Intersex: Nordrhein-Westfalen unterstreicht "Recht auf körperliche Unversehrtheit" und will "nicht indizierte OPs vermeiden"
By seelenlos on Thursday, November 22 2012, 23:04 - Forderungen - Permalink
UK Aachen (NRW), 30.05.2011: Christiane Völling protestiert gegen "Ethik"-Vortrag
von Genitalabschneiderin Susanne Krege (Krefeld/NRW, im Bild rechts hinten)
Zum Welttag der Kinderrechte nur gute Nachrichten (3):
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen beschloss am 30.10.2012 einen „Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt - gegen Homo- und Transphobie“, bei dem Intersexe für einmal nicht nur Anhängsel und Kanonenfutter für Anliegen Dritter sind, sondern in dem medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen an Kindern explizit thematisiert und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Betroffenen hochgehalten wird. Danke!
>>> Aktionsplan als PDF (530 kb)
>>> Homepage Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA)
>>> Pressemitteilung MGEPA 31.10.2012
So hält die MGEPA-Homepage zum Aktionsplan fest: "Schutz vor Diskriminierung und Gewalt: [...] Dringlich ist auch, nicht indizierte geschlechtsangleichende Operationen bei intersexuellen Kindern zu vermeiden."
Einen fast gleichlautenden Passus enthält auch die Pressemitteilung der Ministerin Barbara Steffens (es heisst lediglich "Notwendig" anstelle von "Dringlich").
Im eigentlichen Aktionsplan heisst es dann unter "HF 11: Intersexualität" auf S. 49:
"Betroffenenorganisationen machten in den letzten Jahren immer wieder darauf aufmerksam, dass auch heute noch ohne Not prophylaktisches Entfernen und Verändern von Genitalorganen bei intersexuellen Kindern vorgenommen wird. Das große Leid, das die Betroffenen ihr Leben lang begleitet, spiegelt der Bericht des Deutschen Ethikrates eindrücklich wider. Ein operativ und sozial verordnetes Geschlecht ist ein fundamentaler Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Persönlichkeitsrecht und in die Menschenrechte."
Sowie auf S. 51 betreffend der konkreten Umsetzung:
Ziel:
2. Vermeidung nicht indizierter geschlechtsangleichender OperationenMaßnahme:
1. Die einschlägige Behandlungs-Leitlinie wird durch die medizinische Fachgesellschaft überarbeitet
2. Einleitung des Prozesses in Nordrhein-Westfalen durch Umfrage bei den KlinikenZuständigkeit:
Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und AlterStand:
In der Umsetzung
Und auf S. 49 weiter:
"Die Landesregierung hat erste Kontakte zu Vertretungen der nordrhein-westfälischen Selbsthilfe, zu wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen geknüpft, um die Handlungsoptionen im eigenen Land zu nutzen. Sie wird sich auch auf Bundesebene für eine Verbesserung der Lebenssituation von Intersexuellen einsetzen."
Meine 2 Cent: Leider sind unreflektierte Ausdrücke aus der TäterInnensprache wie "nicht indizierte geschlechtsangleichende Operationen" und "prophylaktisches Entfernen und Verändern von Genitalorganen bei intersexuellen Kindern" auch hier alles andere als zielführend, solange dabei nirgends klargestellt wird, dass damit ALLE kosmetischen Eingriffe an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen gemeint sind, die nicht aus strikt medizinischer Notwendigkeit erfolgen, sondern mit sog. "psychosozialer Indikation" (z.B. "Mädchen bekommen durch eine 'zu grosse' Klitoris psychische Probleme", "Frauen mit Hoden im Bauchraum müssen diese entfernt werden", "ein Junge muss im Stehen pinkeln können" usw. usf.).
Wie insbesondere die diesbezüglichen Ausflüchte und Verbiegungen des Deutschen Ethikrates klarmachten, wird die unreflektierte Verwendung solcher Ausdrücke im Gegenteil noch dazu benutzt, die allermeisten verstümmelnden GenitalOPS an Kindern nicht etwa zu "vermeiden", sondern vielmehr noch zu rechtfertigen und zu perpetuieren.
Bekanntlich befinden sich unter den "wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen" in Nordrhein-Westfalen gleich mehrere besonders üble GenitalabschneiderInnen-Hochburgen (z.B. in Krefeld und Essen).
Und mit den seit Jahren offensichtlich unbeirrbaren Verstümmlerinnen Susanne Krege (Krefeld) und Annette Richter-Unruh (Bochum) sind gleich 2 prominente NRW-Medizynerinnen an der wenig Gutes versprechenden Überarbeitung der berüchtigten AWMF-Verstümmler-Leitlinie 027/022 "Störungen der Geschlechtsentwicklung" federführend beteiligt. (Die Überarbeitung zielt offensichtlich darauf ab, Betroffene nicht nur auch künftig weiterhin möglichst früh zu verstümmeln, sondern Unzufriedene obendrein noch zusätzlich zu zwangspsychiatrisieren – seit längerem ein Steckenpferd sowohl von Krege wie auch Richter-Unruh.)
Mal schauen, wie weit TäterInnen in Nordrhein-Westfalen sich von diesem Aktionsplan werden beindrucken lassen – und ob im beabsichtigten Sinne ...
Fortsetzung folgt ...
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen"