Wie das "Netzwerk DSD/Intersexualität" seine Versprechen bricht - und Intersexuelle Menschen e.V. sich nicht wehrt
By nella on Sunday, April 26 2009, 18:24 - Die Mediziner - Permalink
Ein Beispiel von vielen:
Nach dem Eklat beim Netzwerktreffen 2007 in Bochum und der darauf folgenden öffentlichen Kritik kam es am 1.11.2007 zu einer Aussprache zwischen VertreterInnen des "Netzwerk DSD/Intersexualität" und einer Delegation von Intersexuelle Menschen e.V. Dabei ging es unter anderem auch um die Veröffentlichungspolitik der Lübecker Netzwerkstudie. Dazu wurde vereinbart, dass betroffene Studienteilnehmer_innen die Publikationen im Voraus gegenlesen können und einen "Kommentar und die Anregungen und die Kritik dann entweder noch berücksichtigt oder zumindest als Diskussion mit veröffentlicht" werden.
Entgegen dieser Vereinbarung publizierte das "Netzwerk DSD/Intersexualität" im November 2008 auf seiner Homepage eine erste Veröffentlichung der Studienergebnisse, ohne dass irgendwer von den betroffenen Studienteilnehmer_innen diese im Voraus zu Gesicht bekam.
Auf eine entsprechende Beschwerde bei den Publikationsverantwortlichen des "Netzwerk DSD/Intersexualität" erfolgte am 24.11.2008 eine erneute Zusage, dass betroffene Studienteilnehmer_innen bei künftigen Publikationen "die Texte vorab bekommen, sobald eine Auswertung fertig ist". Es wurde vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe von Intersexuelle Menschen e.V. die Publikationen im Voraus per Mail erhalten und sie anschliessend kommentieren kann.
Auch dieses Versprechen wurde in der Folge vom "Netzwerk DSD/Intersexualität" erneut gebrochen.
Statt die Texte wie vereinbart vorab per Mail zu erhalten, erhielten die seinerzeitigen Vereinsdelegierten der Sitzung vom 1.11.2007 am 3.3.2009 eine Mail, worin sich das "Netzwerk DSD/Intersexualität" (ironischerweise) auf die besagte Aussprache vom 1.11.2007 und die damaligen Vereinbarungen bezieht und darüber informiert, "dass die ersten zwei Publikationen, die sich auf die Ergebnisse der Klinischen Evaluationsstudie beziehen, in Kürze fertig gestellt werden". Es handle sich dabei um zwei Artikel: "Der eine beschäftigt sich mit der allgemeinen Situation von Jugendlichen, der andere mit der psychosexuellen Entwicklung von Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen."
Von der Vereinbarung, die Texte vorab zugeschickt zu kriegen und einen Kommentar schreiben zu können, war plötzlich keine Rede mehr. Denn "aus rechtlichen Gründen" sei es nicht möglich, "unveröffentlichte Manuskripte im Vorfeld zu verschicken oder einem größeren Kreis zugänglich zu machen". Ein konkreter Beleg für diese Behauptung wurde nicht mitgeliefert.
Als Ersatz machte das "Netzwerk DSD/Intersexualität" in besagter Mail vom 3.3.2009 zwei sehr kurzfristige Terminvorschläge, an denen je eine der Veröffentlichungen in Lübeck für kurze Zeit eingesehen werden könnten: 18.3. und 8.4.2009 (Rückmeldung/Anmeldung bis 12.3.2009). Die "relativ kurzfristige Terminplanung" wurde damit begründet, dass die Auswertungen "später als erwartet fertig gestellt werden" konnten und "die Manuskripte aus personellen Gründen zeitnah eingereicht werden" müssen.
Deshalb bleibe dem "Netzwerk DSD/Intersexualität" "leider wenig Spielraum".
Und uns Betroffenen wieder einmal weniger als das!
Wieder einmal hat es das "Netzwerk DSD/Intersexualität" geschafft, sich um sein Versprechen vom 1.11.2007 herum zu reden.
Eine der Delegierten teilte darauf mit, dass sie den Termin vom 18.3. wahrnehmen werde. Über das Resultat wurden bisher weder der Vorstand noch die Vereinsmitglieder unterrichtet.
Die andere Delegierte beschwerte sich beim Netzwerk in einem persönlichen Mail, dass sich das "Netzwerk Intersexualität/DSD" "wieder einmal über die Abmachungen" hinweg setze. Da sie keinen der beiden Termine wahrnehmen konnte, forderte sie die vertrauliche Zustellung der Manuskripte. Das "Netzwerk DSD/Intersexualität" ging darauf wie gewohnt nicht weiter ein.
Wenig überraschend ist schon jetzt abzusehen, dass auch bei allen weiteren Publikationen zur Lübecker Netzwerkstudie die betroffenen Studienteilnehmer_innen wie gehabt aussen vor bleiben werden. (Welcher Mediziner will schon jedes Mal einen womöglich kritischen Kommentar von Betroffenenseite?)
Ebenso ist absehbar, dass Intersexuelle Menschen e.V. all diese gebrochenen Versprechen, die beim "Netzwerk Intersexualität/DSD" sozusagen schon Tradition sind, nie öffentlich rügen oder sich wirksam dagegen zur Wehr setzen wird.
Siehe auch:
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Wie das "Netzwerk DSD" die "Lübecker Studie" frisiert
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Intersexuelle Menschen e.V. distanziert sich stillschweigend vom "Netzwerk
DSD"
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Netzwerk DSD/Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht
anders
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Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln
aufgefordert
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Mein Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.
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5. Treffen Netzwerk Intersexualität Kiel 6.9.2008
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"Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000