"3rd EuroDSD Symposium" Lübeck 2011: Der Offene Brief auf Deutsch + erste Antwort eines Verantwortlichen
By seelenlos on Monday, June 20 2011, 12:35 - Forderungen - Permalink
Empfangskomitee am letzten Tag des "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 22.05.2011
>>> Infoseite zu den Protesten >>> Der Offene Brief >>> Bericht 1. Aktion 22.5.
Inzwischen liegt der im Original englischsprachige >>> Offene Brief an das "3rd EuroDSD Symposium" auf Deutsch vor. Einige Ausschnitte:
[...] Seit mittlerweile 20 Jahren wehren sich Überlebende öffentlich gegen diese Operationen, und kritisieren sie beständig als "ungeheuer destruktiv für das sexuelle Empfinden und für das Gefühl der körperlichen Unversehrtheit". [...] Seit mittlerweile 20 Jahren weigern sich die Mediziner zuzuhören, geschweige denn diese schweren Bedenken anzuerkennen [...].
[...] In unserem Verständnis besonders entsetzlich sind wiederholte Stellungnahmen auch von Seiten der erwähnten Mediziner, die lustvoll von "chirurgischen Herausforderungen" schwärmen und stur ihre "Experimente" weiterführen in der Aussicht, "in 20 Jahren werden die Operationesmethoden viel besser sein", offensichtlich ohne Sorge, Erbarmen oder Mitgefühl für ihre unglücklichen früheren, gegenwärtigen und zukünftigen "Forschungsobjekte".
Dasselbe gilt auch für den andauenden Hohn und unerträglich paternalistische Herangehungsweisen von BehandlerInnen gegenüber erwachsenen Überlebenden, die ihre Stimme erheben, ihr Leid beklagen und die Beendigung nicht-eingewilligter kosmetischer Genitaloperationen an Kindern und Minderjährigen fordern [...]
Das 3rd Symposium on Disorders of Sex Development beansprucht für sich das Motto: “Was wir gelernt haben und was wir noch lernen müssen.” Wir möchten dazu respektvoll erneut und einmal mehr darauf hinweisen: Offensichtlich wären Ethik und Menschenrechte Kernthemen, bei denen sehr grosser Lernbedarf dringend notwendig erscheint.
[...] Offen gesagt hängt es uns zu den Ohren heraus, ständig angelogen und mit denselben alten Leugnungen, Ausreden und billigen Versprechungen abgespiesen zu werden.
Wir sind uns sicher, dass Ihnen bewusst ist, dass die Kontroverse um kosmetische Genitaloperationen an Kindern in der Öffentlichkeit jeden Monat bekannter wird, und ebenso die allgemeine Tendenz der Bevölkerung betreffend Genitalverstümmelung, unethische Menschenversuche und ungewollte chirurgische Eingriffe. [...]
Wir setzen voraus, dass Sie in Ihrer Eigenschaft als praktizierende MedizinerInnen genügend PatientInnen haben mit echten medizinischen Bedürfnissen, die auf ihre professionelle Hilfe angewiesen sind.
Deshalb möchten wir respektvoll vorschlagen, dass sie Ihre Bemühungen darauf konzentrieren mögen, diesen PatientInnen zu helfen, von denen wir sicher sind, dass diese Ihnen zutieftst dankbar sind für ihre Leistungen. Aber dass Sie andrerseits unethische Praktiken wie uneingewilligte kosmetische Genitaloperationen an Kindern aufgeben [...]
Mit Datum vom 23. Mai hatten wir vom Co-Organisator des "3rd EuroDSD Symposium" und komm. Direktor der Klinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Lübeck, PD Dr. Lutz Wünsch, eine erste Antwort erhalten:
Sehr geehrte Frau Truffer
bei der Veranstaltung am letzten Wochenende sind keine generellen Empfehlungen für Genitaloperationen bei Kleinkindern mit DSD ausgesprochen worden. Woimmer das Thema berührt wurde, ist sehr vorsichtig und mit Rücksicht auf die Belange aller Betroffenen diskutiert worden.
Mit freundlichen Grüßen
PD Dr. Lutz Wünsch
Die heutige Rückantwort darauf von Nella im Namen von Zwischengeschlecht.org:
Sehr geehrter Herr Wünsch
Besten Dank für Ihre freundliche Antwort, aktualitätshalber leider mit etwas Verspätung.
Es freut uns sehr, dass die TeilnehmerInnen des Symposiums von nicht-eingewilligten kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen offenbar künftig Abstand nehmen wollen.
Wir nehmen an, mit "alle Betroffenen" meinen Sie unter anderem Eltern und Ärzte. Bestimmt ist Ihnen in diesem Zusammenhang die erste Einschätzung des Deutschen Ethikrates bekannt, der dazu festhält:
"Ein zentraler Punkt ist das Recht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit. (...) Hier findet das Elternrecht seine Grenzen und auch dies spricht dafür, mit solchen Eingriffen so lange wie möglich zu warten, damit die betroffenen Intersexuellen selbst entscheiden können."
Über eine inhaltliche Antwort auf unseren Offenen Brief würden wir uns nach wie vor sehr freuen.
Freundliche Grüsse
Daniela Truffer / Zwischengeschlecht.org
Fortsetzung folgt ...
>>> Infoseite zur "3rd EuroDSD" >>> Der Offene Brief >>> Bericht 1. Aktion 22.5.
>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- "Unrecht der Medizinversuche anerkennen" (Oliver Tolmein 2009)
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an Kindern!
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- Göttingen / Lübeck: Direktor und Oberarzt propagieren genitale Zwangsoperationen
- Bremen: Genitalverstümmelungen im "Zentrum für Kinderheilkunde"
- Universitätsklinikum Heidelberg: Genitale Zwangsoperationen im Angebot
- Deutsche Urologen fordern genitale Zwangsoperationen an Säuglingen!
- Genitalverstümmler Mouriquand: "keine Garantie für sexuelle Empfindsamkeit"
- Prof. Dr. Heino Meyer-Bahlburg: John Moneys Erbe
- Chefarzt Dr. Marcus Schwöbel: genitale Zwangsoperationen an Kindern der "normale Weg"
- Genitalverstümmelungen: "Lieber hier durchführen als im Osten" (Prof. Dr. Christian Kind)
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist." (eine Mutter)
- Bundestag: "Weibliche Genitalverstümmelung ahnden" - aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?