische UN-Medienmitteilung zur Sitzung, erwähnt Intersex NICHT

>>> CAT 2015 Thematischer Intersex-NGO-Bericht Dänemark | PDF
>>>
CAT 2015 Thematischer Intersex-NGO-Bericht Hongkong + China | PDF

>>> CAT #56 untersucht IGM-Praktiken in Österreich
>>> CAT #56 untersucht IGM-Praktiken in Hong Kong + China + Macau

Siehe auch:
"Schädliche Praxis" und "Gewalt": UN-Kinderrechtsausschuss (CRC) verurteilt IGM
- "Unmenschliche Behandlung": UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) verurteilt IGM
- UN-Menschenrechtsausschuss (HRCttee) untersucht IGM-Praktiken
- "Nur die Angst vor dem Richter wird meine Kollegen dazu bringen, ihre Praxis zu ändern" 
- CAT 2011: Deutschland soll IGM-Praktiken untersuchen und Überlebende entschädigen

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen