2016 > Schweiz > IGM-Verbot in beiden Kammern auf Traktandenliste - 2017: 2x abgelehnt

Bern 10.12.2015: Friedlicher Intersex-Protest + Offener Brief zum Tag der Menschenrechte

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Weihnachtsgeschenk für die Intersex-Bewegung aus Bern! Wie uns das Sekretariat der Kommissionen für Rechtsfragen kurz vor den Festtagen mitteilte, wird unser Offener Brief “Intersex-Genitalverstümmelungen endlich verbieten!”, den wir am internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember vor dem Bundeshaus zusammen mit einem Flugblatt mit Hintergrundinfos (PDF – ab S. 2: TRIGGERWARNUNG!!!) an ParlamentarierInnen und PassantInnen verteilten, sowie persönlich oder per Post allen Mitgliedern des Bundesrates (= Schweizer Regierung), der Präsidentin des Nationalrates (= große Kammer), dem Präsidenten des Ständerates (= kleine Kammer) und allen Fraktionen und Jugendorganisationen der Parteien, sowie per E-Mail allen ParlamentarierInnen zukommen liessen, von den beiden Räten als Petition weiterbehandelt, und wurde dazu an die beiden zuständigen Rechtskommissionen weitergeleitet.

Damit ist die Hauptforderung der Intersex-Bewegung nach gesetzgeberischen Maßnahmen zur Beendigung von IGM-Praktiken als wirksamen Schutz für alle Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, wie sie seit 2012 auch von der Schweizerischen Nationalen Ethikkommission NEK-CNE offiziell unterstützt wird, endlich offiziell in den beiden Kammern angekommen und muss nun dort diskutiert werden. Dafür von diesem Blog an alle Beteiligten ein ganz herzliches Dankeschön!

Wie das Sekretariat der Rechtskommissionen weiter mitteilte, wird das öffentliche parlamentarische Verfahren "erfahrungsgemäss einige Zeit" in Anspruch nehmen – die Zwischengeschlecht.org nutzen will, um mit verschiedenen Mitteln Regierung, Parlament und nicht zuletzt auch die Öffentlichkeit weiterhin auf das andauernde Unrecht der Intersex-Genitalverstümmelungen aufmerksam zu machen. Bereits kam es diesbezüglich zu ersten persönlichen Kontakten mit ParlamentarierInnen, und am 9. Februar wird die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich zum Thema einen öffentlichen Vortrag mit Diskussion veranstalten (mehr dazu in Kürze).

Zusätzlich zu den im Offenen Brief erwähnten, bereits erfolgten UN-Rügen an die Schweiz durch den Kinderrechtsausschuss (CRC) und den Ausschuss gegen Folter (CAT) untersucht aktuell der Menschenrechtsausschuss (HRCttee) IGM-Praktiken in der Schweiz; zudem stehen in naher Zukunft weitere Staatenprüfungen der Schweiz u.a. durch den Frauenrechtsausschuss (CEDAW) an.

Nachfolgend der weitere Verlauf in den beiden Räten:

Chronologie 2015-2017

22.12.205: Antwort des Sekretariats der Rechtskommissionen, der Offener Brief wird in beiden Räten als Petition an die Hand genommen (vergrössern / PDF --> S. 2):

03.03.2016: Die "Petition" ist nun viersprachig (Deutsch | Français | Italiano | English) unter der offiziellen Geschäftsnummer 15.2043 in der Parlamentsdatenbank eingetragen:

2017: Petition in beiden Kammern abgelehnt

06.01.2017: Die  Rechtskommission des Ständerates (RK-S) empfielt die Petition einstimmig zur Ablehnung, unter Bezugnahme auf die tatsachenwidrigen Behauptungen des Bundesrates, wonach IGM ausschliesslich "[i]n der Vergangenheit" stattfand und die NEK-CNE-Empfehlungen "bereits umgesetzt [sind] oder [...] sich in Umsetzung [befinden]".
>>> Kommissionsbericht RK-S (PDF)

16.03.2017:  Der Ständerat folgt der Empfehlung der RK-S und lehnt die Petition ab.
>>> Amtliches Bulletin

26.04.2017: Die Rechtskommissionen des Nationalrates (RK-N) empfielt die Petition mehrheitlich zur Ablehnung, unter Bezugnahme auf die tatsachenwidrigen Behauptungen des Bundesrates, wonach IGM ausschliesslich "[i]n der Vergangenheit" stattfand und die NEK-CNE-Empfehlungen "bereits umgesetzt [sind] oder [...] sich in Umsetzung [befinden]". Eine Minderheit von 8 Mitgliedern der RK-N "möchte das Anliegen der Petition jedoch aufnehmen und den Bundesrat mit einer Motion dazu verpflichten, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Intersex- Genitalverstümmelungen verbietet. [...]"
>>> Kommissionsbericht RK-N (PDF)

16.06.2017:  Der Nationalrat folgt der Mehrheitsempfehlung der RK-S und lehnt die Petition ab (131 Stimmen), allerdings mit 63 Gegenstimmen für den Minderheitsantrag, ein Verbot weiterzuverfolgen (siehe oben).
>>> Amtliches Bulletin
>>> Resultat namentliche Abstimmung | als PDF

>>> Offener Brief zum Tag der Menschenrechte, Bern 10.12.2015 | PDF
>>>
Flugblatt mit Hintergrundinformationen (PDF -- ab S. 2: TRIGGERWARNUNG)

Siehe auch:
"Schädliche Praxis" und "Gewalt": UN-Kinderrechtsausschuss (CRC) verurteilt IGM
- "Unmenschliche Behandlung": UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) verurteilt IGM
- UN-Menschenrechtsausschuss (HRCttee) untersucht IGM-Praktiken
- "Nur die Angst vor dem Richter wird meine Kollegen dazu bringen, ihre Praxis zu ändern" 
- UN-Behindertenrechtsausschuss (CRPD) kritisiert IGM-Straflosigkeit in Deutschland
- CAT 2011: Deutschland soll IGM-Praktiken untersuchen und Überlebende entschädigen

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

Input von Daniela Truffer zum "Fachtag Intersex"
  • IGM Überlebende – Danielas Geschichte
  • Historischer Überblick:
     "Zwitter gab es schon immer – IGM nicht!"
  • Was ist Intersex?  • Was sind IGM-Praktiken?
  • IGM in Hannover  • Kritik von Betroffenen  • u.a.m.
>>> PDF-Download (5.53 MB)