"Das dritte Geschlecht" - Welt am Sonntag, 27.11.11
By seelenlos on Sunday, November 27 2011, 13:52 - Die Medien - Permalink
Die Zwitter Medien Offensive™ verkehrt sich in ihr Gegenteil?!
>>> Schlecht recherchierter und typisch vereinnahmender Artikel von Judith Luig, die bestimmt noch nie um die Unversehrtheit ihrer eigenen Genitalien fürchten musste, dafür aber offensichtlich unter einer Überdosis Vereinnahmung a.k.a. "persönliche Geschlechtsidentitätsuche" leidet sowie unter einer Überdosis "heimliche Sympathien für GenitalverstümmlerInnen in Kinderkliniken". Passend dazu wurde das Ganze von der Welt veröffentlicht in der Rubrik "Lifestyle".
(Nachtrag: Die >>> ursprüngliche Version des Onlineartikels von 06:22h kam noch mit oben zitiertem kurzem Titel und ohne Bilder daher. Die >>> spätere Version von 17:58h trägt neu den "passend" ausgebauten Titel "Identität: Das dritte Geschlecht – männlich, weiblich, intersexuell" und strotzt vor voyeuristischen Bildstrecken mit transsexuellen Models, "Frauen in Männerkleidung", "Marmorfigur eines schlafenden Hermaphroditen im Pariser Louvre", "Das Geheimnis des weiblichen Sexualorgans", "Variationen der [weiblichen] Schamhaarfrisuren" usw. – ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...)
(Nachtrag 2: In der "Welt"-Onlineredaktion geht es offenbar her und zu wie im Zwangsoperationssaal: Mittlerweile hat's der Artikel schon auf eine dritte "nachgebesserte" Version gebracht mit dem Titel "Geschlechtsidentität: Männlich, weiblich – und bald auch intersexuell?" – und kurz darauf gar schon auf die >>> vierte, nochmals "nachkorrigierte" Version von 19:09h mit nochmals "vereindeutigtem" Titel "Das dritte Geschlecht: Männlich, weiblich – und bald auch intersexuell?")
Stichwort "schlecht recherchiert":
• Zitat Welt: "Der Mediziner Olaf Hiort, der sich seit Längeren mit "geschlechtsangleichenden Operationen" beschäftigt, spricht von "mehreren Tausend", Vertreter von Interessengruppen sogar von 40 000 Menschen in Deutschland." Fakt bleibt, Betroffenenorganisationen, der CEDAW-Schattenbericht und auch medizynische Fachbücher (z.B. Pschyrembel Wörterbuch Sexualität) sprechen demgegenüber seit Jahr und Tag von 80'000-120'000 Betroffenen.
• Zitat Welt: "Frau, die sich in den Medien Karin Plattner nennt." Fakt bleibt, die sich als seröse Journalistin ausgebende Judith Fleig hat offensichtlich noch nie mit der sehr wohl realen Karin Plattner gesprochen, oder nur schon mal deren Namen gegoogelt.
• Zitat Welt: "Bislang sieht das Gesetz vor, dass das Kind spätestens nach einer Woche eingetragen werden muss. Mit Namen und Geschlecht." Fakt bleibt, §7 Personenstandsverordnung (PSTV) lautet seit dem 01.01.2009 wie folgt (vgl. auch die Hebammenbroschüre von Intersexuelle Menschen e.V. (PDF) --> S. 13): (1) Fehlen Angaben oder Nachweise für die Beurkundung eines Personenstandsfalls, kann das Standesamt die Beurkundung zurückstellen. Die Beurkundung des Personenstandsfalls ist in diesem Fall in angemessener Frist nachzuholen.
Die Liste liesse sich fortsetzen ....
Stichworte "Vereinnahmung" & "Medizynerpropaganda":
Die Tendenz hinter dem Artikel offenbart sich rasch durch einen Vergleich der benutzten Worte und angesprochenen Themen mit den darin unterschlagenen.
a) "Zufällig" glänzen von Betroffenenorgansiationen seit 15 Jahren als zentral gesetzte Begriffe und Fakten konsequent durch Abwesenheit (im Gegensatz übrigens zu Ethikrat und Bundestag, die solche durchaus in die Betrachtung aufnahmen):
Körperliche Unversehrtheit: 0
Menschenrechtsverletzung (oder nur schon Menschenrecht): 0
Genitalverstümmelung: 0
Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung: 0
Verlust der sexuellen Empfindsamkeit als reale Folge der Verstümmelungen: 0
physisches Leiden als Folge der Verstümmelungen: 0
Kastration: 0
usw.
b) Stattdessen wimmelt der Artikel vom Titel bis zum Schlussatz von zentral gesetzter "Genderkacke", mit der die allermeisten Betroffenen sehr wenig bis gar nichts am Hut haben (auf denen aber Interessensgruppen Dritter, die regelmässig auf Kosten verstümmelter Zwitter ihr eigenes politisches Süppchen kochen, stets herumreiten):
Geschlecht[...]: 14
Geschlechtsidentität: 3
Geschlechtseintrag: 2
Störung der Persönlichkeit: 1
usw.
Passend dazu wird weiter die zentrale Forderung der Betroffenen, nämlich "keine kosmetischen Eingriffe bzw. keine medizinisch nicht unmittelbar notwendige Eingriffe ohne informierte Zustimmung der Betroffenen selbst" im Artikel umformuliert zur Frage, "Ob man ohne die Zustimmung des Kindes medizinisch eingreifen darf, auch wenn das Leben des Säuglings oder Kleinkindes gar nicht unmittelbar bedroht ist [...]."
Da hilft es leider kaum noch, wenn zwischendurch die Bundesvorsitzende von "Intersexuelle Menschen e.V." (was im Artikel nicht offengelegt wird) "Lucie Veit[h] [!], die Operationen ohne medizinische Indikation "Menschenversuche" nennt" oder kurz auf die von diesem Blog seit Jahr und Tag angeführte Statistik der VerstümmlerInnen selbst verweisen darf, wonach "58 Prozent aller betroffenen Kinder [...] bevor sie vier Jahre alt seien bereits eine Operation hinter sich" haben – dass die über 4-Jährigen durchgehend zu teils über 90% verstümmelt sind, bleibt bequemerweise unerwähnt ...
Noch weniger hilft es, wenn Ebenfalls-IMeV-Vorstandsmitglied Claudia Kreuzer (ebenfalls ohne Offenlegung) im Vorbeigehen "lebenslange[...] Traumata der Betroffenen" durch die Operationen anspricht – was sie allerdings gleich selber disqalifiziert, indem sie Opfern von Verstümmelungen an erster Stelle dadurch hervorgerufene "Störung[en] der Persönlichkeit" unterjubelt ...
Meine 2 Cent:
Alle, die schon mit Medien zu tun hatten, wissen, dass diese bzw. JournalistInnen oft vor allem ihre eigene Agenda pflegen und mensch dort schnell mal "leicht" anders zitiert wird als eigentlich gemeint. Und dass deshalb Medienarbeit grosse Sorgfalt und Aufmerksamkeit erfordert und (im Gegensatz zu weitverbreiteten Vorstellungen) letztlich mit einem gerüttelten Mass an Verantwortung beladene, tatsächliche Knochenarbeit bedeutet.
Jedoch insbesondere bei Veröffentlichungen in der Sonntagspresse, bei denen mensch in der Regel problemlos auf Gegenlesen und ggf. nachträglichen Korrekturen zumindest der eigenen Aussagen bestehen kann, wäre es wohl fraglos möglich, mehr Klartext zu platzieren als in obigem Machwerk. Was zur möglichst baldigen Beendigung der täglichen Genitalverstümmelung in hiesigen Kinderkliniken bekanntlich dringend Not täte ...
Es ist nach wie vor entscheidend, das Thema in der Öffentlichkeit und insbesondere in den Medien präsent zu halten, um über die medizynischen Verbrechen in den Kinderkliniken aufzuklären (und es bleibt zu hoffen, dass auch dieser schlechte Artikel dazu immer noch einen Betrag leisten vermag). Doch ohne genügend Klartext und standhaftem Bestehen auf zentralen Begriffen wie "körperliche Unversehrtheit", "Menschenrechtsverletzungen", "physisches Leid durch Genitalverstümmelungen" usw. verkehrt sich diese Absicht früher oder später womöglich schnell mal in ihr Gegenteil ... (Nachtrag: Mit der bebilderten Neuversion des Artikels wohl eher früher als später ...)
>>> "Genitalkorrekturen" in Kinderkliniken: Westliche Form der Genitalverstümmelung
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
Comments
schöner kommentar zum wirklich misslungenen artikel - m.e. insbesondere im zuge der assoziierten "faktensammlung", "weiterführende links" und fotostrecken.
danke dafür!