Antwort des Ostschweizer Kinderspitals auf den Offenen Brief von Zwischengeschlecht.org vom 6.2.11

Friedlicher Protest vor dem Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen 6.2.2011 (Bild: Seelenlos)

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>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen

Menschenrechte auch für Zwitter!

Es geschehen noch Zeichen und Wunder?!

Mit Datum vom 10. und Poststempel vom 15. Februar erhielt die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org auf unseren traditionellen Offenen Brief anlässlich des friedlichen Protests vom 6.2. eine >>> ausführliche 2-seitige Antwort des Ostschweizer Kinderspitals (PDF, 333 KB) inkl. einem Angebot zu einem "direkten Gespräch".

Zum Vergleich: Auf die vorgängigen 3 Offenen Briefe an CH-Kinderkliniken blieben das Inselspital Bern und das Kinderspital Luzern bis heute jegliche Antwort schuldig – einzig mit Verantwortlichen des Kispi Zürich kam es im Anschluss zu Gesprächen und schliesslich am 26.3.10 zu einer Fokusgruppe, die aktuell in die lesenswerten Psychologie-Bachelorarbeit von Yvonne Cavicchia-Balmer "Information, Aufklärung und Entscheidungsfindung von Eltern bei der Geburt eines Kindes mit uneindeutigem Geschlecht" (November 2010) und in die kommenden Ethik-Doktorarbeit von Jürg Streuli Eingang fand. In Deutschland erhielten wir auf unsere Offenen Briefe bis heute von APE-AGPD ebenfalls nicht die geringste Antwort bzw. von EMBL/EMBO einzig verbale Beschimpfungen, allein von DGKJ/DGKCH gab's immerhin eine höfliche erste Antwort von ebenfalls 2 Seiten, die jedoch u.a. hauptsächlich aus kopierten und eingefügten Auszügen der "Ethischen Grundsätze und Empfehlungen" bestand, deren Nichteinhaltung der Offene Brief gerade kritisierte.

Kommentar:

Logo bleibt es trotzdem auch in St. Gallen noch ein weiter Weg – wovon nicht zuletzt auch die vorliegende Antwort zeugt, etwa in unverdrossen-fragwürdigen Passagen z.B. von wegen, das Kispi könne sich "nicht nur auf die abstrakte, ethische und juristische Perspektive [...] stützen", wo doch angeblich für das "Wohl des in seiner Familie heranwachsenden Kindes" mitunter uneingewilligte "medizinisch nicht dringend indizierte Operation[en]" (deren angebliche Wirksamkeit wohlbemerkt seit 60 Jahren nie bewiesen wurde) nach wie vor unverfroren als "für uns der bessere Weg" verkauft werden – wird's auch diesmal wohl eh niemand bemerkt haben wollen – wetten?!

Jedoch, auch der längste Weg beginnt mit konkreten ersten Schritten – und wohl nicht zuletzt mit stetig wachsendem öffentlichem und politischem Druck ...

>>> Die Antwort des Ostschweizer Kinderspitals als PDF (333 KB) 

Nachfolgend dokumentieren wir die Rückantwort von Nella im Namen der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org:

 
Zwischengeschlecht.org
Postfach 2122
8031 Zürich


Ostschweizer Kinderspital
Pädiatrische Klinik
Chefarzt
Prof. Dr. med. Christian Kind
Claudiusstrasse 6
9006 St. Gallen


Zürich, 6. März 2011


Ihre Antwort auf unseren Offenen Brief vom 06.02.2011
(Vorab per E-Mail)

Sehr geehrter Herr Prof. Kind
Sehr geehrter Herr Dr. Kistler
Sehr geehrte Frau Prof. l'Allemand
Sehr geehrter Herr Dr. Laimbacher

Wir bedanken uns für Ihre ausführliche Antwort vom 10. Februar 2011 auf unseren Offenen Brief.

Insbesondere freut uns, dass Sie anerkennen, dass kosmetische Genitaloperationen an Kindern zu sehr unbefriedenden Resultaten führen und betroffene Menschen dadurch schwer traumatisiert werden können. Ebenso, dass das Ostschweizer Kinderspital sich hier sehr aktiv zu einem Wandel zum Besseren engagieren will. Sie verweisen dazu auf Ihre Mitarbeit im Deutschen Netzwerk Intersexualität/DSD, dessen "Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD" wir ja in unserem Offenen Brief zitierten. Leider werden diese Grundsätze und Empfehlungen auch innerhalb des Netzwerk Intersexualität/DSD mitunter nur selektiv beherzigt bzw. gar missbraucht als "Freifahrtschein" für operieren "auf Teufel komm raus" (Grundsätze-Autorin Prof. Claudia Wiesemann am Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates, 23.06.2010).

Auch wir sind uns bewusst, dass es in der Kommunikation zwischen Menschen potentiell zu Missverständnissen kommen kann. Ebenso, dass möglicherweise bei Eltern Hinweise auf Selbsthilfegruppen nicht auf Anhieb ankommen können. Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, geeignete Massnahmen zu treffen, um solche Missverständnisse wenn nicht ganz auszuschliessen, so doch zumindest möglichst zu minimieren. Ebenso entsprechende Massnahmen, damit Eltern auch zu einem späteren Zeitpunkt von Selbsthilfegruppen nicht erst aus dem Internet erfahren müssen.

Auch uns geht es nicht "nur" um "abstrakte" ethische und juristische Prinzipien und Rechte, sondern um das Wohl der heranwachsenden Kinder. Jedoch gibt es unseres Wissens nach keinerlei Evidenz, dass kosmetische Genitaloperationen wirksam und sicher sind bzw. das Wohl und die Akzeptanz der Kinder garantieren, jedoch wie angeführt viele Indizien, welche ihre Wirksamkeit in Frage stellen.

Wir begrüssen Ihren Vorschlag zu einem direkten Gespräch, auch wenn wir vermutlich nicht in allen Standpunkten übereinstimmen werden, wohl insbesondere betreffend dem praktischen Stellenwert der durch die Verfassung und internationale Abkommen garantierten Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung für das Wohl der betroffenen Kinder.

Wir bedanken uns deshalb für Ihr Angebot und nehmen es gerne an. [...]

Gerne erwarten wir Ihre Terminvorschläge.

Freundliche Grüsse


Daniela Truffer / Zwischengeschlecht.org


>>> Infoseite zum Protest   >>> Der Offene Brief   >>> Pressemitteilung 2.2.11
>>> SAMW-"Ethikkommission": "Genitalverstümmelungen ethisch unbedenklich"
>>> Kispi-Chefarzt: "Genitalverstümmelungen lieber hier durchführen als im Osten"
>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Siehe auch:
- Aktion & Offener Brief Kinderspital Luzern 2010
- Aktion & Offener Brief Inselspital Bern 2009
- Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich 2008
- Anfrage Kantonsrat Luzern 2010 
- Anfrage Kantonsrat Bern 2009
- Anfrage Kantonsrat Basel Stadt 2010
- Anfrage Kantonsrat Zürich 2009