"Who killed David Reimer?" - Wie Judith Butler und Friedemann Pfäfflin die medizinischen Verbrechen des John Money beschönigen und Moneys Schuld stattdessen Milton Diamond und John Colapinto in die Schuhe schieben wollen
By seelenlos on Monday, December 8 2008, 00:12 - Die Mediziner - Permalink
Nachtrag 2012/2013: Heinz-Jürgen Voß (Blog) ist einer der leider raren
Geschlechterforscher, bei dem die inhaltliche Kritik an der vereinnahmenden
Ausblendung der Menschenrechtsverletzungen an Zwittern offensichtlich nicht nur
zum einen Ohr rein und zum andern flugs wieder raus ging, sondern der die
Argumente und Quellen auch zur Kenntnis nahm, und der seither immer mal wieder
beweist, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat und die Anliegen der
Überlebenden von kosmetischen Genitaloperationen ernst nimmt. Dafür im
Namen dieses Blogs ein ganz herzliches
Danke!
>>>
Heinz-Jürgen Voß: "Intersexualität - Intersex. Eine Intervention" (2012)
>>>
Heinz-Jürgen Voß: "Intersex: aktuelle Debatten und Entwicklungen in der BRD"
(2013)
>>> Nachtrag 1 & 2 (siehe unten)
Über David Reimers (22.08.1965–04.05.2004) tragische Geschichte muss ich hier wohl nicht ins Detail gehen (ansonsten siehe z.B. Süddeutsche / Wiki / Cicero / FAZ).Obwohl David Reimer nicht "intersexuell" war, ist die Widerlegung von John Moneys Lügen über sein angeblich "erfolgreiches Zwillingsexperiment" an David und seinem Bruder Brian durch Milton Diamond ab 1995 und John Colapinto ab 1997 eines der entscheidenden Ereignisse (wenn nicht das entscheidende Ereignis), welches dem Kampf der sich organisierenden Zwitter gegen genitale Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und sonstige nicht eingewilligte "medizinische" Zwangs-"Behandlungen" in verstärktem Masse Auftrieb, Öffentlichkeit und Durchschlagskraft bescherte.
Wenig überraschend, dass von Seiten der "Church of Sexology" und der (ihr meist angegliederten) "Gender/Queer/Trans*-EnthusiastInnen" verstärkt daran gearbeitet wird, David Reimer, Milton Diamond und John Colapinto zu diskreditieren, um im Gegenzug John Money und seine speziell für Zwischengeschlechtliche so verhängnisvollen Gender-Thesen zu rehabilitieren.
Eine der beliebtesten Vorgehensweisen dazu ist, John Money aus der Schusslinie zu nehmen – und stattdessen Diamond und Colapinto die Schuld an David Reimers Selbstmord in die Schuhe zu schieben.
So z.B. aktuell Heinz-Jürgen Voß ("Dipl.-Biologin" und Queer-Aktivist) in seiner (ansonsten über weite Strecken lesenswerten!) Besprechung des (leider – ausgerechnet! – mit Ausnahme der Selbsthilfe-Kontaktadressen) empfehlenswerten neuen Buchs von Michael Gröneberg und Kathrin Zehnder (Hrsg.): "Intersex". Geschlechtsanpassung zum Wohl des Kindes? Erfahrungen und Analysen (in Querelles-Net. Rezensionszeitschrift für Frauen und Geschlechterforschung). Mangels Belegstellen operiert Voß dabei u.a. mit der rhetorischen Wendung "besser wäre es indes":
[...] Bei dem oft betrachteten ‚Fall‘ John/Joan (bzw. Bruce/Brenda) und der Diskussion seines Selbstmordes ist es relevant – und dies findet sich nicht bei Richter-Appelt (S. 57) –, dass der Selbstmord im Jahr 2001 geschah, ein Jahr nach dem Erscheinen von J. Colapintos Buch, in dem dieser ‚Fall‘ beschrieben wurde und der volle, nicht anonymisierte Name John/Joans auftauchte. Ob das auch ein Auslöser für den Selbstmord war, ist nicht publiziert – besser wäre es indes, John/Joan aus der Position eines ‚Belegs‘ widerstrebender medizinischer Theorien zu entlassen, wegen derer er schon fortwährend zeitlebens befragt wurde (vgl. J. Butler in: Das Argument, 2002, Heft 242).
Bezeichnend auch, dass Voß erst einmal das Sterbedatum von David Reimer um 3 Jahre vorverlegt, um seine "These" besser "beweisen" zu können. Zudem sind die unmittelbaren Auslöser von David Reimers Selbstmord alles andere als "unpubliziert" (wenn auch kaum zufällig eher selten in "Gender-Studies"-Veröffentlichungen). Nebst dem vorangegangenen Selbstmord seines Zwilligsbruders heisst's dazu z.B. auf S. 3 im oben verlinkten Nachruf in der "Süddeutschen":
David Reimer heiratete schließlich eine Frau mit drei Kindern. Er arbeitete in einem Schlachthaus und bastelte an seinem Auto herum. Doch die Schatten des Missbrauchs in seiner Kindheit ließen ihn nicht los. Davids Frau Jane trennte sich nach zehn Jahren von ihm, er verlor seine Stelle und viel Geld bei Fehlinvestitionen.
Auch in diversen Interviews hatte Davids Mutter keinen Zweifel daran gelassen, dass es letztlich John Moneys verbrecherisches "Zwillingsexperiment" war, das David Reimers Leben kostete, wie auch das seines Bruders Brian. (Dass David Reimers Name in Colapintos Buch "auftauchte", erfolgte übrigens mit dessen ausdrücklicher Zustimmung. Zudem litt David Reimer wohl "fortwährend zeitlebens" weniger daran, "befragt" zu werden wegen "widerstrebender medizinischer Theorien" – niemand ausser Money zwang ihn zu Interviews – als vielmehr an den handfesten Folgen von Moneys menschenverachtendem "Experiment" inkl. Zwangskastration.)
Selbstredend, dass der von Voß geforderte Mantel des Schweigens über Davids Leben in erster Linie den Bestrebungen der Zwitter nach Selbstbestimmung schadet – und dafür den gewissenlosen Zwangsoperateuren und sonstigen ("Gender"-)Erben John Moneys nützt.
Kaum zufällig wird der "Colapinto/Diamond sind schuld"-Mythos auch vom früheren Money-Mitarbeiter Prof. Dr. Friedemann Pfäfflin regelmässig als "Tatsache" kolportiert, so z.B. in seinem angeblich objektiven "Gutachten" zu Sabrina Schwanczars Prozess (vgl. Dokumentation Zuschrift 2, worin Pfäfflin ebenfalls Diamond und Colapinto sowie die Zwitterbewegung als Sündenböcke aufbaut, um gleichzeitig seinen Kollegen Money zu entlasten – obendrein mit der "interessanten" rhetorischen Konstruktion, die Diskreditierung als "harmlose Frage" zu tarnen, die dann ruhig "unbeantwortet bleiben [kann]" nach dem Motto "Etwas bleibt immer hängen" – und wie auch Voß ebenfalls mit einem diskreditierenden Seitenhieb gegen die wegen ihrem Eintreten gegen Zwangsoperationen von vielen Zwittern geschätzte Hertha Richter-Appelt):
Diamond nahm 1995 mit dem inzwischen 30 Jahre alten Patienten Kontakt auf, der bis zur Pubertät als Mädchen aufgewachsen war, später aber doch als Mann leben wollte und lebte, ohne dass seine weitere Umwelt von seiner Vorgeschichte wusste, publizierte den Fall und vermittelte den Kontakt zu einem Journalisten, der den Kasus zu einer Monographie verarbeitete [...], aus der Anonymität riss und zum Paradefall einer Falschbehandlung stilisierte, an die sich die Bewegung der Intersexuellen eng anschloss (vgl. Interview mit Milton Diamond, geführt von Hertha Richter-Appelt am 31.1.2008 in Hamburg anlässlich des 2. Interdisziplinären Forums für Intersexualität, Zeitschrift für Sexualforschung, im Druck).
Dass sich der Patient schließlich als Reaktion auf den öffentlichen Wirbel, der um ihn gemacht wurde, suizidierte, wirft die Frage auf, welcher Teil seiner Behandlung, die ursprüngliche oder die spätere Behandlung durch die Medien ihm wohl mehr geschadet hat, doch kann diese Frage hier unbeantwortet bleiben.
Nachtrag 1: Wie Milton Diamond in dem paradoxerweise von Pfäfflin erwähnten Interview mit Hertha Richter Appelt erzählt (Zeitschrift für Sexualforschung 2008; 21; 369 – 376), wollte David Reimer "Money damals [1997] verklagen, aber sein Fall war in den USA bereits verjährt." (S. 174)
Ebenfalls kaum zufällig beruft sich Voss auf ein Vortrags-Transkript von Judith Butler, auf Deutsch in "Das Argument" erschienen als "Jemandem gerecht werden. Geschlechtsangleichung und Allegorien der Transsexualität". Voss' und Pfäfflins These, in Wahrheit seien Diamond und Colapinto schuld an David Reimers Tod und nicht John Money, findet sich dort so zwar nirgends.
Was sich hingegen auch in Judith Butlers Vortrag findet, sind Andeutungen, John Money sei besser als sein (mittlerweile verdient miserabler) Ruf, sowie übelste Verleumdungen, wonach u.a. ausgerechnet Milton Diamond Zwangsoperationen an Zwittern propagieren würde – letztere werden in "feministischen" Publikationen bei Bedarf nach wie vor munter weiter kolportiert (z.B. in Gabriele Dietzes ansonsten sehr lesenswertem Aufsatz "Schnittpunkte. Gender Studies und Hermaphroditismus", in: Dietze / Hark (Hrsg.): "Gender Kontrovers. Genealogien und Grenzen einer Kategorie.", S. 46-68).
Judith Butler verdankt Money und seiner "Gender-Theorie" viel – mehr als sie ihm Credit gibt, nämlich offiziell wohlweislich überhaupt keinen, so dass heutzutage die meisten "Gender-Studies-AnhängerInnen" meinen, Butler habe "Gender" erfunden. Auch mit "Moneys Institut" (wie sie es nennt), der Johns Hopkins Uni in Baltimore, ist sie verbunden durch eine Professur kurz nach ihrem ersten Buch "Gender Trouble". In ihrem Vortrag vom 8. Mai 2001 an der FU Berlin verteidigte sie sowohl Money persönlich wie auch "Moneys Institut" – ebenfalls mittels einer rhetorischen "aber lassen wir es dabei bewenden"-Figur:
Als der Fall vor Kurzem in die Presse kam, kritisierten PsychiaterInnen und praktische ÄrztInnen das Auftreten von Moneys Institut. Sie beanstandeten vor allem Joans Indienstnahme als Beleg für Auffassungen von einer Neutralität der Geschlechtsidentität in der frühen Kindheit, einer Formbarkeit der Geschlechtsidentität und einer vorrangigen Rolle der Sozialisation bei der Herstellung der Geschlechtsidentität. Genau genommen ist das nicht alles, woran Money glaubt, aber lassen wir es dabei bewenden.
Dass Butler zudem Diamond durchgehend als angeblichen Propagandist von Zwangseingriffen "denunziert", ist für mit der Materie Vertraute zwar nur noch lächerlich, hat aber System. Und ist zudem ebenfalls im Vortag von Butler kaum zufällig noch nicht mal seriös belegt, sondern lediglich mit einem einzelnen Zeitungsartikel, der zudem mutwillig "als Knabe erziehen" mit "zu einem Knaben zwangsoperieren" "verwechselt", sowie mit einem Kapitel aus "Sexing the Body" von Fausto-Sterling, in welchem Diamond gar nicht erwähnt wird – auch wenn Fausto-Sterling wohl mit Butler (und auch Voss) gemeinsam hat, dass ihnen "Gender-Fragen" und (ihre eigene) "Gender-Identität" wichtiger sind als ein raschestmögliches Ende der menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen an Zwittern ...
Auch wenn Milton Diamond als menschliches Wesen keineswegs unfehlbar ist, eine solch ungeheuerliche Behauptung wie diejenige Butlers, Diamond propagiere Zwangseingriffe an Zwittern, war im Jahre 2001, als Butler in Berlin ihren Vortrag hielt, klar nicht mehr mit Unwissenheit oder einem ehrlichen Versehen zu entschuldigen zu zahlreich sind gegenteilige Quellen.
Tatsache ist, dass Milton Diamond wohl derjenige Sexologe ist, der sich zumindest seit 1997 bis heute weltweit unermüdlich am nachhaltigsten gegen Zwangsoperationen und sonstige uneingewilligte Zwangs-"Behandlungen" an Zwittern einsetzt (zweifellos mehr als Voss, Butler und Fausto-Sterling zusammen – von Money und Pfäfflin ganz zu schweigen), wofür ihm weltweit praktisch alle Zwitter zutiefst dankbar sind (vgl. z.B. ISNA oder Intersexuelle Menschen e.V.)
Butler verbreitet selbstredend ihrerseits genau dieselbe Tasachenverdrehung auch über Cheryl Chase/ISNA:
[...] Diamond habe den Fall benutzt, um daraus eine Begründung für die operative Behandlung von Intersexen abzuleiten [...] Auf Angiers Frage, ob sie Diamonds Empfehlungen zur operativen Behandlung von Intersexen zustimme, antwortet Chase: ‘Die können sich nicht vorstellen, jemanden einfach in Ruhe zu lassen.’
Ebenso wird auch Colapinto von Zwittern in aller Welt für seine Verdienste hoch geschätzt und sein Buch auf praktisch allen einschlägigen Pages empfohlen (z.B. eins / zwei >> recommended resources / drei / vier).
Heinz-Jürgen Voß produziert hingegen trotz allem ev. guten Willen Texte wie z.B. "Geschlecht: Gender is Sex" (Rosa. Zeitschrift für Geschlechterforschung 36, Februar 08, S. 35-37 (Editorial & PDF-Download Inhaltsverzeichnis) --> Online-Volltext der ursprünglichen Version in neuroticker 13, September 2007), quasi eine etwas ausführlichere Blaupause für die Instrumentalisierung von Zwittern durch Transgender als "mehr-geschlechter.de" (vgl. >>> 6. Transgender), aber nach dem selben Motto:
Erstmal sichere ich mir die Aufmerksamkeit des Publikums durch Hinweis auf die krassen Menschenrechtsverletzungen an Zwittern, um danach sogleich umzuschwenken auf den "Geschlechterzwang, dem wir alle unterworfen sind" und sodann exklusiv auf meine eigenen Transgender-Queer-Partikularinteressen (Abschaffung des Geschlechtereintrags via 3. Geschlecht) – wenn ich dann später mal nach Belieben mein legales Geschlecht ändern oder weglassen kann und der "konstruierte Geschlechterzwang" so "beseitigt" ist, ist den Zwittern ja ev. auch geholfen – wo die Zwitter bis dahin (und auch danach) abbleiben, ist mir sch...egal ...
Ein Motto, das wohl auch Butler & Co. jederzeit unterschreiben – und nicht nur sie: Viele Zwangsoperateure rechtfertigen ihre Verbrechen bekanntlich ebenfalls auf genau dieselbe Tour: Solange "die Gesellschaft" die Geschlechter nicht abschafft, gehen uns die Menschenrechte der Zwitter am A... vorbei ...
Nachtrag 2: Siehe auch Diskussion im Vereinsforum!
Nachtrag 2012/2013: Heinz-Jürgen Voß (Blog) ist einer der leider raren
Geschlechterforscher, bei dem die inhaltliche Kritik an der vereinnahmenden
Ausblendung der Menschenrechtsverletzungen an Zwittern offensichtlich nicht nur
zum einen Ohr rein und zum andern flugs wieder raus ging, sondern der die
Argumente und Quellen auch zur Kenntnis nahm, und der seither immer mal wieder
beweist, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat und die Anliegen der
Überlebenden von kosmetischen Genitaloperationen ernst nimmt. Dafür im
Namen dieses Blogs ein ganz herzliches
Danke!
>>>
Heinz-Jürgen Voß: "Intersexualität - Intersex. Eine Intervention" (2012)
>>>
Heinz-Jürgen Voß: "Intersex: aktuelle Debatten und Entwicklungen in der BRD"
(2013)
Siehe auch:
-
Genitalverstümmelung & Gendertheorie: Hirschfeld-Money-Butler
-
Instrumentalisierung von Zwittern: Kritik aus 2002
-
Heinz-Jürgen Voß in "Liminalis" 3 (2009) – Zwitter-Vereinnahmung wie gehabt
...
-
Warum Zwitterforderungen, worin zu oberst nicht die schnellstmögliche
Beendigung der Zwangsoperationen steht, keine Zwitterforderungen sind, sondern
Vereinnahmung
-
Vereinnahmung von Zwittern: Das Transgender-Netzwerk Berlin TGNB macht's vor
...
-
QueerGrün missbrauchen Zwittersymbol für TSG-Kampagne
-
"Intersexualität" = sexuelle
Orientierung?!
-
Die Rede von der "psychischen Intersexualität"
Comments
Es ist ein ganz billiger Versuch, einen gewissenlosen Menschenrechtsverletzer rein zu waschen. Money hat gegen den Widerstand Milton Diamonds eine OP an einem Knaben durchgeführt. Money hat sich nicht bei David für das Unrecht entschuldigt, er hat ihn in seinem Elend allein gelassen. Jeder Versuch, einem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben ist durch die Tatsache der Operation durch Money nach meiner Einschätzung schon gescheitert.
David ist tot, Money ist tot, aber Hunderttausende genitalverstümmelte Zwitter leben und leiden an den Einschränkungen ihrer Lebensqualität. John Money und seine Theorie fordern bis heute einen hohen Preis.
Auf Heinz-Jürgen Voß' Blog http://dasendedessex.blogsport.de/2... hatte ich gleichzeitig folgenden Kommentar gepostet -- der allerdings zumindest bisher nicht freigeschaltet wurde ...
Im Wesentlichen ein sehr gelungener Artikel, aber warum schon wieder dieser unnötige Angriff auf Transsexuelle und Transgender? Es ist Money zu verdanken, dass es heute noch als psychologisches Problem geführt wird und ohne Money gebe es das Buch "The transsexual Empire" von Janice Raymond nicht, dass bis heute dafür sorgt, das so genannte radikale Feministininen Transpersonen als das impersonifizierte Feindbild betrachten.
Milton Diamond dagegen hat nicht nur Money entlarvt, sondern findet mit seiner "Biased interaction theory" auch das Bindeglied für die Frage, wie neurologische Geschlechtsausprägung auch zur erfahrenen geschlechtlichen Identifizierung führt.
Ihr stellt es so dar, als würden wir TG/TS unsere grössten Peiniger feiern und unsere Unterstützer verdammen.
Gruss, Sarah
hi sarah, tut mir leid, wenn das so bei dir ankam, doch der post war in keinster weise als "Angriff auf Transsexuelle" gedacht. dass "Gender/Queer/Trans*"-aktivistInnen sich selber als solche bezeichnen (und ich sie deshalb in gänsefüsschen so aufgeführt hab), obwohl sie nicht transsexuell sind, hat wohl zum missverständnis geführt.
(von wegen die eigenen peiniger feiern, tatsächlich gibt's transsexuelle, die aufgrund isolierter aussagen z.b. erben moneys wie meyer-bahlburg hochhalten und anführen, aber das ist ein anderes thema und hat nichts mit diesem post zu tun. zudem ist mir sehr wohl bewusst, dass es auch andere gibt, z.b. sabrina schwanczar.)
die antwort hab ich auch bei dasendedessex gepostet:
Lieben Dank für diese Anmerkung! Die Ausführungen unter diesem Link (https://blog.zwischengeschlecht.info...) sind auf jeden Fall lesenswert:
Danke dafür, dass Du das Datum berichtigt hast: 2004 ist korrekt.
Bezüglich der übrigen Anmerkungen vertrete ich eine andere Auffassung als Du.
1) Ich weise keinem der Beteiligten die Schuld am Selbstmord Reimers zu. Vielfältige Ereignisse werden dazu beigetragen haben - und der Einzige der dies aufklären könnte - Reimer selbst -, ist tot.
2) Aus der Perspektive, die ich aus der Betrachtung biologischer Theorien gewonnen habe, bin ich der Auffassung, dass die Ausführungen von Diamond bezüglich vermeintlich früher geschlechtlicher Prägung des Gehirns zu kritisieren sind. Solche Ausführungen Diamonds befördern das Denken, dass es sehr früh ausgeprägt dichotome Geschlechter gäbe. In letzter Konsequenz wird damit ein Zweigeschlechtersystem stabilisiert, mit ggf. Auswirkungen auf Menschen, die nicht den als typisch geschlechtlich betrachteten Merkmalen entsprechen.
3) Ich erkenne in dem Artikel von Richter-Appelt in dem hier rezensierten Buch (aber auch in einigen weiteren gelesenen Arbeiten) kein grundsätzliches Abrücken von frühen geschlechtszuweisenden Operationen. Die abschließenden Ausführungen in dem Buch “„Intersex“: Geschlechtsanpassung zum Wohl des Kindes?” sind aus meiner Sicht weitreichender und den Interessen von Intersexuellen dienlicher. Eine solche Kritik ist aus meiner Sicht gerade dazu dienlich, möglichst weitreichende Forderungen zu formulieren oder sich bei Kenntnis weitreichender Forderungen (!) ggf. auf aktuell und rasch umsetzbares zu beschränken.
4) Selbstverständlich bringe ich mich mit meinem Wissen in die Diskussion ein und thematisiere ich mir als problematisch erscheinende Punkte.
LG
h1i
etwas mehr Raum zum Darstellen meiner Auffassung hatte ich übrigens in dem Beitrag:
"Wie für Dich gemacht: die gesellschaftliche Herstellung biologischen Geschlechts."
In: Coffey, Judith / Köppert, Katrin / mAnN*, LCavaliero / Emerson, Juliette / Klarfeld, Roman*a / Müller, Daniela / Huber, Jamie / Emde, V.D.(Hrsg.): Queer leben – queer labeln? (Wissenschafts-)kritische Kopfmassagen. fwpf Verlag, Freiburg.
http://www.fwpf.de/index.php?isbn=9...
nochmal LG h1i
Ergänzung zur Zeitangabe von David Reimers Selbstmord:
Die Zahl 2001 (statt 2004) für den Tod hatte ich übrigens nicht aus ‘hohler Hand’ oder nutzte sie gar aus böser Absicht, wie Deine Beschreibungen hier nahelegen. Ich hatte über David Reimer kurz vor Verfertigung der Rezension noch einmal in der Zeitschrift “Emma” (Juli/August 2007, S.77) gelesen, und nutzte daher einen kurzen Blick in diese, für die zeitliche Einordnung.
Dort heißt es: “David Reimers ist 32, als er zum ersten Mal Colapinto trifft, der die “Wahre Geschichte von John/Joan” im Rolling Stone veröffentlicht, zunächst noch anonymisiert. Er ist 35, als das Buch erscheint, diesmal mit seinem vollen Namen. Er ist 36, als er sich eine Kugel in den Kopf jagt.”
Mein Fehler ist es, die Zahl nicht anderweitig überprüft zu haben.
Aber nicht nur die Angaben der Emma sind entsprechend kritisch zu sehen. Auch die von Dir hier oben angeführten Artikel in Süddeutscher Zeitung, Cicero und Frankfurter Allgemeine sind durch ihre massive Parteilichkeit - nicht auf Seiten von Reimer, sondern insbesondere gegen Theorien sozialer geschlechtlicher Prägung - problematisch.
In dem Artikel der Süddeutschen Zeitung werden auch Alkoholismus des Vaters, Depressionen der Mutter, im Cicero auch der Selbstmord des Zwillingsbruders mit David Reimer, und dessen Leiden unter gewalttätigen geschlechtszuweisenden Behandlungen, verknüpft.
Daher auch meine obige Aussage in der ersten Antwort auf Dich: nur David Reimer wäre berechtigt, zu den Gründen des Selbstmordes Auskunft zu geben.
hallo h1i
danke und respekt für deine inhaltlichen antworten!
natürlich hast du recht, dass nur david reimer selbst wirklich auskunft geben könnte. aber mit diesem argument die mit seinem "fall" verbundenen radikale kritik an den genitalen zwangsoperationen an zwittern zum verstummen zu bringen, finde ich trotzdem nicht gut.
du hast auch recht, dass auch "zeit" usw. (wie letztlich alle) parteiische standpunkte vertreten (die auch ich nicht alle teile). trotzdem sprechen sie betreffend der zwangsoperationen m.e. klar dinge an, die deine quellen oft unterschlagen. und die raschestmögliche beendigung der zwangsoperationen ist es, was hier priorität hat.
ich kann verstehen, wenn du in gender-fragen mühe hast mit diamond -- vor allem, wenn du seinen standpunkt nur aus feministischen sekundärtexten z.b. von judith butler kennst. doch es gibt auch eine perspektive, die über genderfragen hinausgeht. milton diamond war der erste und bleibt der bisher einzige mediziner, der AUS MENSCHENRECHTSGRÜNDEN ein sofortiges moratorium der zwangsoperationen fordert. deshalb verehren ihn praktisch alle zwitter, die ich kenne. z.b. elisabeth müller sagt, er sei der einzige mediziner, von dem sich zwitter als menschen respektiert fühlen. diamonds einsatz für die menschenrechte der zwitter ist real.
richter-appelt verantwortete die "hamburger studie 2007", die als erste die klagen der zwangsoperierten ernstnahm adäquat statistisch erfasste und die bundesregierung und all die medizyner lügen straft(e), die die behaupte(te)n, zwitter würden zwangsoperationen gar noch befürworten! zumindest dafür sind ihr alle zwitter, die ich kenne, dankbar.
es ist der praktische einsatz für die menschenrechte der zwitter, der hier letztlich zählt! da steht m.e. die gender-gemeinde bisher schmählich abseits, und dies vermisse ich auch in deinen texten, soweit ich sie kenne. die zwitter bloss zum exemplifizieren der eigenen theorien zu benutzen ist nicht toll. praktische solidarität ist gefragt, die zwangsoperationen müssen aufhören! dies ist meine meinung.
wir sind grad mitten in den vorbereitungen der aktionen an der uno in genf vom 25.1.-2.2., aber ich bin dankbar für deine inhaltliche kritik und werde darauf zurückkommen.
hg seelenlos
Hallo Seelenlos,
vielen Dank auch für Deine Antwort! Ich denke, dass wir da an einem Strang ziehen - Du und ich setzen uns dafür ein, dass mit Zwangsoperationen (geschlechtszuweisenden Operationen ohne Zustimmung des SELBST betroffenen Menschen) Schluss sein muss. Ein "informed consent" mit den Eltern kann eine solche, EIGENE Entscheidung nicht ersetzen.
Ich denke, dass sich diesbezüglich schon einiges bewegt, woran die Intersexuellenbewegung erheblichen Anteil hat. Auch Richter-Appelt und andere Mediziner_innen, aber auch zahlreiche Jurist_innen haben hier einiges geleistet, wofür ihnen zu danken ist.
Gleichwohl bleibt viel zu tun und heißt es, nicht stehen zu bleiben, bis nicht grundsätzlich (auch) solche Zwangsoperationen ausgeschlossen und geächtet sind.
Bei dem Weg dorthin scheinen wir unterschiedlicher Meinung zu sein. Du scheinst jedes Mittel als sinnvoll zu erachten, um bis zu diesem Punkt zu gelangen. Ich denke, dass es wichtig ist, diesen Punkt so schnell wie möglich zu erreichen. Ich finde es neben einer solchen wichtigen Realpolitik aber auch wichtig, daran zu denken, dass Zwangsoperationen DAUERHAFT ausgeschlossen bleiben. Hier empfinde ich es als sinnvoll die Gesellschaft so zu ändern, dass nicht mehr zwei Geschlechter zentral sind, sondern Geschlecht vielfältig - INDIVIDUELL ENTSCHIEDEN - gelebt werden kann. Hier steht mir tatsächlich Butler näher als Diamond.
Meine Kritiken richten sich stets sowohl auf Strömungen, die sich an Money anschließen (hier wegen der Zwangsoperationen, aber auch wegen durchaus wie Diamond auf Hormonen aufbauenden biologischen Determinismusses), als auch auf solche die sich an Diamond bzgl. biologischen Determinismusses anschließen. Dabei kannst Du Dir sicher sein, dass ich die Arbeiten von Money, Hampson etc. und Diamond, Meyer-Bahlburg etc. als Primärtexte kenne (ich betrachte sie mit in meiner Dissertation, an der ich derzeit arbeite).
Insofern arbeiten wir in die gleiche Richtung, mit leicht unterschiedlichen Wegen (und eventuell nur bzgl. der grundsätzlichen und unhintergehbaren Abschaffung von Zwangsoperationen am gleichen Ziel). Hier empfinde ich Diskussion sehr sinnvoll, die auch intensiv geführt werden muss. Dazu bedarf es jeweils kritischer Beiträge, die u.a. Du und ich beisteuern - u.a. auch hier.
Viele liebe Grüße
H1i