Intersex-Stellungnahme von pro familia NRW
By seelenlos on Friday, August 29 2014, 15:01 - Forderungen - Permalink
Bereits im Frühjahr veröffentlichte pro familia Nordrhein-Westfalen eine >>> "Stellungnahme zur Behandlungssituation Intersexueller Menschen" (PDF). Immerhin erwähnt diese verdankenswerterweise an erster Stelle, "intersexuellen Menschen" würden "ihre Rechte auf körperliche Unversehrtheit [...] beschnitten", und um "hier die Menschenrechte zu wahren, muss mit Operationen
und medikamentösen Behandlungen, die nicht medizinisch indiziert sind, bis zur Einwilligungsfähigkeit der betroffenen Person gewartet werden".
Dafür von diesem Blog ein ganz herzliches Dankeschön!
Leider geht es der Stellungnahme aber ansonsten endlos um "die gesellschaftliche Vorstellung einer ausschließlich in männlich und weiblich eingeteilten Welt", und die einzige konkrete gesetzgeberische Forderung ist einmal mehr "ein rechtlicher Status für Inter*" – getreu dem Vorbild der (von Betroffenen überwiegend kritisierten) Stellungnahme des Deutschen Ethikrates, auf welche sich die pro familia ausschließlich bezieht – sämtliche weitergehenden Stellungnahmen (z.B. vom UN Sonderberichterstatter über Folter von 2013, oder die abschließenden Empfehlungen des UN-Ausschusses gegen Folter für Deutschland von 2011) werden schlicht außen vor gelassen ...
Meine 2 Cent: Wohin solche zahnlose und täterInnenfreundliche Fokussierung auf Personenstandspolitik letztlich führt, zeigt eindrücklich die (von Betroffenen einhellig kritisierte) Personenstand-Murks-Novelle § 22(3) PStG von 2012 (deren negative Folgen für die Betroffenen zum Zeitpunkt der Verabschiedung der pro familia Stellungnahme längst öffentlich bekannt waren), und die mittlerweile noch von Bundesrat mit einer Verwaltungsvorschrift unterfüttert wurde, die einmal mehr den GenitalverstümmlerInnen einen Freipass und die alleinige Deutungshoheit zuspricht ...
Falls po familia NRW wirklich etwas an der konkreten Beendigung der massiven Menschenrechtsverletzungen an Intersexen liegt, und nicht an blossen Alibi-(Gender-)Diskussionen, die letztlich den VerstümmlerInnen in die Hände arbeiten, wäre es dringend angezeigt, sich einerseits umfassend zu informieren, und andrereseits in erster Linie konkrete gesetzgeberische Maßnahmen zur sofortigen Beending der auch in NRW immer noch ungehindert andauernden Intersex-Genitalverstümmelungen zu fordern!
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy
2014 NGO Report to the UN Committee on the Rights of the Child (CRC)
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Bei uns in Schleswig-Holstein gibt es jetzt den "Aktionsplan für Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten". Dazu gehört die Broschüre "Wortschatz", herausgegeben vom LSVD Schleswig-Holstein e.V., in der einige Begriffe erklärt werden. Bei "intersexuell" steht: "Es geht um Kinder, die bei der Geburt nicht eindeutig als männlich oder weiblich zu erkennen sind. Sie wurden früher oft zwangsweise zu Mädchen oder Jungen operiert und mit Hormonen behandelt." Darauf angesprochen, dass dieses immernoch geschieht, sagte der LSVD, dass Fachleute meinten, inzwischen würde ein Umdenken stattfinden, gerade im Hinblick auf die Stellungnahme des Ethikrates. Daraufhin nochmals angesprochen, dass das ja sein könnte, aber die Aussage in der Broschüre schlichtweg falsch ist, sagte der LSVD, man würde den Einwand für die nächste Auflage diskutieren. Der LSVD hätte es eigentlich besser wissen müssen!