Intersexuelle enttäuscht vom Ethikrat – "kein Handlungsbedarf" bei Genitalverstümmelung?!

>>> 1. Zwitter Demo Landgericht Köln 12.12.2007

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PRESSEMITTEILUNG von Zwischengeschlecht.org vom 15.7.2010

Tag für Tag wird in Deutschlands Kinderkliniken mindestens ein wehrloses Kleinkind irreversibel chirurgisch genitalverstümmelt.

Seit 14 Jahren gibt es als Reaktion auf die öffentlichen Klagen überlebender Erwachsener alle Jahre wieder ExpertInnenrunden, Fachgespräche, Foren, Publikationen, Absichtserklärungen, Versprechungen, Vertröstungen – während die Täter unbehelligt weiterverstümmeln.

Zahllose genitalverstümmelte "Intersexuelle", Hermaphroditen oder Zwitter und ihre Organsiationen setzten grosse Hoffnungen auf den Deutschen Ethikrat, als er nach Jahre langen Anfragen versprach, die Anliegen der Überlebenden an seinem "Forum Bioethik" vom 23.6.10 endlich aufzugreifen.

Diese Hoffnungen bewahrheiteten sich leider nicht: Nach einer Plenarsitzung am Folgetag des Forums gab der Ethikrat bekannt, er habe mit der Ermöglichung der Veranstaltung seine Schuldigkeit getan und sehe aktuell keinen weiteren Handlungsbedarf – die Genitalabschneider danken.

Die konkreten Taten der Verstümmler und deren Folgen mochte der Ethikrat auch nach der Veranstaltung nicht beim Namen nennen, ja noch nicht einmal die Tatsache, dass es um chirurgische Eingriffe an Genitalien von Kleinkindern geht.

Noch in der anschliessenden Pressmitteilung frönte der Deutsche Ethikrat der Tätersprache; statt dem zentralen Anliegen der Überlebenden nach Beendigung der Verstümmelungen stellte er weiterhin schwulenpolitische Forderungen dritter Interessegruppen ins Zentrum.

Intersexuelle und ihre Interessegruppen verurteilten die Untätigkeit des Deutschen Ethikrates einhellig und zeigten sich enttäuscht vom tatenlosen Ausgang ihrer Bemühungen.

Intersexuelle Menschen e.V. hat dem Ethikrat gegenüber schriftlich sein "Bedauern darüber ausgedrückt, dass es den Vortragenenen offenbar nicht gelungen ist, die Dringlichkeit der Belange deutlich zu machen", wie der Verein auf seiner Homepage mitteilt.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org hatte schon am "Forum Bioethik" in einem Diskussionsvotum kritisiert, der Deutsche Ethikrat wie auch die ebenfalls am Forum vertretene "Arbeitsgruppe Ethik" der Medizinerinteressengruppe "Netzwerk Intersexualität/DSD" würden bei den Genitalverstümmelungen beide "nur zuschauen", dies sei untragbar und "Ethik als Feigenblatt".

Der Ethikrat selbst nimmt's weiterhin gemächlich: Auch drei Wochen nach dem "Forum Bioethik" sind noch nicht einmal die Hälfte der versprochenen Wortprotokolle zur Veranstaltung online.

Hintergrundinformationen: http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot kosmetischer Genitaloperationen an Kindern und "Menschenrechte auch für Zwitter!".


Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Intersex.ch
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 23.6.10
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 22.6.10

>>> "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org am "Forum Bioethik" 23.6.10
>>> "Ethik als Freifahrtschein, an die Eltern eine ohnehin schon feststehende Entscheidung abzudelegieren" - Claudia Wiesemann, Forum Bioethik 23.6.10
>>> Pressemitteilung des Deutschen Ethikrates vom 25.6.10
>>> Veranstaltung des Ethikrates in Berlin 23.6.10
>>> (Audio-)Protokolle --> zu unterst     >>> Beitrag von Konstanze Plett (mp3, 19,3MB)
--> Diskussion zum "Forum Bioethik" auf dem Hermaphroditforum
--> Bayerischer Rundfunk   --> Tagesspiegel   --> Deutschlandradio   --> e-politik 

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Siehe auch:
- Amnesty: Zwangsoperationen "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit
- Genitalverstümmelungen an Zwittern gleich schädlich wie weibliche Genitalverstümmelung - Terre des Femmes, 2004
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Hanny Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal", 2003)
- "Die Macht der Tabus" - Konstanze Plett über Genitalverstümmelung, amnesty journal 03/08
- Bundesregierung und Ethikrat: Genitalverstümmelungen an Zwitterkindern in Diskussion mit aufnehmen und handeln - Marion Böker
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg  
- USA: Seriengenitalverstümmler Prof. Dr. Dix Phillip Poppas von Ethikerinnen geoutet
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Genitale Zwangsoperationen: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert

Published on Thursday, July 15 2010 by nella