Intersex: Berliner Linke und Piraten wollen Mediziner "ermuntern" auf OPs an Kindern zu verzichten, fordern Verbot auf Bundesebene
By seelenlos on Tuesday, November 20 2012, 21:26 - Forderungen - Permalink
Zum heutigen Welttag der Kinderrechte nur gute Nachrichten (2):
In Berlin haben Die Linke zusammen mit den Piraten mit Datum vom 14.11.2012 beim Berliner Senat einen >>> Antrag "Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt 2.0“ (ISV 2.0)" (Drucks. 17/0652, PDF) eingereicht, bei dem es ausnahmsweise mal nicht nur um Genderkacke und Vereinnahmung geht, sondern im Gegenteil medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen an Intersex-Kindern explizit angesprochen werden. Danke!
Einziger Wermutstropfen: Leider immer noch ohne explizite Herausstreichung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung der Betroffenen, und letztlich werden die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken immer noch nur verklausuliert und obendrein in der TäterInnensprache abgehandelt, wenn etwa lediglich von "geschlechtsangleichenden Maßnahmen" die Rede ist, aber dabei nirgends klargestellt wird, dass damit ALLE kosmetischen Eingriffe an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen gemeint sind, die nicht aus strikt medizinischer Notwendigkeit erfolgen, sondern mit sog. "psychosozialer Indikation" (z.B. "Mädchen bekommen durch eine 'zu grosse' Klitoris psychische Probleme", "Frauen mit Hoden im Bauchraum müssen diese entfernt werden", "ein Junge muss im Stehen pinkeln können" usw. usf.).
Auch dass die Berliner Charité in den letzten 18 Monaten ihr Angebot an medizinisch nicht notwendigen, verstümmelnden GenitalOPs an Kindern massiv ausgebaut hat, wird leider immer noch nicht angesprochen.
Aber immerhin heisst's etwa auf S. 3: "Insbesondere Eltern und Mediziner*innen werden dazu ermuntert, keine Operationen im frühkindlichen Alter vor der Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen durchzuführen."
Sowie auf S. 12: "Der Berliner Senat setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass [...] d) ein Verbot geschlechtsangleichender Maßnahmen vor der Einwilligungsfähigkeit der betroffenen intersexuellen Menschen etabliert wird".
Und auf S. 16f.: "Viele Eltern sind mit der Situation überfordert, die die Geburt eines intersexuellen Kindes bedeutet. Es erscheint vielen Eltern zunächst durchaus plausibel, dass ihr Kind nicht ein Leben zwischen den Geschlechtern führen soll. Die Tragweite der frühkindlichen Operationen, der z. T. zahlreichen Folgeoperationen und der lebenslangen Hormontherapie für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder ist ihnen in der Situation kaum bewusst. Deshalb fordern inzwischen viele Expertinnen und Experten ein Verbot solcher Operationen vor der Erreichung der Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen. Berlin bekennt sich dazu undsorgt durch Aufklärungs- und Unterstützungsangebote dafür, dass die Rechte intersexueller Menschen gewahrt werden und Angehörige sowie Behörden und medizinisches Personal mit den damit verbundenen Herausforderungen souverän umzugehen in der Lage sind."
Und auf S. 40 wird nochmals bekräftigt: "Unter Sachverständigen herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass frühkindliche geschlechtsangleichende Operationen vor dem einwilligungsfähigen Alter eine gravierende Verletzung der Menschenrechte von Intersexuellen darstellen (vgl. hierzu auch oben, Nr. 2.). Der Berliner Senat muss sich daher auf Bundesebene dafür engagieren, dass ein Verbot solcher geschlechtsangleichender Maßnahmen eingeführt wird."
Werden wir es noch erleben, dass es mit den oben erwähnten, zentralen noch fehlenden Punkten auch in Berlin irgendwann noch was wird – oder werden (wie bisher stets) einmal mehr alle positiven Ansätze mit faulen Ausreden garniert bald wieder im Sande verlaufen?
Auf dieser Internetseite des Abgeordnetenhauses kann verfolgt werden, was mit dem Antrag weiter geschieht. Fortsetzung folgt ...
>>> Chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen in der Berliner Charité 2012
>>> Zitty 14/2013: Heute noch Intersex-Genitalverstümmelungen in der "Charité"
>>> PD. Dr. Heiko Krude (Charité): Nicht verstümmeln "wäre eine Art von Gewalt"
>>> Prof. Dr. Ricardo Gonzalez (Charité): "Gerne noch etwas weiter experimentieren"
>>> Dr. Birgit Köhler (Charité): Verstümmeln "zum Schutz der sexuellen Integrität"
>>> Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich (Charité) als "Serienverstümmlerin" geoutet
>>> Prof. Claire Nihoul-Fékété (Charité): Verstümmeln "zur Verbesserung der Optik"
>>> Berliner Senat leugnet Intersex-Genitalverstümmelungen in der Charité
>>> Berlin: Charité leugnet Intersex-Genitalverstümmelungen, verbittet sich Kritik
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen - Offener Brief an Rogate-Kloster St. Michael