Marburg: Uniklinik leugnet Genitalverstümmelungen - Kinderchirurg verplappert sich - Uni-Senat fordert Aufarbeitung

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Im Uni-Senat ging es am Montag um die Selbstbestimmung von Zwittern und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Senatoren sahen die ethische Relevanz des Themas und wollen den Austausch mit Medizinethikern. [Bild: Genitalverstümmelungen stoppen!] Am Sonntag forderten Aktivisten der Schweizer Organisation Zwischengeschlecht.org vor dem Eingang des Klinikums das Verbot von kosmetischen Genitaloperationen bei Kindern. Das UKGM betonte, dass solche Eingriffe in Marburg überhaupt nicht stattfinden, sondern nur medizinisch notwendige Operationen.

Mitunter tendenziöser, kostenpflichtiger Bericht von Anna Ntemiris in der Oberhessischen Presse über die >>> Debatte des Senates der Philipps-Universität Marburg, erhältlich sowohl >>> online (>>> ganzer Artikel als Bild – ggf. nochmals reinklicken zum auf 100% aufklappen) wie auch in der gedruckten Ausgabe vom 17.04.2012 auf Seite 3.

Anmerkung: Die Sätze "Ein Aktivist der Schweizer Gruppe Zwischengeschlecht berichtete kurz als Betroffener. Er leide heute noch an seiner Genitaloperation, über die er nicht habe bestimmen können" stimmen so nicht ganz: Yours truly a.k.a. Markus Bauer, der die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org an der Senatssitzung vertrat, berichtete von Zeugnissen verschiedener Betroffener und nicht von sich selber.

Meine 2 Cent: Wirklich keine kosmetischen Eingriffe?

Was im OP-Artikel "zufälligerweise" ganz fehlt, ist die in der >>> AFLR-Pressemitteilung angesprochene "Zwei-Fliegen-mit-einer-Klappe"-Episode:

Der Marburger Kinderchirurg und Oberarzt Micha Bahr vertrat an der Senatssitzung das Universitätsklinikum gemeinsam mit 2 schweigenden Kollegen Uwe Wagner (Gynäkologie / gynäkologische Endokrinologie) und Rainer Hofmann (Urologie) [Name/Funktion korrigiert, vgl. unten Nachtrag 22.1.13] sowie dem ebenso schweigsamen Dekan der medizinischen Fakultät, Prof. Matthias Rothmund.

Dr. Micha Bahr brachte in seinem Statement erneut seine pauschalen Beteuerungen vor, in Marburg würden nur und ausschliesslich medizinisch notwendige Genitaloperationen praktiziert, und führte auf Anfrage als Beispiel an, wenn z.B. bei Hypospadie der Harnabfluss blockiert sei – was ihm die Uni-Präsidentin Prof. Katharina Krause noch so gern unbesehen abnahm.

Yours truly nutzte in der Folge das ihm freundlicherweise zugestandene Rederecht, um diesbezüglich bei Dr. Micha Bahr detaillierter nachzuhaken: Ob denn in Marburg bei einer solchen Obstruktion der Harnwege auch wirklich nur der Abfluss chirurgisch ermöglicht würde, der Harnröhrenausgang aber an seinem ursprünglichen Ort unterhalb der Penisspitze belassen würde, also ausdrücklich keine chirurgischen "Verlegungsversuche" a.k.a "Hypospadiekorrektur" unternommen würden, wie sie das Klinikum ja mehrfach anbietet und propagiert?

Kinderchirurg verplappert sich – Verantwortliche wollen nichts bemerkt haben

Worauf Oberarzt Bahr frisch-fröhlich zu Protokoll gab, in so einem Fall würden dann auch in Marburg "zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen." Was – anders als in der Oberhessischen Presse und offenbar auch unter den ProfessorInnen und im Präsidium – u.a. von den studentischen Senatsmitgliedern durchaus zur Kenntnis genommen und zum Teil in Folgevoten kopfschüttelnd angesprochen wurde.

Weiter fehlt im OP-Artikel, dass der 2. Spiegelpunkt des studentischen Antrags betreffend einer öffentlich zugänglichen Aufarbeitung von Ausmass, Umfang und Dauer kosmetischer Genitalbehandlungen an Kindern und Jugendlichen in der Uniklinik Marburg sowie in der Lehre der Philipps-Universität mit Mehrheit angenommen wurde – trotz vorgängiger ökonomischer Bedenken.

Aufarbeitung: Taten sprechen lauter als Worte

Ob diese versprochene Durchleuchtung in Verbindung mit der vom Senat auf Antrag von Prof. Ulrich Wagner einstimmig geforderten Ethik-Debatte der Wahrheit tatsächlich auf den Grund gehen wird, bleibt fürs erste abzuwarten.

Ebenso, wie lange Klinikum, Professoren und Präsidium es schaffen werden, weiterhin mit dreistem Leugnen und Mauern unter dem Deckel zu behalten, was sie gleichzeitig öffentlich als Kompetenzen anpreisen.

Schaun wer mal ...

Korrektur 22.1.2013: Bezüglich des 3. Vetreters des Uniklinikums war es ursprünglich zu einer Verwechslung mit einem anderen Klinikum-Mediziner ähnlichen Namens gekommen. Der Betreffende war an der Sitzung (wie auch im Sitzngsprotokoll) nur mit Nachnahmen vorgestellt wurde. Diese Verwechslung wurde auf Anfrage korrigiert (siehe oben).

>>> Der Offene Brief    >>> Oberhessische Presse 14.4. | 15.4.    >>> Senatseingabe
>>> Genitalverstümmelung in Kinderkliniken: Einige typische Diagnosen und Eingriffe 
>>> Kosmetische Genitaloperationen an Kindern in Marburg? Aber wir doch nicht!