Rezension von Heinz-Jürgen Voß zu Schweizer/Richter-Appelt (Hrsg.): "Intersexualität kontrovers"

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Kann ein Zwitter Sünde sein?

Gelungene >>> Rezension von Heinz-Jürgen Voß auf querelles.net, Danke! Sehr schön auch das passende Zitat von Michel Reiter in der Rezi, als Replik auf die üblichen Medizyner-Zirkelschlüsse im Buch, vorliegend durch den australischen Serien-Genitalverstümmler Garry L. Warne:

„Werden Kritiken an den geschlechtlichen Assimilationsmethoden laut, wie in den USA seitens der Intersex Society of North America (ISNA) oder der AGGPG [Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie, gegründet 1996; Anm. HV] in Deutschland formuliert, versucht man diese zuerst zu Spinnern zu erklären; und nützt dies nichts, werden Übernahmeangebote an die Aktivisten getätigt, indem man ihnen eine wissenschaftliche Karriere in Aussicht stellt und sie an einer Modifikation ihrer Behandlungen beteiligt. Gleichfalls versichert man, vor allem gegenüber der Öffentlichkeit, die Eingriffe humaner zu gestalten, indem die Quantität der chirurgischen Eingriffe reduziert, ihre Qualität und eine psychotherapeutische Hilfeleistung dagegen expandiert werden. Beweise für diese Behauptungen werden nicht geliefert. Man spricht von Fehlern in der Vergangenheit und den technischen Weiterentwicklungen heute und in Zukunft. Daß es dabei ungebrochen um des Gärtners Vorstellungen geht, um viel Geld und Forschungsmaterial, um Prestige und Macht, aber niemals um den Menschen, fällt dort nicht weiter auf.“
(Michel Reiter: "Medizinische Intervention als Folter", 30.6.2000).

(Nachtrag: Warne darf obendrein auch 2013 noch unverändert in einer Publikation unter Beteiligung von XY-Fauen/Intersexuelle Menschen e.V. medizinisch nicht notwendige Kastrationen plus alle sonstigen Genitalverstümmelungen an "AIS-Mädchen" unwidersprochen propagieren, vgl. hier unter "Operationen von Mädchen mit AIS" sowie Anmerkung in Quellenangabe.)

Ich selber habe es bisher nicht geschafft, mich durch das ganze Buch hindurch zu quälen. Soweit ich bisher kam, bestätigte sich, dass es zwar vordergründig sehr differenziert und ausgewogen daherkommt, letztlich aber doch praktisch ausschliesslich die üblichen GenitalabschneiderInnen, deren FreundInnen und ApologetInnen zu Wort kommen. Prinzipielle Kritik an den Verstümmelungen unter Berücksichtigung von elementaren Menschenrechten wie etwa dem Recht auf körperliche Unversehrtheit ist – Überraschung! – einmal mehr nicht gefragt. Sondern stattdessen die üblichen Ablenkungsmanöver von wegen "Rekonstruktionsoperationen" und "eigentlich nicht direkt kosmetisch" usw., wie sie (als Reaktion auf die andauernde Kritik Überlebender) aktuell unter Medizynern Mode sind und u.a. schon in Katinka Schweizers schriftlicher Ethikrat-Stellungnahme zu finden waren. 

Das Tüpfelchen auf dem i dann die (von Voß in seiner Rezension erwähnte) Behauptung von "Hertha Richter-Appelt & Katinka Schweizer" in der Einführung des Buches, es sei ihnen "diesmal leider nicht gelungen, eine stärkere Beteiligung von Experten in eigener Sache zu erwirken". Dies ist offensichtlich (einmal mehr) Heuchelei bzw. erstunken und erlogen: Wie Nella berichtet, gingen weder bei Selbsthilfegruppen oder sonstigen Interessevertretungen der Betroffenen noch über entsprechende Mailinglisten je irgendwelche Anfragen zur Mitarbeit ein. Auch sonst sind Richter-Appelkt & Co. ja nicht gerade dafür bekannt, einen breiten und offenen Dialog auch mit kritischen Betroffenen zu suchen. Wäre ja noch schöner ...

Nachtrag: Besprechung auf aerzteblatt.de

>>> Besprechung zu "Intersexualität kontrovers" von Anja Gregor 

>>> Diskussionsbeiträge zu Richter Appelt aus 2010