"Wechselbad der Gefühle und Geschlechter"

Kann ein Zwitter Sünde sein?--> coole besprechung von "xxy" auf movieman.de

plus ein beispiel, wie sich der film auch nicht-vereinnahmend & und nicht-irreführend festivalkonform ankündigen lässt im programm des 17. "verzaubert" queer filmfestivals (obwohl auch darin die klassisch-betriebsblinde reduktion des filmthemas auf "das komplexe Genderthema" letztlich einmal mehr zu konstatieren ist. aua! bitte nicht mehr ... )

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Comments

1. On Saturday, April 26 2008, 21:29 by nella

Leider sind differenzierte Kritiken zu "XXY" bisher die Ausnahme. In den meisten wird Klinefelter mit AGS verwechselt, die Zwangsoperationsproblematik ignoriert und dafür irgend etwas von Chromosomen versus Erziehung fabuliert und wie oben betriebsblind das Zwitterdasein auf die "(Trans-)Genderfrage" reduziert.

Die Berichterstattung im Rahmen des Frauenfilmfestivals macht dabei leider keine Ausnahme (trotz der Pressemitteilung des Vereins), siehe dieses weitere Beispiel. Ich habe der Journalistin und der Redaktion heute diesen Leserbrief geschrieben:

Liebe Frau Schaller

Der Verein Intersexuelle Menschen e.V. freut sich darüber, dass die Presse darüber berichtet, dass das Frauenfilmfestival auch einen Film über Intersexualität zeigt, noch dazu als Eröffnungsfilm. Es handelt sich um den Film "XXY" der argentinischen Regisseurin Lucia Puenzo, der das Thema sensibel behandelt.

Weniger erfreulich ist der Umstand, dass Sie mit Ihrem Artikel einmal mehr dazu beitragen, irreführende Behauptungen über Intersexualität zu perpetuieren.

Erlauben Sie mir deshalb, auf zwei tatsachenwidrige Behauptungen in Ihrer Rezension zum Film "XXY" hinzuweisen, die für Betroffene sehr schädlich sein können:

Die erste betrifft den Eingangssatz der Filmbeschreibung: "Hauptdarstellerin Alex ist 15 Jahre alt und ist beides: Mädchen und Junge. Durch eine anormale Chromosomenanzahl weist sie beide Geschlechtsmerkmale auf." Dieser stammt aus einer veralteten Fassung des Press-Kits zum Film und beinhaltet einen sachlichen Fehler, der letztlich auf den eher unglücklich gewählten Filmtitel zurück geht, der die Intersex-Syndrome XXY (Klinefelter-Syndrom) und AGS (Adrenogenitales Syndrom) unzulässig vermischt. Mehr Informationen dazu entnehmen Sie bitte unserem Glossar zum Film (https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/02/20/XXY-der-Film%3A-Schweizer-Verleiher-nimmt-Problematik-ernst). Auch der deutsche Verleiher hat inzwischen erfreulicherweise reagiert und den problematischen Satz abgeändert zu: "Alex ist fünfzehn – und trägt ein großes Geheimnis in sich. Aufgrund einer seltenen Laune der Natur ist sie beides: Junge und Mädchen."

Die zweite betrifft die Formulierung: "Der Film beschäftigt sich mit der Frage, ob jemand durch Erziehung oder durch Chromosomen geprägt wird", die letztlich ebenfalls auf den problematischen Filmtitel zurück zu führen ist: Die Protagonistin Alex hat als AGS-Betroffene einen weiblichen Chromosomensatz (XX) und wurde auch in der weiblichen Rolle erzogen. Ein Gegensatz zwischen Chromosomen und Erziehung ist hier somit gar nicht gegeben. Darüber hinaus hat die undifferenzierte Anspielung auf die berühmte "wissenschaftliche Streitfrage" "Nature vs. Nurture" für Betroffene einen besonders bitteren Geschmack: Schliesslich wurde und wird diese "theoretisch-akademische Debatte" seit Jahrzehnten buchstäblich an den zwangsoperierten Körpern von uns Zwittern ausgetragen. Deshalb sollte bei Bezugnahmen auf diese Debatte besonderen Wert auf präzise und differenzierte Formulierungen gelegt werden, die auch diesen andauernden und gravierenden Menschenrechtsverletzungen Rechnung tragen.

Der Verein Intersexuelle Menschen e.V. appelliert im Namen der Betroffenen an alle Medienschaffenden, ihre Verantwortung wahrzunehmen, sich über Intersexualtät zu informieren und faktentreu, kompetent und differenziert über darüber zu berichten.

Der Verein Intersexuelle Menschen e.V. bittet die Verantwortlichen um eine Richtigstellung dieser falschen und irreführenden Aussage über Intersexualität.

Liebe Medienschaffende, bitte lasst uns intersexuelle Menschen nicht im Stich! Für Fragen und Auskünfte stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Herzlichen Dank für Ihren Beitrag zur Verbesserung unserer Situation!

Weitere Informationen: http://www.intersex-menschen-xyfrauen.de/phpBB2/viewtopic.php?t=355

Daniela Truffer
1. Vorsitzende
Intersexuelle Menschen e.V.


2. On Tuesday, April 29 2008, 17:23 by nella

Nach dem Journalisten, der überhaupt nicht antwortet, und der Kulturschaffenden, die grossen Worten leider keinerlei Taten folgen lässt, kommt nun endlich Evamaria Schaller von allesfilm.com, und beweist, dass man es auch anders machen kann!



Evamaria Schaller, allesfilm.com, schrieb am 28.4.2008 23:42 Uhr:

Sehr geehrte Frau Truffer!

Mir wurde ihr Reaktionsmail auf meinen Artikel "Frauenfilme in Köln" erst heute weitergeleitet. Es tut mir sehr leid, dass ich scheinbar Ausdrücke oder Behauptungen in meinem Artikel verwendet habe, die scheinbar irreführend oder wie sie es audrücken "schädlich" sein könnten.
Ich habe meine Äußerungen sofort online geändert - habe teilweise die Formulierung des Verleihers übernommen. Auch meine zweite von Ihnen als nicht korrekt rezipierte Äußerung habe ich geändert.

Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie darauf aufmerksam gemacht haben.

Auf jeden Fall möchte ich nochmals bekräftigen, dass ich jene Formulierungen auf keinen Fall verwendet habe, um in irgendeiner Art und Weise zu schaden oder intersexuelle Menschen anzugreifen.
Wie der Großteil der Menschen, bin scheinbar auch ich nicht sonderlich sensibilisiert auf das Thema Intersexualität, obwohl ich das von mir gedacht habe. Jedes unbedachte und nicht böse gemeinte Wort kann somit für sensibilisierte Menschen verletzend wirken. Das Bewusstsein, da muss ich Ihnen Recht geben, ist leider nicht sehr differenziert.

Nochmals Danke!

Hier der geänderte und upgeloadede Artikel:
http://www.allesfilm.com/show_article.php?id=23969

Ich freue mich über Ihre Reaktion!

Einen ganz lieben Gruß
Evamaria


Meine Antwort auf Frau Schallers erfreuliche Nachricht:


Liebe Frau Schaller

Über Ihre Nachricht habe ich mich überaus gefreut und ich möchte Ihnen im Namen des Vereins Intersexuelle Menschen e.V. ganz herzlich dafür danken, dass Sie unsere Anliegen ernst nehmen. Und vor allem auch dafür, dass Sie Worten gleich Taten folgen lassen, und Ihren Artikel redigiert haben. An Ihnen kann sich so mancheR Medienschaffende ein Beispiel nehmen.

Mit Ihrer umsichtigen und sensiblen Reaktion machen Sie uns Mut, uns weiterhin dafür einzusetzen, dass die Seinsweise intersexueller Menschen in der Öffentlichkeit differenziert dargestellt und sich unsere unmenschliche Behandlung dadurch eines Tages bessern wird. Nochmals vielen herzlichen Dank!

Ich wünsche Ihnen alles Gute und sende

ganz herzliche Grüsse

Daniela Truffer