Knabenbeschneidung: Bevölkerung für Verbot - Bundesregierung will per Schnellgesetz legalisieren - Bundestags-Petition - UPDATES 15.8.

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>>> Nachtrag: Kinderspital Zürich setzt Beschneidungen aus - St. Gallen erwägt Stopp

Hände weg von Kindergenitalien!Nach den Reaktionen auf das Urteil des Landgerichts Köln, Knabenbeschneidung als strafbare Körperverletzung und Verstoss gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit einzustufen (>>> dieser Blog berichtete), wollen nun Bundesregierung sowie alle Parteien (mit Ausnahme von die Linke) der aktuellen öffentlichen Diskussion mit einem Schnellgesetz einen Riegel vorschieben. Unterstützt wird dieses Vorhaben durch ein Trommelfeuer von Medienberichten, welche lautstark "Beschneidung [sic!] der Religionsfreiheit" reklamieren.

Auf der anderen Seite wurde die in Online-Kommentaren zum Vorschein kommende Tendenz, dass die (meist erdrückende) Mehrheit es mit dem Landgericht hält und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder hochhält, mittlerweile auch durch Meinungsumfragen untermauert: 

  • Laut einer >>> Emnid-Umfrage von Focus (--> zu unterst) ergibt sich ein Verhältnis von 56% BefürworterInnen des Verbots gegenüber 35% GegnerInnen. Pikant: "Unter allen Parteianhängern finden sich die meisten Befürworter des Urteils bei Wählern der Union mit 69 Prozent, gefolgt von Unterstützern der Linkspartei mit 68 Prozent. Anhänger der SPD bewerten den Richterspruch zu 53 Prozent als richtig."
    ...
    Verbot der Beschneidung: Juden und Muslime fordern Korrektur des Urteils - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/verbot-der-beschneidung-juden-und-muslime-fordern-korrektur-des-urteils_aid_775212.html
  • Eine >>> mingle-Umfrage ergab 59% BefürworterInnen des Verbots gegenüber 28% GegnerInnen, Eltern waren gar zu 64% für ein Verbot.
  • Eine >>> YouGov-Umfrage im Auftrag der dpa kam auf 45% BefürworterInnen des Verbots gegenüber 42% GegnerInnen, weiter war eine Mehrheit (55%) der Ansicht, ein Verbot wäre für Deutschlands Ansehen  in der Welt NICHT schaden (eines der Hauptargumente der GegenrInnen), und "83 Prozent meinen, Religionen sollten mit der Zeit gehen und nicht um jeden Preis an alten Traditionen festhalten. Nur neun Prozent meinen, eine Modernisierung religiöser Bräuche sei nicht nötig."
  • Eine >>> 2. Emnid-Umfrage von Focus, diesmal im Zusammenhang mit dem Legalisierungs-Schnellgesetzvorhaben, kam auf 48% BefürworterInnen des Verbots gegenüber 40% GegnerInnen. Diesmal pikant: "In Ostdeutschland stellen die Beschneidungsgegner die deutliche Mehrheit: Hier wenden sich 55 Prozent gegen die geplante Legalisierung, die Union, FDP und SPD im Herbst verabschieden wollen. 38 Prozent der Ostdeutschen hält sie für gut. Nur bei Anhängern der Union und der Grünen sind mit 45 beziehungsweise 53 Prozent eine Mehrheit für das Beschneidungsgesetz. Wähler von FDP, SPD und Linkspartei lehnen den geplanten Paragraphen mehrheitlich ab."

Erfreulicherweise gab es in in den Medien trotz überwiegender redaktioneller Anti-Verbots-Kommentare auch wichtige und gewichtige Gegenstimmen, die sich für das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit stark machen, so etwa der Artikel >>> "Beschneidungen: Unterschätztes Trauma-Risiko" in der Frankfurter Allgemeinen und >>> "Kindermissbrauch - Tabu im Judentum" auf hagalil.com/bet-debora (danke an KommentatorInnen auf NetztwerkB für die Hinweise), weiter >>> "Streit um das Beschneidungsurteil Ratio zwischen Recht und Religion" in der Süddeutschen und >>> "Beschneidung: Das richtige Urteil!" in der Zeit sowie der Anwalt Thomas Stadler: "Die Beschneidung des Rechtsstaates". Ebenso ein >>> Interview mit Maximilian Stehr: "Das Wohl des Kindes ist nicht verhandelbar" in der Frankfurter Rundschau (Danke an Sabrina Schwanczar für den Hinweis).

Zudem im Spiegel >>> Bettina Röhl: Beschneidung - Ein Plädoyer für das Grundgesetz und in der Taz mit Blickpunkt auf "christliche Beschneidungen" >>> Beschneidung als Kur gegen Masturbation sowie ein >>> Interview mit der jüdischen Gruppe Ben Schalosch ("Vollständiger Sohn"), die sich in seit 20 Jahren gegen Beschneidungen einsetzt, die sie als "Ein Akt der Vergewaltigung" klassifiziert.

Dezidiert für ein Verbot votierten die >>> Giordano Bruno Stiftung: "Vorhautbeschneidung ist keine Bagatelle" sowie deren Vorsitzender >>> Michael Schmidt-Salomon: "Bundestag will Kinderrechte beschneiden" (inkl. >>> witziger Karikatur) und die >>> "Erklärung zum Kölner Beschneidungsurteil" auf beschneidung-von-jungen.de (ebenfalls auf manndat.de).

Die >>> Deutsche Kinderhilfe warnt vor "Blankocheck für Kindesmisshandlung", und der >>> Humanistische Verband Deutschlands warnt "vor Rückbau des säkularen Rechtstaates".

Die Lobbygruppe für Betroffenen von sexualisierter Gewalt an Kindern >>> netzwerkB lehnt die Beschneidung von Kindern aus religiösen Motiven als Gewalt gegen Kinder ab, ebenso >>> MOGIS e.V. im "Offener Brief an alle Kinderrechte- und Kinderschutz-Verbände".

Der >>> Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert ein Moratorium und einen Runden Tisch und startete u.a. zusammen mit dem >>> Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. und der Deutschen Kinderhilfe eine Bundestags-Petition.

Auch die >>> Kinderlobby Schweiz will einen politischen Verbots-Vorstoss starten.

Plus: Guter >>> Offener Brief „Religionsfreiheit kann kein Freibrief für Gewalt sein“ von bisher über 140 MedizinerInnen und JuristInnen auf FAZ.net.

Plus ein >>> Focus-Interview mit Holm Putzke mit dem Titel "Die Politik reagiert reflexhaft, nicht reflektiert".

Plus ein >>> Tagesspiegel-Interview mit der Familienrechtlerin Susann Bräcklein in der Süddeutschen mit dem Titel "Erlaubt ist, was nicht schadet".

Plus ein >>> NZZ-Bericht über Kontroversen unter CH-Juristen.

Nachtrag:

Kinderspital Zürich stoppt Beschneidungen - Kispi St. Gallen erwägt Moratorium

Inzwischen hat das Kinderspital Zürich ein vorläufiges Motatorium für medizinisch nicht notwendige Knabenbeschneidungen erklärt (>>> Beobachter / Tages-Anzeiger). In einer TA-Online-Umfrage mit bisher über 2000 Beteiligten >>> begrüssen 80% aller Abstimmenden diesen Entscheid

Nach den Sommerferien >>> will auch das Kinderspital St. Gallen über ein Moratorium beraten.

Meine 2 Cent: Schade nur, dass beide Kliniken bisher bei Kindern mit "atypischen" Genitalien weniger Skrupel zeigen, medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen durchzuführen, geschweige denn im Namen der Kinder darauf zu verzichten - obwohl letztere massiv gravierendere Eingriffe sind und auch viel häufiger praktiziert werden: Allein das Kinderspital Zürich führt nach Aussagen von Angestellten dort  2 "Hypospadiekorrekturen" wöchentlich durch (im Vergleich zu den im Artikel erwähnten 2 medizinisch nicht notwendigen Beschneidungen monatlich).

UPDATES: Auch das >>> Berner Inselspital will nach den Sommerferien über ein Moratorium beraten. Das >>> Bieler Spital Wildermeth lehnt ein Moratorium ab, >>> dito das Basler Kinderpsital, >>> dito Luzern.

UPDATES 2: Am 10.8.12 hob das Kinderspital Zürich das Beschneidungsmoratorium wieder auf (>>> Tages-Anzeiger >>> NZZ 1 >>> 20min >>> TA-Interview mit Kispi-Direktor Sennhauser >>> NZZ 2).

Davor gabe es eine Anzeige gegen das Kispi, die Staatsanwaltschaft lehnte eine Untersuchung jedoch ab (>>> NZZ).

Das Kispi St. Gallen lehnte inzwischen ein Moratorium ab und beschneidet unverändert wie eh und je  (>>> DRS)

>>> Chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Zwitter-Genitalverstümmelungen: Diskriminierung oder Verbrechen? 
>>>
Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch
>>> "Aufarbeitung tut not!" Klitorisamputationen u.a. "Genitalkorrekturen" an Kindern

Comments

1. On Tuesday, October 30 2012, 17:34 by Jonas

Hallo,

ihr habt eine tolle Seite! Meine Achtung für euer Engagement zur körperlichen Unversehrheit und dem Erhalt der natürlichen Vielfalt.
Mir selber ist es ein Rätsel, warum Menschen versuchen Dinge stets zu ordnen zu müssen statt einfach die vorhandene Diversität, die es gibt, zu geniessen.

Eine Frage hätte ich noch: Habt ihr zu der BUndestags-Karikatur eine Quelle? Ich versuche nämlich den Verfasser dieser zu kontaktieren unud um eine Nutzungserlaubnis zu fragen.

2. On Wednesday, October 31 2012, 01:26 by seelenlos

hi jonas

die karikatur ist vom verlinkten artikel der giordano-bruno-stiftung, dort hats auch einen copyrighthinweis und downloadlinks in verschiedenen grössen:
http://www.giordano-bruno-stiftung....