Für eine schlagkräftige Zwitter-Lobby JETZT!

selbsterklärender disclaimer: seelenlos ist ein "normaler" XY, meine freundin nella ist der zwitter. ich habe von "intersexualität" überhaupt erst durch sie erfahren und war gelinde gesagt etwas geschockt, obwohl ich mich schon länger z.b. mit polizeigewalt und zensur auseinandersetze, und möchte deshalb zwischengeschlechtliche anliegen und ihre durchsetzung möglichst unterstützen.

Ende März findet das jährliche Treffen in Bad Orb statt, inkl. Mitgliederversammlung des Vereins Intersexuelle Menschen e.V. Nach den durchaus positiven Entwicklungen der letzten Monate (Sieg in erster Instanz für Christiane und der damit verbundene wachsende Druck auf die Mediziner plus die noch nie dagewesene öffentliche Wahrnehmung der Anliegen Zwischengeschlechtlicher, die weiterhin anhält, den Erfolgen gegen die Vereinnahmung von Zwittern durch LGBT u.a. auf Wikipedia, die erfolgreiche Intervention bezüglich des problematischen Filmtitels "XXY", das Eingeständnis der "eklatant hohen Behandlungsunzufriedenheit" Zwangsoperierter in der Nezwerkstudie usw. usf.) höchste Zeit, ein paar Gänge zuzulegen und endlich ernst zu machen mit dem Aufbau einer schlagkräftigen Lobby auch im Sinne einer "Gewerkschaft der Zwangsoperierten"! 2008 kann das Jahr werden, in dem Zwischengeschlechtliche -- nach Jahrzehnte währendem, zunächst erfolglosem Kampf -- endlich erfolgreich begannen, ihre Menschenrechte einzufordern!

Nachfolgend ein paar konkrete Vorschläge, entstanden aus einem Kommentar-Ausschnitt zu einem GenderFreeNation-Blog-Post, der wiederum auf die nach wie vor aktuelle Instrumentalisierungs-Kritik hier auf diesem Blog zurückgeht. Die ersten Abschnitte behandeln Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit mit anderen (Rand-)Gruppen, danach geht's um Strategievorschläge zur Organisierung:

[...] umgekehrt erwarte ich solche bereitschaft zur selbstkritik nun in bezug auf instrumentalisierung sinngemäss aber auch z.b. von allen trans* (und generell lgbt + feministinnen), mit denen ich kontinuierlichen kontakt oder gar punktuelle zusammenarbeit für sinnvoll halte. leider tun sich viele schwer damit, weshalb ich von trans* (und generell lgbt + feministinnen) als (organisierte) gruppen erstmal eine kritische aufarbeitung der vereinnahmungs-problematik verlange (im sinne der von auf dem gfn-blog andernorts angesprochenen "hausaufgaben", was ich ebenfalls für alle seiten befürworte), bevor ich eine zusammenarbeit als sinnvoll erachte. was einen austausch und punktuelle zusammenarbeit mit individuen oder zusammenschlüssen, die ihre hausaufgaben gemacht haben usw. durchaus nicht ausschliesst. unter uns, wenn sich an der situation zwischengeschlechtlicher dereinst grundsätzlich was ändern soll, so wird das kaum ohne solidarität und unterstützung z.b. durch die schwulen- und frauenlobbys gehen. aber: "unterstützung" durch diese als gruppen, ohne dass diese zuerst ihre hausaufgaben erledigen, wäre m.e. klar kontraproduktiv bzw. würde bloss wieder in weiterer vereinnahmung resultieren (ebenso wie z.b. die abschaffung jeglichen geschlechtseintrags zwitter nur noch einmal unsichtbarer macht, während ein optionales amtliches drittes geschlecht zwitter/intersexuelle/zwischengeschlechtliche o.ä. sowohl für zwitter gut wäre wie auch für die anti-gender-aktivistInnen durch die damit verbundene hinterfragung des bipolaren geschlechterbegriffs als erster schritt auf eine prinzipielle abschaffung des geschlechtereintrags hin -- aber wiederum: eines nach dem andern, keine falschen abkürzungen, die letztlich umwege sind). (betr. "3. geschlecht" vgl. auch diskussion am ende dieses und in den folgenden kommentaren.)

ich denke, "biozwitter" haben das recht und die notwendigkeit, allen anderen dieses prädikat zu verweigern, ohne sich deshalb irgendetwas vorwerfen lassen zu müssen -- auch nicht, sich deshalb unter die fittiche oder in den windschatten der mediziner zu begeben. es geht auch nicht darum, wer die "bessere störung" hat, sondern darum, dass m.e. das zentrale thema der "biozwitter" die mit diesem dasein verbundene problematik der zwangsoperationen ist, und dass "biozwitter" als einzige der erwähnten gruppen in dieser form (oder überhaupt) mit dieser problematik konfrontiert sind. alle andern kritisierten gruppen wie (lgb)trans* etc. haben m.e. -- genaugleich wie alle anderen nicht-"biozwitter" auch -- ebenfalls das privileg, von genitalen zwangsoperationen und zwangskastrationen verschont zu bleiben, sprich es ist für sie eine selbstverständlichkeit, mit intakten genitalien und keimdrüsen aufzuwachsen.

ev. würde es von dem her fast mehr sinn machen, generell von "zwangsoperierten" zu sprechen anstelle von "zwittern" (stimmt auch umgekehrt: leidet eine gruppe als solche nicht unter dem problem der operativen zwangszuweisungen, besteht sie mit sicherheit NICHT aus "biozwittern"). doch ist nun mal die geburt als "biozwitter" ursache für die zwangsoperationen, weshalb es m.e. unklug wäre das label "zwitter" wie auch das zwittersymbol anderen gruppen zu überlassen.

und eigentlich finde ich es komisch, dass mehrere der erwähnten gruppen dem nicht gerade neuen anliegen "schluss mit genitalen zwangsoperationen" so erschreckend gleichgültig oder gar hinderlich gegenüberstehen, statt ihm längst zum durchbruch verholfen haben (siehe oben schwulen- und frauenlobbys). leider haben es "biozwitter" aufgrund der traumata durch die zwangsoperationen doppelt und dreifach schwer, sich schlagkräftig zu organisieren, z.b. im sinne einer "gewerkschaft zwangsoperierter zwitter". (oder wie's auf indymedia ein kommentar von "transtante" (etwas hinunterscollen) so schön formulierte: "Leute, die sicxh ja auch nicht so recht als Interessengruppe formieren können, gell?") deshalb auch dieses vakuum, das dann z.b. trans* so mühelos (scheinbar) auffüllen können. was es den "biozwittern" wiederum erschwert, selbst etwas öffentliche wahrnehmung für ihre eigenen anliegen abzukriegen.

trotzdem hoffe ich, dass nach der jahrelangen arbeit von u.a. michel reiter usw. nunmehr durch den prozess von christiane (der hoffentlich nicht der einzige bleibt!) langsam etwas in bewegung kommt, sowohl in der öffentlichkeit wie auch unter den "biozwittern". und auch letzteres ist m.e. bitter nötig, auch im sinne des "alternativvorschlags" auf dem gfn-blog.

m.e. müssten aber erstmal

  • "biozwitter" als gruppe organisiert und z.b.
  • das zwangsoperationsproblem umfassend gelöst und
  • hormone  für zwangsoperierte problemlos auf kasse erhältlich sein;

und weitere forderungen wie z.b.

müssten zumindest (auch unter lgbt) breit verankert sein, bevor der allgemeine kampf gegen gesellschaftliche zuschreibungen und diskriminierungen gemeinsam mit anderen gruppen, die ebenfalls darunter leiden, sinnvoll in den vordergrund treten kann.

die natürliche kandidatin für eine organisation der "biozwitter" auch im sinne einer "gewerkschaft zwangsoperierter zwitter" wäre m.e. der Verein Intersexuelle Menschen e.V. -- mit einem verstärkten, aktiven vorstand könnte er m.e. rasch in diese erweiterte rolle hineinwachsen und konkrete erfolge erzielen, z.b. das netzwerk erfolgreich unter druck setzen betreffend des problems "kassen-wollen-testo-nicht-bezahlen-oder nur-über-die transschiene" (vgl. forum intersexueller menschen eins / zwei / drei / vier, hermaphroditforum und öffentliches netzwerkforum) und durch finanzielle absicherung des risikos und durch beratung weitere zwangsoperierte zu prozessen animieren.

am diesjährigen treffen ende märz in bad orb können dazu entscheidende weichen gestellt werden. 2008 könnte das jahr sein, in dem es mit den zwangsoperationen endgültig abwärts ging -- wenn genügend zwischengeschlechtliche mitziehen. es liegt auch an dir!

Seelenlos & Nella

Siehe auch:
- Beendigung der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern JETZT!
- 2008: Eine neue Zwitterbewegung! (Jahresrückblick, Teil 1)
- Zwitter-Soli-Buttons für Deine Blogs und Homepages!

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!                              Menschenrechte auch für Zwitter!

Comments

1. On Sunday, March 2 2008, 15:32 by Lukas

Ein Austausch zwischen den (Rand-) Gruppen fände ich sehr sinnvoll. Vielleicht könnte man mal überlegen ob man sich gegenseitig besucht ? Also z.B. einen Intersexvortrag auf der Trans*tagung mit anschließender Diskussion ? Oder umgekehrt. Ich denke um so mehr wir voeinander wissen um so besser können wir uns gegenseitig unterstützen.

Wiedersprechen möchte ich deisem beitrag an zwei Stellen:

1) was die Zwangskastration/Sterilisation angeht muß ich wieder sprechen. Sicherlich ist es etwas absolut anderes das als Kind erfahren zu müssen und nicht vergleichbar mit dem was Trans*menschen in einem viel späteren Alter erfahren...eine Zwangskastration bleibt es dennoch. Anders kann ich es jedenfalls nicht bezeichnen. Ich hätte mich z.B. nicht Kastrieren lassen wenn ich ich auch ohne meine Personenstandsänderung hätte haben können. geht aber laut TSG nicht. Für mich und für viele andere ist das eine durchaus traumatische Erfahrung.

Der zweite Punkt betrifft den dritten Geschlechtseintrag. Ich habe viele Transgenderfreunde (und würde mich wohl auch selbst eher als Transgender denn als Transexuellen begreifen) und wenn ich sehe wie sehr man sich verbiegen muß um als Transgender überhaupt eine behandlung zu erhalten, dann scheint es mir doch sehr sinnvoll einen dritten Geschlechtseintrag auch diesen Menschen zu ermöglichen.
Wie sagte neulich ein Bekannter : Er hat wärend der Begutachtungszeit begriffen, dass er so wie er Leben möchte in Deutschland nicht leben kann. Seine Identität ist nicht erwünscht. Der Druck der auf Transgender ausgeübt wird ist nicht selten so stark, dass sie im Laufe der begutachtungen regelrecht zusammenbrechen- inkl. Klinikaufenthalte etc.

Sicherlich, einen Eintrag "Zwitter" oder "Intersex" würde kein Transgender anstreben. Eine andere Bezeichnung hingegen schon.
Warum sollte man das Menschen verweigern die so empfinden ?

2. On Sunday, March 2 2008, 17:14 by seelenlos

hallo lukas, wie schon an anderer stelle gesagt, ein austausch macht sicher sinn, in diesem sinn auch danke für deinen kommentar. vielleicht wird, wenn alle ihre hausaufgaben gemacht haben, aus dem austausch auch mal ne zusammenarbeit ... momentan ist das m.e. aber nicht der fall, wie deine 2 punkte zeigen, weil sorry, da haben wir genau wieder das vereinnahmungsproblem:

zu 1) es war deine entscheidung, dich kastrieren zu lassen. du hast deine möglichkeiten abgewogen, deine entscheidung getroffen und dein einwilligung dazu gegeben. du hattest die wahl -- alle zwangsoperierten zwischengeschlechtlichen hingegen nicht! diesen unterschied irgendwie unter den tisch kehren zu wollen, liegt nicht drin. (was nicht heisst, dass deine wahlmöglichkeiten optimal waren und dass deine kritik am tsg nicht nötig wäre und ich sie nicht teile, und dir dein trauma auch nicht absprechen will -- auch wenn ich immer noch davon ausgehe, dass die meisten transsexuellen die kastration selber wollen. trotzdem: du hattest die wahl zumindest unter 2 übeln -- zwangoperierte zwischengeschlechtliche hatten keine wahl! es handelt es sich deshalb um 2 verschiedene paar schuhe, die nicht in einen topf geworden werden dürfen!)

zu 2) die forderung lautet nicht zufällig "optionaler 3. geschlechtseintrag 'zwitter' o.ä. nur für solche". dies aus guten gründen. einer davon ist, dass behörden usw. dadurch gezwungen werden sollen, ihren umgang mit zwischengeschlechtlichen zu überprüfen, wo nötig spezifische richtlinien/verbesserungen zu erlassen. eine verwässerung dieses anliegens bzw. vermengung des optionalen 3. eintrags mit transgender usw. wäre klar gift für zwischengeschlechtliche und ihre anliegen bzw. eine neue instrumentalisierung. (was transgender nicht davon abhalten soll, z.b. einen 4. geschlechtseintrag für sich zu fordern. ev. könnte mensch sich da sogar gegenseitig unterstützen, aber nochmals, erst müsste die forderung nach dem optionalen 3. für zwitter auch bei lgbt verankert sein.)

3. On Sunday, March 2 2008, 17:48 by Lukas

Ich habe ja schon gesagt, dass die Vergleichbarkeit für Punkt 1 fehlt.
Ich will mich darüber auch überhaupt nicht streiten.
Die Frage ist aber schon wie freiwillig eine Kastration ist wenn man ansonsten nicht so leben kann wie man möchte. Für mich ist das Erpressung - und somit erzwungen
Bei Frau zu Mann TS macht die Mehrheit die Kastration aus oben genannten Gründen, nicht weil sie sie selber wollen.

Zu Punkt 2 -
Die biologische Begründung die du gibst (nur für Biozwitter) ist schwierig weil man dann konsequenter Weise auch sagen müßte: männlich nur für Biomänner, weiblich nur für Biofrauen...oder nicht ? (Ist eine ernstgemeinte Frage - keine Provokation) Und damit wohl das ganze Konzept von Trans* in Frage stellen würde. Sprich : Es kann nur xy sein, der/die auch mit einem xy Körper geboren wurde.

Mir liegt nichts an Verwässerung. Und tatsächlich möchte ich ebensowenig für intersexuell gehalten werden wie du für transsexuell/transgender.

Gruß Lukas

4. On Monday, March 3 2008, 07:14 by seelenlos

lukas, falls du meinen disclaimer noch nicht kennst, ich habe ihn oben nachgetragen, er stand auch schon z.b. hier.

dass das tsg für fzm noch mehr suckt als sonst schon, darüber will ich auch nicht streiten. ebenso nicht über die von dir angesprochene erpressung oder dass das nicht o.k. ist.

dass die dir wie ein dorn ins auge stechende begründung "biologisch" ist hat damit zu tun, dass es wie gesagt nunmal ausschliesslich die "biozwitter" sind, die von zwangszuweisungen mittels skalpell und zwangskastration betroffen sind, während meines wissens nach lgbt wie generell alle anderen nicht-"biozwitter" auch das privileg haben, mit intakten genitalien und gonaden aufzuwachsen.

wenn diese augenfällige tatsache sich schlecht z.b. mit "gender", dem "konzept trans*" oder sonst einer theorie vereinbaren lässt, sondern im gegenteil diese gar in frage zu stellen scheint, so ist das tatsächlich ein ernsthaftes problem -- aber definitiv nicht das der "biozwitter"!!! deren ihr problem sind wie gesagt zwangsoperationen usw. ...

ähm, meines laien-wissens nach kann tatsächlich "nur xy sein, der/die auch mit einem xy Körper geboren wurde", ich habe noch von keinem mensch gehört, der irgendwie seinen chromosomensatz ändern konnte. nicht, dass ich persönlich nicht auch denke, dass der chromosomensatz u.a. von medizinern und "der gesellschaft" mitunter regelmässig masslos überschätzt wird, erst recht als (alleinige) ursache von "männlicher" oder "weiblicher" identität oder ebensolchem verhalten, aber trotzdem ...

nicht umsonst stehen zwangsoperationen in den einschlägigen forderungslisten ÜBERALL AN ERSTER STELLE, "gender" usw. aber z.b. hier erst an fünfter. wie gesagt ERST WENN DAS ZWANGSOPERATIONSPROBLEM GELÖST IST usw., macht es m.e. für zwitter (oder auf diesem blog) sinn, sich z.b. mit kompatibilitätsproblemen auseinanderzusetzen zu theorien, deren entwicklung unangenehm eng mit der der zwangsoperationen verknüpft sind, deren vertreterInnen dies aktuell aber äusserst selten nur schon in betracht zu ziehen scheinen. erst wenn "biozwitter" nicht mehr automatisch verstümmelt und zwangszugewiesen werden, sondern die wahl haben, ob sie als "mann", "frau" oder "biozwitter" leben wollen, werden m.e. z.b. genderaspekte ein relevantes thema werden (können).