Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Kleiner Lichtblick zwischendurch (III)

>>> Nachtrag

Im Durchschnitt JEDE WOCHE einmal wurde in den letzten 7 Monaten ein offizielles Bundestagsdokument produziert, in welchem das Wort "intersexuell" vereinnahmend benutzt wurde, um die Anliegen und Forderungen Dritter voranzutreiben – NIE ging es dabei konkret um die Zwitter, geschweige denn um die Beendigung der Zwangsoperationen. Und das alles, während gleichzeitig in Deutschland JEDEN TAG mindestens 1 Zwitterkind irreversibel chirurgisch verstümmelt wird.

Um die schnellstmögliche Beendigung der Genitalverstümmelungen gings leider auch letzte Woche noch nicht, als am 1.7.10 anlässlich einer Bundestagsdebatte einmal mehr der Begriff "Intersexualität" fiel und entsprechend Aufnahme ins Sitzungsprotokoll fand (>>> PDF -> S. 5403 (C) = S. 173 (C) innerhalb des PDFs).

Aber für einmal gings zur Abwechslung wenigstens NICHT um "sexuelle Identität", "Aktionspläne gegen Homophobie" oder sonstige LGB(T)-Vereinnahmungsvehikel, sondern immerhin um Ethik bzw. konkret darum, wie ethische Gesichtspunkte im Bundestag besser praktisch einbezogen werden sollen.

Anlass der Debatte war ein Antrag um (erneute) "Einrichtung eines Parlamentarischen Beirats zu Fragen der Ethik (Ethikbeirat)" (DS 17/1806). In seinem Redebeitrag illustrierte René Röspel (SPD), der Erstunterzeichner des Antrags, die Notwendigkeit eines speziellen parlamentarischen Ethikbeirats u.a. wie folgt:

Auch die Möglichkeit, dass die Berichterstatterinnen und Berichterstatter im Forschungsausschuss den Gesprächsfaden zum Ethikrat aufrechterhalten sollen, ist ein nicht tragfähiger Vorschlag, wie schon der Blick auf die aktuellen Themen des Ethikrates zeigt. So fallen die Grenzen der Chimären- und Hybridbildung sicher (auch) in die Kompetenz des Forschungsausschusses. Bei Fragen der Sterbehilfe, der Selbstbestimmung und Demenz oder der Intersexualität sieht dies jedoch schon ganz anders aus. Genau deswegen braucht der Bundestag ein Gremium, welches sich gezielt mit ethischen Streitfeldern und Problemen auseinandersetzt.

Der Antrag wurde letztlich mit "offensichtlich[er]" Mehrheit angenommen bzw. zur Weiterbehandung an nicht weniger als 6 parlamentarische Ausschüsse überwiesen, darunter auch der Rechtsausschuss.

Kommentar: Eine Schwalbenfeder macht noch keinen Frühling, und wie bemerkt ging es auch hier noch nicht einmal um das Hauptanliegen der Zwitter und ihrer Organsisationen oder sonstwie direkt um sie, sondern wie üblich waren "Intersexuelle" einmal mehr lediglich Mittel zum Zweck.

Doch immerhin ging es zur Abwechslung mal um ein Anliegen, das letztlich auch der Beendigung der Zwangsoperationen dereinst dienlich sein könnte, und erst noch um ein mehrheitsfähige Sache – nicht ganz unwesentlich, wenn mensch realpolitisch etwas erreichen will.

Und als ganz grosse Ausnahme wurden "Intersexuelle" dabei wenigstens für einmal nicht für ein weiteres LGB(T)-Sebstzweck-Vehikel missbraucht, das den realen Zwitteranliegen letztlich nichts bringt – ausser massivem politischem Schaden.

Gelichzeitig illustriert dieser Vorgang, dass es für politische Erfolge, und seien sie auch noch so minimal, letztlich Öffentlichkeit braucht, d.h. öffentliches Vorgehen und insbesondere öffentlichen Druck. Hätte es sich nämlich beim "Forum Bioethik" des Deutschen Ethikrates vom 23.6.10, das gut eine Woche vor René Röspels Redebeitrag im Bundestag stattfand, um eine Geheimverhandlung durch den Dienstboteneingang gehandelt, hätte der Abgeordnete Röspel das Stichwort "Intersexualität" kaum in seine Rede eingeflochten ...

Nachtrag: Am 14.7.10 schrieb die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org an, bedankte sich für den Redebeitrag, fragte, ob er über kosmetische Genitaloperationen an Kindern schon informiert sei, und bat um Mithilfe zur Beendigung dieser Menschenrechtsverletzungen.

Siehe auch:
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: "Du sollst den Begriff 'intersexuell' nicht unnütz gebrauchen!" (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert
- Anliegen an den Deutschen Ethikrat 23.6.10