PRESSEMITTEILUNG - Christiane: Der Kampf geht weiter


Christiane in einem von vielen Interviews nach dem Urteil im Langericht Köln, 6.2.08

Die zwischengeschlechtliche Christiane Völling, die ihren ehemaligen Chirurgen wegen schwerer Körperverletzung anzeigte und am 6. Februar 2008 den "Zwitterprozess" in erster Instanz gewann, muss weiter kämpfen: der fehlbare Chirurg weigert sich, das Schmerzensgeld zu zahlen, und geht in Berufung.

Der Prozess, der am 12. Dezember 2007 am Landgericht Köln in die erste Runde ging, und die vom Verein Inters**uelle Menschen e.V. organisierte Demo brachten eine noch nie da gewesene Resonanz in der Öffentlichkeit zum Thema der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern – und für die langjährigen Forderungen Zwischengeschlechtlicher: Recht auf körperliche Integrität, optionalen 3. Geschlechtseintrag, Entschädigungen für Zwangsoperierte sowie generell "Menschenrechte auch für Zwitter". Christiane Völling klagte ihren damaligen Operateur an: dieser hatte der damals 18-Jährigen ohne ihre Einwilligung die gesunden inneren weiblichen Fortpflanzungsorgane entfernt.

Knapp zwei Monate später kam es am Landgericht Köln zur Urteilsverkündung: Christiane Völling siegte in erster Instanz gegen den Mediziner. Der 6. Februar 2008 wurde zum historischen Tag für Zwischengeschlechtliche und ihren Kampf um körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde. Das Urteil wird als Präzedenzfall in die Geschichte der Bewegung zwischengeschlechtlicher Menschen in Europa eingehen.

Wie zu erwarten war, geht der Beklagte nun in Berufung. Dazu Christiane Völling:

"Der Prozess geht also in die nächste Runde - wie ich mir bereits gedacht habe, denn welcher Mediziner gesteht schon gerne Fehler ein. (...) Erneuter Presserummel usw., weitere Aufmerksamkeit für uns, aber für mich ein weiterer Gang durch die seelische Hölle."

In der Tat muss Christiane Völling, nachdem ein gewissenloser Mediziner ihr Leben zerstört hat, nun auf dem Rechtsweg mit weiteren jahrelangen Schikanen rechnen. Der Beklagte hält an seinen in der Urteilsurkunde festgehaltenen Behauptungen fest: Christiane Völlings Organe seien "hochgradig verkümmert" gewesen und er habe sich "als Chirurg auf die Diagnose der vorbehandelnden Fachärzte der Medizinischen Klinik" verlassen dürfen. Tatsache ist, dass bei der Operation "eine normale weibliche Anatomie mit präpuberalem Uterus, normal grossen Ovarien" aufgefunden wurde. Zudem war Christiane Völlings weiblicher Chromosomensatz bekannt. Trotzdem schreckte der Chirurg vor diesem irreversiblen Eingriff nicht zurück und entfernte seiner nicht aufgeklärten Patientin kurzerhand sämtliche inneren weiblichen Geschlechtsorgane.

Unwürdig behandelt wird Christiane Völling auch beim Amtsgericht Kleve, das versucht, sie zu einer Personenstandsänderung nach dem Transs**uellengesetz zu drängen. Dieselbe Taktik verfolgt auch der Gutachter des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) Köln, der ebenfalls mit allen Mitteln versucht, Christiane entgegen allen Fakten Völling Transs**ualität - die offiziell als "psychische Störung" gilt - unterzuschieben, um Schmerzensgeldforderungen infolge einer Fehlbehandlung zu verhindern und den Ärtztepfusch zu vertuschen.

Christiane Völlings Schicksal ist kein Einzelfall. Allein in Deutschland leben mehr als 100'000 Zwischengeschlechtliche, mit wenigen Ausnahmen alle zwangsoperiert. Der beklagte Mediziner erreicht mit seinem Vorgehen genau das, was auch seine Berufskollegen begrüssen: weitere Zwitter davor abschrecken, Christiane Völlings Beispiel zu folgen. Denn ein sich über Jahre hinweg ziehender Prozess wäre wohl für die meisten traumatisierten Zwitter ein unwürdiger und Kräfte zehrender Zustand. Es ist längst überfällig, sämtliche Zwangsoperierten für das ihnen zugefügte Leid kollektiv zu entschädigen -- wie dies Zwischengeschlechtliche schon seit Jahr und Tag fordern (siehe z.B. hier unter "Agenda", 3. oder hier unter "Forderungen": "Opferentschädigungszahlungen").

Christianes Kampf um Gerechtigkeit ist noch lange nicht ausgefochten. Die Menschenrechte von Zwischengeschlechtlichen werden nach wie vor mit Füssen getreten. Wir werden zusammen mit Christiane weiterhin für die Rechte eines jeden zwischengeschlechtlichen Menschen auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde kämpfen!

Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG
- Internationale Artikelübersicht auf OII