Hamburg: Vorstoß gegen Intersex-Genitalverstümmelungen, für historische Aufarbeitung!

Hamburg: Proteste + Offener Brief an Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) und UKE, 16.9.12

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 12. Februar 2013:

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Historische Kleine Anfrage in der Hamburgischen Bürgerschaft: Die Abgeordnete Kersten Artus will vom Senat wissen, was in der Universität Hamburg, im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und im Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) der Stand der Dinge ist betreffend historische Aufarbeitung von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen (Intersexe, Hermaphroditen, Menschen mit Besonderheit der Geschlechtsentwicklung/DSD).

Weitere Fragen an den Senat betreffen Umfang und Frequenz gegenwärtiger völkerrechtswidriger Praktiken in Hamburger Kliniken (unter Verweis auf die aktuelle Kritik des UN-Sonderberichterstatters über Folter), sowie vorschriftswidrige Bürokratieauswüchse im Personenstandswesen, mit denen erwachsene Betroffene und Eltern betroffener Kinder mitunter konfrontiert werden. Eine Antwort des Senats wird auf Anfang nächste Woche erwartet.

--> Den Text der Anfrage, weitere Informationen sowie Quellen finden Sie via den Weblog Zwischengeschlecht.info.

Dies ist das allererste Mal überhaupt, dass in einem Parlament betreffend Intersex-"Genitalkorrekturen" eine (längst überfällige) historische Aufarbeitung eingefordert wird!

Und Hamburg ist der passende Ort für diese Premiere.

Die Hamburger Universität und ihre Kinderkliniken waren in Deutschland historisch das wichtigste Zentrum zur Durchsetzung der chirurgischen Zwitter-Verstümmelungen weit über die Landesgrenzen hinaus – und in Sachen kosmetische Klitorisamputationen das wohl unbeirrbarste:

  • Der UKE-Professor Dr. Jürgen Bierich behauptete von 1958 bis mindestens 1971, es sei angeblich wissenschaftlich erwiesen: „Die Orgasmusfähigkeit leidet durch die Klitorisentfernung nicht.“ (In Bierichs Namen wird übrigens heute noch jährlich ein angesehener pädiatrischer Wissenschaftspreis vergeben.)

  • Noch 1976 wurde an der Uni Hamburg gelehrt: „In der Kinderheilkunde ist die Indikation zur Klitorektomie gegeben, wenn [...] bei Mädchen ein übermäßiges Wachstum der Klitoris stattfindet.“ (Aus einer Dissertation, abgenommen von UKE-Kinderklinikdirektor Prof. Dr. K.-H. Schäfer persönlich.)

  • Erst 1989 schwenkte Bierichs Nachfolger Prof. Dr. Rolf Peter Willig schließlich um: „Die vergrößerte Clitoris soll [...] operativ verkürzt oder versenkt werden. Dabei ist möglichst die Glans als späteres orgasmusvermittelndes Organ zu erhalten [...] Clitorektomien sollten [...] nicht mehr durchgeführt werden.“ (In: "Reproduktionsmedizin", hrsg. von den UKE-Professoren Gerhard Bettendorf und Meinert Breckwoldt, S. 355)

Bis heute praktizieren UKE und AKK unbeirrbar menschenrechtswidrige kosmetische Genitaloperationen an Kindern – und verweigern sich einer historischen Aufarbeitung, wie sie u.a. auch der Deutsche Ethikrat forderte (inkl. Entschädigung für Betroffene). Auch ein diesbezüglicher Offener Brief von Zwischengeschlecht.org vom 16.09.2012 an UKE und AKK blieb bis heute unbeantwortet – stattdessen versuchten UKE/AKK-Juristen mit Prozessdrohungen, dem Weblog Zwischengeschlecht.info zu verbieten, aus dem Online-Angebot der beiden Kliniken betreffend kosmetische Genitaloperationen an Kindern zu zitieren.

Schon vor 4 Jahren gab es in der Hamburgischen Bürgerschaft eine Vielzahl pionierhafter Vorstöße zum Thema. Ein überparteilicher Antrag verpflichtete schließlich den Senat einstimmig, sich u.a. einzusetzen

  • für Aufklärung der Bevölkerung und von Fachpersonen
  • für eine Verbesserung des psychologischen Betreuungsangebots für Eltern sowie für eine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist von Krankenakten (bis heute weigert sich das UKE, Betroffenen ihre Akten herauszugeben!)
  • und nicht zuletzt die Bürgerschaft über seine Aktivitäten auf dem Laufenden zu halten.

Und der Rest war Schweigen ...

Zwischengeschlecht.org möchte sich bei Kersten Artus für ihren Einsatz zu Gunsten des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung aller Betroffenen ganz herzlich bedanken! Und hofft, dass die aktuelle Kleine Anfrage in der Hamburgischen Bürgerschaft ein Anstoß sein wird, den Faden wieder aufzunehmen und die offenen Baustellen endlich fertigzustellen.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

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Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info

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Published on Tuesday, February 12 2013 by nella