In der Ausgabe Nr. 36/2007 der Samstagsbeilage DAS MAGAZIN unter dem Titel
Die
Frau, die nie ein Mann war vom 8.9.2007 ist ein Artikel von Christoph Keller über das Leben der
Intersexuellen Laura Armani erschienen.
HIER FRISCH VON DER LEBER WEG EINIGE GEDANKEN:
Obwohl Laura Armani in anderen Publikationen als transsexuell beschrieben
wird und sich selbst auch als solche bezeichnet – bei Google findet man gerade
mal einen Eintrag zu „Laura + Armani + Intersex“, eben denjenigen zu diesem
Artikel – ist sie offensichtlich intersexuell. (Nachtrag: Wenn denn die im
Artikel erwähnten Fotos eines intersexuellen Genitals (Mikropenis und
Leistenhoden) wirklich von Frau Armani stammen. Nirgends erwähnt werden zudem
Operationen oder Untersuchungen in der Kindheit, etwas, was sozusagen jede(r)
von uns über sich ergehen lassen musste. Frau Armanis Intesexualität muss
diversen Ärzten entgangen sein. Wenn's stimmt: Gott sei Dank!)
Leider trägt sie mit ihren Aussagen dazu bei, dass die geneigte Leserin und
der geneigte Leser (die im Durchschnitt über Intersexualität überhaupt nichts
wissen) verwirrt sind, wenn sie beispielsweise sagt, dass sie „schon von Geburt
an transsexuell (sei) mit einem schon immer femininen und grazilen Körperbau,
aber mit leider einem äusseren massiv unterentwickelten und nicht funktionellen
männlichen Genitale mit Leistenhoden seit der Kindheit“. Sie beschreibt einen
intersexuellen Körper und setzt ihn mit transsexuell gleich. Andernorts ist von
„transsexuellen Leiden“ die Rede, zugleich hat es noch detailliertere
Beschreibung des intersexuellen Körpers. Eine Medizinerin, die ‚transsexuell’
und ‚intersexuell’ in einem Atemzug nennt, stimmt nachdenklich.
Wieso bezeichnet Frau Armani sich in den Medien als transsexuell, wo sie
doch als Ärztin den Unterschied kennen sollte? Benutzt sie 'transsexuell'
aufgrund ihres Erlebens, wie es beispielsweise auch Homosexuelle gibt, die sich
als 'psychisch intersexuell' bezeichnen? Ist Frau Armani genetisch männlich
(XY-Chromosomen) oder genetisch weiblich (XX-Chromosomen)? Was war bei ihr die
Ursache der Intersexualität? Androgenresistenz? Enzymdefekt?
Und: "sie schafften es, zwei Kinder zu zeugen, die einzige Lösung waren
artifizielle Hilfsmittel". Was sind das für "artifizielle Hilfsmittel"? Sind
Intersexuelle zeugungsfähig?
Der Laie wird hier wohl kaum den Durchblick kriegen.
Immerhin spricht der Titel des Artikels Klartext und bringt den Unterschied
zwischen Intersexualität und Transsexualität auf den Punkt: „Die Frau, die nie
ein Mann war“ ist intersexuell geboren. Wäre von einer Transsexuellen die Rede,
müsste der Titel heissen: Die Frau, die ein Mann war. Aber ob der Laie diesen
Unterschied bemerken und diesem „nie“ die ihm zustehende Bedeutung zukommen
lassen wird?
Es ist verständlich, dass Frau Armani sich als transsexuell bezeichnet, weil
ihr Werdegang demjenigen eines Transsexuellen ähnelt. Auch handelt es sich bei
der Geschlechtszuweisung von intersexuellen Kindern genau genommen um eine
Zwangstranssexualisierung: ein intersexueller Mensch wird OHNE SEINE
PERSÖNLICHE ZUSTIMMUNG entweder dem weiblichen (in den meisten Fällen) oder dem
männlichen Geschlecht zugewiesen.
Dennoch ist es etwas ganz anderes, intersexuell zu sein. Das Hauptmerkmal
habe ich oben erläutert: uns hat niemand gefragt, ob wir zu einer ‚Frau’ oder
einem ‚Mann’ gemacht werden wollen. Über unsere Körper wurde bestimmt, ohne uns
zu fragen.
Was Herr Prof. Mullis sagt, ist bezeichnend für die Situation, die auch
heute noch herrscht:
Zwar sei das 'dritte Geschlecht' immer noch Utopie, aber "immerhin" "wächst
unter den Ärzten die Bereitschaft, ein unbestimmtes Geschlecht auch einmal sein
zu lassen, wenn es sich medizinisch vertreten lässt" ... „auch einmal sein zu
lassen“ - das erinnert mich irgendwie an meine Kindheit, als ich vor dem
Mittagessen auch schon mal etwas Süsses naschen durfte, obwohl es sonst
verboten war. Glücklich also diejenigen, bei denen die Mediziner
grosszügigerweise ein Auge zudrücken und die "auch einmal" mit einem
unoperierten Genital alt werden dürfen! Das ist dann wie ein Sechser im Lotto –
und wohl auch entsprechend selten.
Bei diesem Tempo im Umdenken werden noch viele Intersexuelle 'daran glauben'
müssen. Dabei wäre es doch so einfach: Geschlechtszuweisende Operationen dürfen
nur im Einverständnis der intersexuellen Person durchgeführt werden! Es geht um
Menschenrechte, um Kinderrechte: das Recht des Kindes auf körperliche
Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde.
Ärzte haben nur die Macht, die ihnen zugestanden wird. Ich appelliere an die
Eltern! Durch geschlechtsangleichende Operationen soll das Kind davor geschützt
werden, sozial ausgegrenzt zu werden und unglücklich zu sein. Aber gerade durch
diese Operationen wird dieses Gefühl umso grösser! Ich habe es am eigenen Leib
erfahren. Ich kann mich noch so gut an diese grosse Angst erinnern, die in mir
war, ein grosses, schwarzes, kaltes Loch, eine Art Vakuum, und ich dachte: ich
darf diese Angst nicht zeigen, ich darf nicht schreien und weinen, wenn ich das
tue, dann klappt meine Mutter vollends zusammen.
Es ist nicht einfach, ein intersexuelles Kind grosszuziehen bis zu dem
Moment, wo es selber entscheiden kann. Aber der Mensch geht nicht an der
Wahrheit zugrunde, sondern weil sie ihm vorenthalten wird.
Fortsetzung:
Eine transsexuelle Medizinerin, ein homosexueller Moderator und ein Psychologe
vom Mars (Teil 1)
Laura Armani - intersexuell oder transsexuell?
(Teil 2)
Helma Katrin Alter – transsexuell oder
intersexuell?