D > UN Behindertenrechtsausschuss kritisiert Intersex-Genitalverstümmelungen, fordert u.a. Untersuchung, gesetzgeberische Maßnahmen, Zugang zu Justiz und Entschädigung
By seelenlos on Friday, April 17 2015, 18:59 - Forderungen - Permalink
Hipp, hipp! Zum Ende seiner 13. Sitzung veröffentlichte der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) heute zum 1. Mal Empfehlungen zum Thema Intersex (>>> PDF englisch --> S. 6–7, Abs. 37-38), nachdem er zuvor in Genf die Deutsche Staatenvertretung dazu befragt hatte (dieser Blog berichtete).
In seinen verbindlichen Empfehlungen rügt der Ausschuss unter "Schutz der Unversehrtheit der Person (Art. 17)" ausdrücklich die Untätigkeit der Bundesregierung bei den in der BRD immer noch weit verbreiteten IGM-Praktiken, und erinnert Deutschland daran, die diesbezüglichen Forderungen des UN-Ausschusses gegen Folter (CAT) aus dem Jahre 2011 endlich umzusetzen. Dabei macht sich der Behindertenrechtsausschuss die CAT-Empfehlungen zu eigen.
Der UN-Ausschuss gegen Folter hatte 2011 verbindlich empfohlen (CAT/C/DEU/CO/5), u.a.
"Vorfälle, in denen intersexuelle Menschen ohne wirksame Einverständniserklärung chirurgisch oder anderweitig medizinisch behandelt wurden, zu untersuchen, und Rechtsvorschriften zu erlassen, die den Opfern solcher Behandlungen Rechtsschutzmöglichkeiten, einschließlich angemessener Entschädigungen, gewähren".
Nachfolgend eine inoffizielle Deutsche Übersetzung der Empfehlungen des UN-Behindertenrechtsausschusses an Deutschland betreffend Intersex:
(CRPD/C/DEU/CO/1 >>> PDF Deutsch | DOC englisch --> Abs. 37-38)
Schutz der Unversehrtheit der Person (Art. 17)
37. Der Ausschuss ist besorgt über: [...] c) die fehlende Umsetzung der Empfehlungen CAT/C/DEU/CO/5, Abs. 20 von 2011, betreffend Aufrechterhaltung der körperlichen Unversehrtheit von Intersex-Kindern.
38. Der Ausschuss empfiehlt, dass der Vertragsstaat notwendige Schritte unternimmt, einschließlich gesetzgeberischer Art, um:
[...]
(d) Alle Empfehlungen von CAT/C/DEU/CO/5, Abs. 20 betreffend Intersex-Kinder umzusetzen.
Meine 2 Cent: Zwar blieb der Ausschuss mit dieser Empfehlung wohl hinter den (hohen) Erwartungen der meisten Betroffenen zurück. Insbesondere, dass nicht (wie bereits zuvor in den Fragen der List of Issues (LoI)) explizit auch betreffend Datenerfassung und Statistik zusätzlich Druck gemacht wurde, ist zu bedauern, ebenso betreffend des andauernden Skandals der Verweigerung lebenswichtiger Medikamente für Betroffene mit AGS/CAH mit Salzverlust.
Trotzdem ist es ein schöner Erfolg, dass sich der Behindertenrechtsausschuss die CAT-Empfehlungen ausdrücklich zu eigen macht:
Dadurch wird sich der Druck nochmals deutlich erhöhen – sowohl auf die unbelehrbaren GenitalabschneiderInnen, wie auch auf ihre HelfershelferInnen in der Politik! DANKE!
Der thematische Intersex-NGO-Bericht 2015 v. Zwischengeschlecht.org an den UN-Behindertenrechtsausschuss dokumentiert relevante Menschenrechtsverletzungen an Intersex-Menschen in Deutschland:
>>> "Intersex-Menschen in Deutschland und die BRK"
>>> "IGM-Statistiken: 20 Jahre Lügen und Leugnen der Bundesregierung"
>>> "Faktische Straflosigkeit von IGM-Praktiken, kein Zugang zu Justiz"
>>> "Verweigerung lebenswichtiger Medikamente"
>>> Live-Bericht aus der BRD-Staatenprüfung in Genf, 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
Comments
Under the few people who declare publiquely their protest against any form of female genital mutilation should be representativ persons of our Germany.
I urge you to take steps in order to stop this "tradition".
Helena Graf