Genitalverstümmelungen in der Kinder- und Jugendmedizyn
By seelenlos on Friday, July 9 2010, 16:20 - Forderungen - Permalink
Der folgende Text stammt aus dem Jahre 1996. Das heisst es ist jetzt unterdessen 14 Jahre später – und trotzdem wird allein in Deutschland von KinderchirurgInnen immer noch JEDEN TAG mindestens 1 Kind irreversibel verstümmelt, sowie in Österreich und in der Schweiz zusätzliche JEDE WOCHE nochmals JE 1 weiteres.
Wie lange noch?!
In Deutschland leben mindestens - vage geschätzt - 24000 weißhäutige Menschen ohne bzw. mit verstümmeltem Lustorgan (Klitoris / Penis), an welchen i.d.R. im Alter von 1-2 Jahren durch Kindergynäkologen Operationen vorgenommen wurden.
[...] Von weiteren Praktiken, wie auch von dieser, existieren zumeist weder in der Öffentlichkeit noch in der ÄrztInnenschaft Kenntnisse.
Geschichte der Genitalverstümmelung
Genitalverstümmelungen in westlichen Ländern durch Chirurgen haben Tradition. So entfernte im 17. Jahrhundert der Chirurg Dionis auf Veranlassung der Ehemänner Frauen die Klitoris, um „pflichtbewußte“ Frauen aus ihnen zu machen, 1864 empfahl ein berühmter Chirurg, die Klitoris zu schützen und zu diesem Zweck die Schamlippen zusammenzunähen, 1900 empfahl D. Pouillet, die empfindlichen Teile mit Silbernitrat zu verätzen, damit sie nicht weiter „Hand an sich legten“, desweiteren wurden Frauen durch Amputation oder Ausbrennen der Klitoris von der Masturbation „geheilt“ (geschichtlicher Hintergrund aus Schüler / Bode, 1992 und Walker, 1993).
Bereits 1937 wird in diesem Zusammenhang von der Behandlung „genitaler Abnormalitäten“ (Young, 1937) geschrieben. [...]
Heute [...] darf zum Beispiel eine Klitoris in keinem jugend- und kindergynäkologischen Alter größer als 1 cm sein. Neben einer vergrößerten Klitoris können auch Vagina bzw. Gonaden (Eierstöcke, Hoden) nur „unzureichend“ ausgebildet sein oder es werden sonstige Normabweichungen vorgefunden. [...]
Operationen
Es erfolgen häufig mindestens zwei Operationen unter Vollnarkose.
[Zuerst] wird der nach außen hin sichtbare Bereich der Klitoris reduziert, bis 1982 bedeutete dies die Amputation derselben. Obwohl von einer Klitorisschaftresektion bei gleichzeitigem Erhalt der Glans und dem dazugehörigen Nervenbündel erstmals 1961 berichtet wurde (Altwein, 1989), wurden noch 20 Jahre später Amputationen vorgenommen.
Seit etwa 1980 werden diverse andere Operationstechniken angewandt: So wird die Klitoris z.B. mit der sog. „Zieharmonikatechnik“ „verkürzt“. Dies bedeutet die Entfernung der Schwellkörper und Falten der übrigen Haut, so daß der optische Eindruck entsteht, eine Klitoris sei noch vorhanden. Oder die Klitoris wird „gerafft“ und nach innen, das heißt unter die Venuslippen verlegt. Oder es wird versucht, die Glans zu erhalten, oder „nur“ die Klitorisvorhaut entfernt oder oder...
Diese Operation wird im Alter zwischen 6 und 36 Monaten durchgeführt, also so früh wie möglich, da die Ärzte der Meinung sind, daß das Mädchen dann nichts davon mitbekommt. Als Grund für die Klitoris'reduktion' wird deren Größe angegeben; deren 'penisähnliche Erscheinung', für die 'sich das Mädchen später schämen werde.' [...]
In der zweiten Operation wird die Kohabitationsunfähigkeit aufgehoben und eine „Neovagina“ gesetzt, indem der durch Venuslippen verdeckte Vaginaleingang offengelegt und mit einer Vaginaleingangs“plastik“ „verstärkt“ wird. [...]
Die Qualität der Operationen
Es wird behauptet, daß bei einer Reduktion die nervale und funktionale Integrität der Klitoris gewährleistet bleibt.
Dies ist zum einen technisch nicht machbar, denn bei der Schwellkörperentfernung, der Absenkung der Klitoris, dem Vernähen der inneren Schamlippen, sofern vorhanden, und gegebenenfalls Verlegung der Harnröhre, wenn diese sehr nahe an der Klitorisunterseite mündet, kommt es zu schwerwiegenden Nervenverletzungen. Über die verbliebenen Klitorisreste wird die Haut meist so eng gespannt, daß eine Erektion im Erwachsenenalter schmerzhaft ist. Zudem treten Schmerzen durch nicht-dehnbare Vernarbungen auf.
Zum anderen stellt sich die Frage, wie diese Integrität erfaßt werden soll. Man ist auf die Aussagen der Operierten angewiesen, und es ist schwierig, hierzu korrekte Angaben zu erhalten. Wenn keine oder nur eingeschränkte Empfindungen vorhanden sind, wird dies wohl kaum gegenüber derjenigen Person oder Institution angeführt werden, die eben diese Empfindungseinschränkung hervorgerufen hat.
Bleiben nur noch Spannungsmessungen an den Nerven mittels Stromimpulsen (beschrieben in Altwein, 1989) oder Masturbation am verstümmelten Organ durch den Arzt (nur vermutet, nicht dokumentiert).
Wir wissen, daß klitorale Operationen, gleich welcher Art, zu massiven Empfindungseinschränungen bis hin zur Empfindungsunfähigkeit führen.
Häufig finden vaginale Nachoperationen statt, da nach den Bougierungen unter Umständen nicht einmal ein Tampon eingeführt werden kann (nach Aussage einer Verstümmelten). Mit Ankündigungen wie „Hier werden so große Scheiden gebaut, so große gibt’s normalerweise gar nicht!“ oder „Wir machen Ihnen eine Scheide so groß Sie wollen!“ (O-Ton W. Ch. Hecker) wird geworben und gerne nachoperiert. [...]
Zusammenfassende Bewertung
Genitalverstümmelung an Menschen ist in jedem Kontext die physische Umsetzung des patriarchalen heterosexistischen Gedankengutes mit dem Ziel der psychischen Unterwerfung und Vernichtung.
Sie zeugt in den hier geschilderten Fällen von einer frauenverachtenden Einstellung und von ausgeprägtem Sadismus. Um die insgesamt ausgelebte Brutalität der beteiligten Ärzte an den betroffenen Kindern erklären zu können, kann ein pädophiles Anliegen vermutet werden.
Wie sonst ist es zu erklären, daß wider besseren Wissens einem Mädchen die Klitoris abgetrennt wird, sie auf Lebzeit verstümmelt wird, daß ein kleines Kind immer wieder und ohne neue Veranlassung mit Fingern penetriert wird, bis es blutet, daß ein Mädchen als Kind vergewaltigt wird, um dann mit 14 Jahren „gebrauchsfertig“ zu sein für künftige Penetrationen, daß pornographisches Bildmaterial anzufertigt wird und dann nach all dem Dankbarkeit erwartet wird für die „wichtige Lebensbegleitung zu einer erfüllten Geschlechtsidentität“? [...]
Betroffene erleben Bougierungen und gynäkologische Untersuchungen als Vergewaltigungen, die Behandlungsverläufe insgesamt als Folter.
Der gesamte Behandlungsablauf stellt schwerste Köperverletzung sowie eine gravierende Verletzung von Frauen- und Menschenrechten dar.
>>> der ganze Text von 1996
Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG):
"Genitalverstümmelungen in Deutschland in der Kinder- und Jugendgynäkologie"
http://home.t-online.de/home/aggpg/is_tdf.htm
Siehe auch:
- Selbstdarstellung der AGGPG
- "Vernichtung intersexueller Menschen in westlichen Kulturen" - Flugblatt AGGPG (1998)
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000
- "Für die Kinder kämpfen wir" - Michel Reiter, 1997
- Zwangsoperationen an Zwittern: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?
- Zwangsoperationen an Zwittern: Wie können die Täter gestoppt werden?
- Anliegen an den Deutschen Ethikrat 23.6.10