"Projektion oder Solidarität? Vereinnahmung von Intersexen durch LGBTQs" - Diskussion im Café KOZ (Intersex Aktionswoche FFM)

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Filmbild: Hirschfeld operiert mit Blut im GesichtMagnus Hirschfeld, Zwitterverstümmler "für einen guten Zweck"
Darstellung nach Rosa von Praunheim: "Der Einstein des Sex"  >>> Quelle

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

Do 15.11.2012 18h - Vortrag + Diskussion im Cafe KOZ
Mertonstrasse 26-28, Unicampus Bockenheim.
Das KOZ befindet sich im Erdgeschoß des Studierendenhauses.

“Dass sich gerade [Transsexuelle sowie Lesben und Schwule] dieses Themas annehmen, liegt an einem Überschuss von Projektion. Sie sehen nicht, dass ihre Problematik, d. h. die Problematik von Coming-out und gesellschaftlicher Anerkennung, nicht die von Hermaphroditen ist. Sie sehen nicht, dass die ungefragte Adoption von Hermaphroditen durch die Lesben-, Schwulen- und Trans[*]bewegung einer Überrumpelung und Kolonialisierung gleichkommt und moralisch unzulässig ist, weil sie das eigentliche Anliegen von Menschen mit medizinischer Gewalterfahrung überdeckt.” (Georg Klauda, 2002)

Vermehrt Beachtung finden Intersexe vor allem bei Gruppierungen, die das Zweigeschlechtersystem in Frage stellen, so u.a. seit dem 19. Jahrhundert bei Schwulenbewegungen sowie seit 50 Jahren bei feministischen Frauenbewegungen. Diese richten jedoch ihren Blick in der Regel nicht auf die realen, genitalverstümmelten Zwitterkörper, sondern auf ein fiktives Ideal, das ihre eigenen Wunschvorstellungen verkörpert. Dabei setzen sie unhinterfragt voraus, dass alle Zwitter auf Grund ihrer quasi körpergewordenen Aufhebung des Zweigeschlechtersystems ihre Ziele teilen würden, oder adoptieren sie gleich ungefragt als eine Unterabteilung ihrer eigenen Gruppe. Wo sie die Leiden der Zwitter überhaupt behandeln, propagieren sie als Heilmittel wiederum einzig ihr eigenes Anliegen, z.B. die Abschaffung der Geschlechter oder Kampf gegen sexuelle Diskriminierung.

Die meisten Zwitter jedoch verorten sich selbst, ihre Körper, ihr Schicksal, ihr Leiden und ihren Kampf in radikal anderen Diskursen. Sie erleben und verstehen sich als Opfer medizinischer Gewalt, die sie als Menschenrechtsverletzung und Folter erfahren. Den Zwangsoperierten geht es nicht um Identitätspolitiken und Gender-Theorien, ihnen geht es um elementarste, ihnen immer noch vorenthaltene Grundrechte, namentlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung.

Seit Beginn der Zwitterbewegungen in den 1990ern ist deshalb die Behinderung ihres Befreiungskampfes durch Vereinnahmungen dritter Interessengruppen immer wieder ein Thema, und ein weiterer Kritikpunkt die historische Verflechtung und gegenseitige Befruchtung der Diskurse zur Befreiung von LGBT mit den Rechtfertigungs-Diskursen der Zwitter-VerstümmlerInnen.

Der Vortrag will die 150-jährige Geschichte der vereinnahmenden Blicke auf Zwitter durch LGBT aufzeigen und in einer anschließenden Diskussion Möglichkeiten zu praktischer Solidarität einfordern.

Markus Bauer ist Kampagnenverantwortlicher bei Zwischengeschlecht.org und Redakteur des Weblogs Zwischengeschlecht.info. Daniela Truffer ist Gründungsmitglied von Zwischengeschlecht.org und selber Betroffene von kosmetischen Genitaloperationen im Kindesalter.

Nachtrag: Auf Wunsch neu auf Zwischengeschlecht.org unter >>> Downloads:

FOLIEN zur Diskussion: "PROJEKTION ODER SOLIDARITÄT? VEREINNAHMUNG VON INTERSEXEN DURCH LGBTQ", Frankfurt 15.11.2012

>>> Download Folien (PDF, 2.1 MB)

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