Amnesty: Zwangsoperationen "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit

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Nach der sensationellen, einstimmig verabschiedeten Motion der Schweizer Sektion vom 25.4. hat die Sektion Deutschland an ihrer Jahresversammlung 2010 ebenfalls einen historischen Beschluss gefasst, wonach auch sie sich bei der Dachorganisation Amnesty International zu Gunsten einer offiziellen Position betreffend der Menschenrechtsverletzungen an Zwittern einsetzen wird.

Dafür allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön!

Im Gegensatz zur Schweiz sind die Beschlüsse der Deutschen Sektion nicht öffentlich. Auf Anfrage hin hat MERSI-Hamburg nun aber eine >>> offizielle Mitteilung veröffentlicht, die u.a. festhält:

Im Mittelpunkt der Bemühungen steht die Ächtung einer medizinischen Praxis, intersexuellen Menschen entweder im frühen Kindesalter ohne Einwilligungsfähigkeit – oder Erwachsenen ohne Aufklärung über Folgen – auf operativ-medikamentösem Weg ein eindeutiges Geschlecht „zuzuweisen“. Dies wird als fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde und auf Nicht-Diskriminierung) gewertet, da solche Maßnahmen in den allermeisten Fällen aus medizinisch-gesundheitlicher Sicht keinerlei Begründung haben.

Da der Deutsche Entwurf des Beschlusses explizit die oben erwähnten, zentralen Forderungen nach "Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!" enthielt, ging er als solcher sogar noch deutlich weiter als die CH-Version.

(Bei letzterer war dagegen die Begründung etwas weitgehender und detaillierter, sprach sie doch zusätzlich konkret die Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung an – wozu auch in der Schweiz aktuell ein Gesetzesentwurf ansteht, bei dem u.a. Amnesty Schweiz offiziell bedauerte, dass darin, wie auch in Deutschland, die Genitalverstümmelungen an Zwittern nicht ebenfalls angesprochen wurden –, sowie die Diskriminierung intersexueller Sportlerinnen durch Athletikverbände, und nicht zuletzt auch die Problematik, dass eine Einordnung der an Zwittern begangenen Menschenrechtsverletzungen z.B. unter die Rubrik "Sexuelle Identität" dazu führen kann, dass "oft verkannt [wird], dass Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen in erster Linie genitale Zwangsoperationen bedeuten und weniger Gender- und Identitätsfragen.")

Auch wenn es wohl noch einige Zeit und Lobbyarbeit braucht, bis Amnesty International endlich eine offizielle Position gegen die Menschenrechtsverletzungen an Zwittern verabschieden wird, ist dieser erneute Beschluss ein weiterer wichtiger Schritt dazu!

Siehe auch:
- Terre des Femmes: Genitalverstümmelungen an Zwittern gleich schädlich wie weibliche Genitalverstümmelung
- "Die Macht der Tabus" - Konstanze Plett über Genitalverstümmelung, amnesty journal 03/08
- Schweiz: Terre des Femmes und Amnesty gegen genitale Zwangsoperationen
- Kosmetische Genitaloperationen an Zwitterkindern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Hanny Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal", 2003)
- Genitale Zwangsoperationen: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert
- Bundestag: "Weibliche Genitalverstümmelung ahnden" - aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Genf: UNO mahnt Bundesregierung
- Amnesty Schweiz: Historischer Entscheid für "Menschenrechte auch für Zwitter!" 
- "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org zum "Forum Bioethik" 23.6.10 

Comments

1. On Monday, May 31 2010, 19:18 by Christina

Liebe Leute,

Papier ist ja so geduldig...

Wie ernst es Amnesty mit diesen Versprechungen und leeren Worthülsen wirklich meint, könnt ihr auf der Seite von MERSI und QueerAmnesty nachlesen.
Dort steht in großen Buchstaben:
MERSI : 29.05.2010 Präsident begnadigt verurteiltes schwules Paar
QueerAmnesty: Malawi gleichgeschlechtliches Paar durch Präsidenten begnadigt

Tja und nun ratet mal, was sich in WAHRHEIT hinter diesem "schwulen Paar" verbirgt!!

Eine FRAU und ein Mann!!!

Die Frau sagt über sich selbst, dass sie ein Frau ist und lebte auch schon ihr ganzes Leben lang als Frau. Als diese wurde sie auch in ihrem Umfeld, in dem sie wohnte gesehen - auch von dem Mann, der sie heiraten wollte.

Doch dummerweise besitzt die Frau wohl nicht ganz die richtigen Geschlechtsteile.

Hier ein Ausschnitt aus einer Mail, die ich gerade aus Südafrika bekommen habe (von Robert Hamblin):

"Neither of the two ever said they were gay and neither did they say they were Transgender. However Tiwonge did express on numerous occasions that she sees herself as a woman. She reports bleeding which begs the question that she may be intersex. During the trial there was a report by women in her community who harassed her to show her genitals. The one woman said that her penis did not seem normal."

Und Monica Mbaru, die beide im Gefängnis besuchte schreibt mir:
"Indeed the media has had thing all wrong but very sensational for the wrong reasons. ... We have visited Tionge (aunty Tiwo) in prison and true she ... identifies as a woman. ... The terms 'gay', 'transgender', 'bisexual', etc have no direct Chichewa translation and the two heard about these terms for the first time on the media reports.... I agree, there has been these misreporting and
misinformation and maybe the call is for organisations to have a deeper understanding of each term used how this translates to effective work around and with people identifying as such."

Ja, ja - Amnesty und ihr richtig aktiver Einsatz für Intersexuelle. Wers glaubt ... Bezeichnen eine wahrscheinlich intersexuelle Frau als schwulen Mann!

Ich beschwerte mich bei MERSI und QueerAmnesty und was bekam ich zur Antwort?

MERSI Deutschland: "Eine Falschdarstellung liegt hier nicht vor"
QueerAmnesty: "Das es sich hier evtl. nicht um ein schwules Paar sondern um ein Paar mit einer transgender Person und einer heterosexuellen Person handeln könnte, ist für uns neu. Amnesty nutzt nur mehrfach "gesicherte" Informationen aus verlässlichen Quellen."

Und auf welche "verlässlichen Quellen" beruft sich Amnesty? MERSI dazu: "Dies ist lediglich ein Zitat einer Tickermeldung der dpa."

Prima. Ab sofort entscheidet die dpa darüber, wer schwul ist, wer transsexuell und wer intersexuell.. das lieben wir doch! Das ist echter Respekt vor der geschlechtlichen Identität eines Menschen!

oder?

ps: Diese Informationen bekommt man übrigens sehr leicht über das Internet oder über YouTube - so bin auch ich auf diese Falschmeldungen gestoßen. Die Aussage mit den "gesicherten Quellen" ist also garantiert gelogen, da die Menschenrechts-Organisation vor Ort, die die beiden betreute (Frau Mbaru von ILGHRC) da ja etwas ganz anderes aussagt... Mit denen sprach garantiert niemand von ai. Ich schätze mal, dass die "gesicherten Quellen" die BBC und die dpa sind, die beide den gleichen Unsinn brachten.

2. On Monday, May 31 2010, 23:27 by seelenlos

hi christina

danke für die infos! insbesondere die von robert hamlin berichteten statements, wonach tionge "ungewöhnliche geschlechtsteile" und auch blutungen habe, kannte ich nicht.

zur zeit reklamiert LGB die geschichte ja weltweit für sich, da stehen MERSI und queeramnesty ja keineswegs isoliert da.

(bei den auf diesem blog berichteten vorstössen geht es übrigens um beschlüsse der jeweiligen amnesty-hauptsektionen, und NICHT von MERSI rsp. queeramnesty, welche lediglich die anträge gestellt haben, übrigens in beiden fällen letztlich nach rücksprache und im einverständis mit zwitterorganisationen - nicht ganz von ungefähr ist es uns stets wichtig, dass die menschenrechtsverletzungen an zwittern als "amnesty-anliegen" wahrgenommen und behandelt werden mit der begründung "verletzungen des rechts auf körperliche unversehrtheit", und NICHT als "amnesty-queer-identitäts-anliegen" mit der begründung "sexuelle identität", was nicht immer ganz einfach war, nun aber letztlich so aufgegleist werden konnte, worüber wir froh und dankbar sind.)

die dir gegenüber vorgebrachten begründungen betreffend dem "fall" von tiwonge und steven sind allerdings tatsächlich ziemlich dürftig bzw. äusserst fragwürdig.

dies umsomehr, da die vereinnahmung doch schon in verschiedenen englischsprachigen berichten schon öffentlich kritisiert wurde, z.b. in diesem artikel in der huffington post (wo "intersex" allerdings bloss als randbemerkung auftaucht – im gegensatz zu "transgender"): http://www.huffingtonpost.com/alex-...

ein weiterer kritischer online-artikel vom guardian guardian reklamiert das paar gleich kurzerhand wieder unter "T" wie "transgender": http://www.guardian.co.uk/commentis...

wird wohl noch ne ganze weile dauern, bis die vereinnahmungskaskaden endlich aufhören. danke für deine solidarischen worte!

3. On Tuesday, June 1 2010, 00:50 by Bad Hair Days

In Hinsicht vereinnahmung von Ms. Tiwonge durch das T ist es aber wirklich auch Kritisch und fügt sich nahtlos an Diskussionen an, die ich schon vielfach geführt habe. Würde sie von sich sagen, sie sei Intersexuell, kämen sicher wieder Unkenrufer, die behaupten, diese Transsexuelle würde das nur behaupten, weil sie mit ihrer TS nicht klar kommt und damit Intersexuelle vereinnahmen.

4. On Tuesday, June 1 2010, 11:10 by Christina

Was mich so wütend macht, ist nicht die Vereinnahmung oder die Falschdarstellung an sich. Wie Seelenlos so schön schreibt (und auch Bad Hair Days), ist diese Kritik ja nicht neu und wie ich auch erwähnte, findet man sie leicht im Netz.

Nein, was mich auf 180 bringt, ist, dass selbst Organisationen, wie Amnesty International, die behaupten, sich für Menschenrechte einzusetzen, dennoch die Würde von Auntie (so heisst sie) mit Füssen treten und sie immer noch als "schwulen Mann" bezeichnen (zuletzt am 29.05., siehe oben). Egal, ob Auntie nun transsexuell oder intersexuell ist, was sie auf jeden Fall nicht ist, ist ein Mann - und natürlich erst recht kein schwuler Mann. Und was wir mit 100%iger Sicherheit wissen: Sie ist eine Frau.

Ich finds zum Kotzen, wie immer wieder Menschen ihre geschlechtliche Identität abgesprochen wird - und das auch noch von Menschenrechtsorganisationen, nachdem schon lange bekannt ist, dass Auntie eine Frau ist.

Nichts, kein Wort der Entschuldigung durch Organisationen, wie Amnesty International, keine Berichtigung oder Richtigstellung auf der Website (auch nicht auf der internationalen unter amnesty.org)... da hört der Spass definitiv auf. Und das ist auch nicht entschuldbar.

Es gab noch NIE einen zweifel am Geschlecht von Auntie, zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens. Wer sie ursprünglich als "schwulen Mann" betitulierte waren extremistische Christen, die in Malawi das Sagen haben. Und dass die Menschenrechtsorganisationen dies übernommen haben - wider besseres Wissen - und auf der gleichen Schiene geritten sind, wie diese christlichen Fanatiker, das kapiere ich nicht.

Selbst im Gefängnis in Malawi zwang man Auntie nicht, Männerkleidung zu tragen... und trotzdem machen so genannte "Menschenrechtsorganisationen" aus ihr einen schwulen Mann. Selbst im Gefängnis lies man ihr diese Würde, diese Anerkennung... die Amnesty ihr nahm. Und gleichzeitig tut man so, als setze man sich für die Rechte von Menschen mit "geschlechtlichen Abweichungen" (ich nenns mal so allgemein) ein - weigert sich jedoch, ihre geschlechtliche Identität zu respektieren, wenn diese nicht den (vermeintlichen - sie haben sie ja nicht gesehen) Genitalien entspricht.

Mehr Verachtung gegenüber der geschlechtlichen Identität eines Menschen geht nicht. Null Respekt - und dann redet man sich noch mit Lügen raus... statt sich einfach mal bei Auntie zu entschuldigen. Das wäre anständig gewesen. Doch um Menschen, wie Auntie diesen Respekt und Achtung entgegen zu bringen, naja, dazu müssten sie ja Menschen mit genitalen Abweichungen als gleichwertig sehen...

Robert Hamblins Email an mich endete mit den Worten:
"In my personal opinion she seems like a classical case of a gender variant person but I find it extremely important that people self identify and that as gender activists we resist assigning people identity by perceptions of their bodies. I think western LGBT and mainstream organizations should know this by now. :-)"

5. On Tuesday, June 1 2010, 16:59 by seelenlos

hi sarah, bisher war mir der gedanke nicht gekommen, auntie zwitter-vereinnahmung vorwerfen zu wollen, falls sie sich als "intersexuell" bezeichnen würde (was sie ja m.w.n. nicht tut).

ich weiss einfach zu wenig über den "fall", um mit gutem gewissen etwas aussagen zu können über die frage, ob auntie nun intersexuell, transgender oder ev. transsexuell ist. deshalb war ich auch speziell froh um die infos von christina, wonach sie "ungewöhnliche" geschlechtsteile habe und blutungen.

dass sie jedoch KEIN "schwuler mann" ist, halte ich hingegen für zweifelsfrei erwiesen, und teile aus diesem grunde die diesbezügliche kritik von christina und manchen anderen.

in den mir zugänglichen, kritischen berichten wird auntie am ehesten noch als transgender reklamiert. mein verdacht oben war eher, dass transgender das "T" und auntie einfach für sich reklamieren, um gegen die vereinnamung der geschichte (und ihrer selbst) durch LG(B) zu protestieren.

während ich mit letzterem übereinstimme, nämlich dass aunties "fall" von LG(B) vereinnahmt wird, ist das reklamieren von auntie als transgender bei meinem jetzigen wissensstand ebenfalls sehr verdächtig als eine weitere form der oben angesprochenen vereinnahmungskette (bzw. kolonialisierungskaskade, wie georg klauda es nennt http://gigi.x-berg.de/texte/belager... ).

das angesprochene reklamieren von "T" für transgender allein, ohne transsexuelle überhaupt zu erwähnen (!), ist sogar ein eindeutiger fall von vereinnahmung, nämlich von transsexuellen durch transgender (was es ja auch gibt, und worüber du und auch christina wohl mehr wisst als ich als solidarischer nicht-zwitter).

dass LG(B) zuoberst auf der vereinnahmungskaskade stehen, darüber dürften wir uns m.e. wohl alle einig sein. da sähe ich sogar eine gemeinsame basis für gemeinsame kritik an vereinnahmung durch TS und I.

je weiter nach unten die kaskade(n) dann aber geht(gehen), desto eher gelangen wir schliesslich an den punkt, wo diese gemeinsamen interessen m.e. auseinanderzudivergieren beginnen.

christina, dass die erwähnten LG(B)-abteilungen von amnesty hier blindlings weitermachen statt über die bücher zu gehen und richtigzustellen bzw. sich zu entschuldigen, sehe ich ebenfalls in diesem zusammenhang: weil sie eben an der spitze der vereinnahmungskaskade stehen und es deshalb nicht nötig haben – sogar, wenn sie (wie du beschreibst) letztlich auf derselben welle reiten wie die angesprochenen extremistischen christen.

leider scheint aber robert hamlin sich ebenfalls an der vereinnahmungskaskade zu beteiligen, wenn er am schluss seines mails auntie, die er vorher als wahrscheinlich intersexuell schildert ("ungewöhnlicher penis", monatsblutungen), im nächsten atemzug in krassem widerspruch dazu als "klassischen fall einer gender varianten person" reklamiert.

zwitter sind per se keine "gender varianten personen" oder transgender. es gibt zwar (wie bei männern und frauen auch) welche darunter, die sich als trans* definieren, aber bei weitem nicht alle: die meisten zwitter verstehen sich einfach als "normale" männer, frauen oder zwitter, und haben erstmal nix mit transgender zu tun. auch das sollte eigentlich "westlichen LGBT- und mainstream organisationen inzwischen bekannt sein".

wie gesagt weiss ich wenig konkretes über den "fall" von auntie, und die ganzen vereinnahmungsketten sind m.e. eine ziemlich komplizierte geschichte. ich hoffe aber trotzdem, ich konnte "meinen" standpunkt verdeutlichen, ohne euch gegenüber ungerecht zu sein. nochmals danke für eure inputs!

6. On Tuesday, June 1 2010, 22:44 by Bad Hair Days

Vielleicht hat ihr die Vereinnahmung sogar das Leben gerettet. Allerdings wird sie derzeit vermisst und ich hoffe wirklich, dass es daran liegt, dass man sie ins sichere Ausland gebracht hat.

Die LG(b(T(TI)) Lobby hat sich des Falles ja letztlich nur wegen der Grundidee der "Homosexuellenheirat" angenommen.

Alterina Hofan aus Indonesien hat in einem ganz ähnlich gelagertem Fall jedenfalls kaum jemand geholfen, es wurde von einer breiteren Öffentlichkeit nicht einmal wahr genommen:
http://intersexnews.blogspot.com/20...

Ob es uns passt oder nicht, TG steht für Aussenstehende einfach für alles, was der zweigeschlechternormativität entgegensteht. Die sichtbare oder angenommene Körperlichkeit von Intersexuellen ist da keine Ausnahme.

Der Vereinahmungskaskade steht die interne Hierarchie entgegen. So erlebe ich es dann auch wieder hier, wenn du schreibst, dass du die geschlechtliche Identität von Intersexuellen (wie sie auch ausfällt) als realer dar stellst, als die von Transsexuellen, deren körperliche Abweichung nicht sichtbar genug ist.

7. On Wednesday, June 2 2010, 03:28 by seelenlos

hi sarah, war auch mein eindruck, dass die vereinahmung hier wohl ausnahmsweise konkret letztlich etwas gutes bewirkte, zumindest für auntie. dies war für mich nebst der unklaren sachlage und unserer beschränkten kapazität auch der grund, weshalb ich den "fall" von mir aus hier nicht aufgriff.

auch deine einschätzung betreffend alterina hofan, worüber ich auch auf curtis' blog las, teile ich.

das die "verwechslungen" in der öffentlichkeit, unter denen zwitter, aber auch transsexuelle leiden, quasi "naturgegeben" sind, ist allerdings nicht meine ansicht. vielmehr handelt es sich dabei meiner meinung nach um die folgen teils jahrzehntelanger öffentlicher vereinnahmung durch LG(B), im falle der zwitter zum teil auch durch T.

aus dieser überlegung heraus werden wir vereinnahmungen, zumindest soweit sie zwitter betreffen, auch künftig ansprechen und kritisieren. und wenn das zwischendurch zugegebenerweise immer mal wieder etwas wie der sprichwörtliche kampf gegen windmühlen anmutet, geben uns m.e. trotzdem letztlich die bisher errungenen (teil-)erfolge wie z.b. jüngst die klaren amnesty-vorstösse durchaus recht.

dass du die vereinnahmungskaskade, unter der zwitter, aber auch transsexuelle leiden, anerkennst, freut mich. nachtrag: wie ich inzwischen sah, sprichst du das thema ja auch auf deinem blog (indirekt) an in bezug, dass die psychiater (m.e. nicht zu verwechseln mit psychologen/psychoanalytikern, deren kunden freiwillig bei ihnen sind und jederzeit gehen können), als sie die schwulen und lesben 1973 gezwungenermassen aus ihrer behandlungsfibel DSM und damit auch aus ihren praxen entlassen mussten, sich dafür einfach die transsexuellen krallten, was viele schwule auch heute noch wenig interessiert. dies hatte auch vincent guillot an der diskussion in zürich sinngemäss so gesagt: die befreiung der schwulen wurde mit der psychiatrisierung der transsexuellen erkauft, und die befreiung der transsexuellen wird mit der psychiatrisierung der intersexuellen erkauft werden (bei DSM-V werden ja zwitter klar verstärkt psychiatrisiert – die bauen schon vor), und die befreiung der zwitter wird höchstwahrscheinlich auf kosten einer weiteren gruppe erfolgen (was vincent durch ein "ganzheitliches befreiungsmodell" verhindern will, das m.e. allerdings stark utopische züge aufweist). betreffend psychopathologisierung hab ich mir diesbezüglich ehrlich gesagt noch kaum gedanken gemacht – aber bei den genitalverstümmlern gehen wir praktisch von anfang davon aus, dass die nach den zwittern sich selbstverständlich einfach die nächste opfergruppe zu krallen versuchen werden. konkret zeichnet sich dort jetzt schon ab, dass einerseits innerhalb der "medizinisch anerkannten zwitter" die "syndromgruppe (C)AIS" etwas geschont, dagegen die "syndromgruppe AGS/CAH" umso bedenkenloser zwangsoperiert wird, und andrerseits "nicht-zwitter-genitalanomalien" wie hypospadie umso stärker unters messer kommen, je weniger "eigentliche zwitter" sie drankriegen – ein grund mehr, weshalb wir nicht mit "identität" operieren wie z.b. OII, sondern uns strikt das recht auf körperliche unversehrtheit rsp. auf dem engeren politischen parkett auf den kampf gegen "kosmetische genitaloperationen an kindern" konzentrieren (auch wenn uns deswegen bekanntlich ab und zu vorwürfe von wegen "essentialismus" und "genitalfixiertheit" gemacht werden/wurden).

dass du findest, ich stelle die geschlechtliche identität von transsexuellen auf diesem blog zu wenig real dar, nehme ich so entgegen. konkrete beispiele wären allerdings hilfreich, ebenso dazu, was du genau mit "interne Hierarchie" meinst.

es ist nicht meine absicht, den kampf gegen die kosmetischen genitaloperationen an zwitterkindern auf kosten anderer zu führen oder transsexuellen ihre identität abzusprechen - letzteres ist einfach nicht unser eigentliches thema, ebenso wie bekanntlich primär aus pragmatischen/realpolitischen gründen auch zwitter-identitätsfragen nicht unsere priorität sind.

letztlich müssen wir gezwungenermassen unsere kapazitäten einteilen und entsprechend prioritäten setzen, und für uns ist dies nunmal der kampf um die sofortige beendigung der zwangsoperationen. doch wenn ich diesbezüglich etwas besser machen kann, ohne dabei diesen kampf als solchen über bord werfen zu müssen, tu ich das gerne. es ist meine hoffnung, dass wir alle immer mal wieder etwas dazulernen können.

8. On Sunday, July 25 2010, 01:20 by Bad Hair Days

Hallo Seelenlos.

Ich weis, es hat ziemlich lange gedauert, aber ich habe nun in meinem Blog einen längeren Blog zu deinen Thesen gemacht.
http://badhairdaysandmore.blogspot....