Intersexuelle Menschen e.V. distanziert sich stillschweigend vom "Netzwerk DSD"

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Seit längerer Zeit steht der Verein "Intersexuelle Menschen e.V." von verschiedenen Seiten in der Kritik für sein unkritisches Verhältnis gegenüber dem "Netzwerk DSD/Intersexualität". Dies umso mehr, als durch das "Netzwerks DSD" zigfach Versprechen gebrochen und zentrale Anliegen der Zwitter demonstrativ nicht zur Kenntnis genommen wurden. Nun stoppte der Verein seine öffentliche Unterstützung des Netzwerkes – allerding ohne dies publik zu machen oder sonst irgend eine öffentliche Kritik zu formulieren.

Das "Netzwerk Intersexualität" (wie das heutige "Netzwerk DSD" ursprünglich hiess) existierte von 2003-2008. Es war ausschliesslich bundesfinanziert durch das BMBF und entstand nicht zuletzt auf Grund eines Antrags 14/6259 der Bundestagsfraktion DIE LINKE vom 12.06.2001 (>>> mehr).

In diesem Antrag wurde bereits festgelegt, dass das Netzwerk nicht selbstherrlich operieren darf, sondern "Interessenvertretungen von Intersexuellen" einbeziehen muss. Namentlich aufgeführt wurde im Antrag die von Michel Reiter mitbegründete "AGGP[G] (Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie)". Leider existierte diese bereits nicht mehr, als das "Netzwerk" schliesslich in die Gänge kam, und die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Selbsthilfegruppen waren entweder den Medizynern gegenüber allzu unkritisch ("AGS Eltern- und Patienteninitiative") oder der dem "Netzwerk" offensichtlich nicht gewachsen, um wirksam Paroli bieten zu können ("XY-Frauen", "Intersexuelle Menschen e.V.").

Im Gegenteil wurden insbesondere von Mitgliedern des aktuellen Vorstands von "Intersexuelle Menschen e.V." jahrelang jegliche konkreten Bestrebungen abgeklemmt, das "Netzwerk Intersexualität/DSD" endlich in die Pflicht zu nehmen und falls nötig auch öffentlich und politisch unter Druck zu setzen. Dies jeweils nach dem Motto "Wir haben den Fuss in der Türe, wir dürfen jetzt nicht zu laut auftreten, sonst verlieren wir alles" (ohne jeweils kritisch zu überprüfen, woraus dieses "alles" überhaupt bestand). So liessen sich Delegierte des Vereins eins ums andere Mal vom "Netzwerk" zu neuen Aussprachen und "Elefantenrunden" einladen, wo eins ums andere Mal schöne mündliche Versprechungen gemacht wurden, denen allerdings nie Taten folgten (oder nur schon ein versprochenes schriftliches Protokoll mit den Zusagen in schriftlicher Form).

Da das Netzwerk ausschliesslich von öffentlichen Geldern des BMBF finanziert wurde, hätte öffentlicher und politischer Druck durchaus Wirkungen zeigen können. Stattdessen legitimierte der Verein das "Netzwerk" jahrelang öffentlich mit folgender Ankündigung auf seiner Homepage:

Welches sind die Ziele von Intersexuelle Menschen e.V.?

[...] Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Akquisition von Fördergeldern der öffentlichen Hand zur Unterstützung der Arbeit sowohl von Intersexuelle Menschen e.V., als auch der einzelnen Selbsthilfegruppen und deren Mitglieder.
Zudem streben wir eine enge Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Intersexualität an, das im Rahmen des Förderprogramms „Seltene Erkrankungen“ beim Bundesministerium für Bildung und Forschung gegründet wurde und die Forschungsanstrengungen unterschiedlicher Teams von Wissenschaftlern im Bereich der Intersexualität bündelt (www.netzwerk-is.de).

Insbesondere der letzte Satz wurde von verschieden Aktivist_innen seit längerem kritisiert.

2009 ist nun die Netzwerkfinanzierung ausgelaufen und das ehemalige "Netzwerk" damit Geschichte. Anfang Jahr wurde deshalb die Nachfolgeorganisation "Netzwerk DSD" aus der Taufe gehoben, die Gelder fliessen nun vornehmlich aus EU-Kassen via die inzwischen ebenfalls neu gegründete Orgnisation "Euro DSD" (Olaf Hiort, 1. Vorsitzender des "Netzwerk DSD", ist auch bei "EuroDSD" der verantwortliche "Koordinator").

Ironie des Schicksals: Just nun, wo es nix mehr bringt, wurde im letzten Frühjahr schliesslich doch noch zunächst der oben zitierte, kritisierte Satz von der IMeV-Vereinspage entfernt, dito auch von der XY-Frauen-Page. (Mittlerweile wurde auf der Vereinshomepage auch der Rest des Abschnitts gestrichen.)

Dies alles klammheimlich, ohne dass es je öffentlich erklärt oder begründet wurde, geschweige denn, dass das "Netzwerk DSD" jemals öffentlich für seine gebrochenen Versprechen und das Unterlassen jeglicher konkreten Hilfe für geschädigte Zwitter angeprangert oder gar zur Rechenschaft gezogen wurde.

Die Medizyner freut's ...

Siehe auch:
- Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht     
- Netzwerk DSD/Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht anders
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- Wie das "Netzwerk DSD" die "Lübecker Studie" frisiert
- Mein Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.
- 5. Treffen Netzwerk Intersexualität Kiel 6.9.2008 
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000