"Intersex": Deutscher Ethikrat verabschiedet Stellungnahme – Schweizer Ethikkommission startet Anhörungen
By seelenlos on Thursday, January 26 2012, 09:17 - Die anderen - Permalink
>>> Ethikrat-Stellungnahme wird am 23.2.12 in Berlin vorgestellt
>>> Öffentliche Vorstellung NEK-CNE-Stellungnahme in Bern, 09.11.2012
Bild: Friedliche Mahnwache + Offener Brief Kinderklinik "Charité", Berlin 11.11.2011
Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 26.01.2012:
Schwere Zeiten für westliche Genitalverstümmler: Heute verabschiedet der Deutsche Ethikrat seine mit Spannung erwartete "Stellungnahme zum Thema 'Intersexualität'". Gleichzeitig erhielt in der Schweiz die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CEN) vom Bundesrat unlängst ebenfalls den Auftrag zu einer Stellungnahme und startete dazu bereits erste Anhörungen mit Betroffenen und Eltern, im Gegensatz zu Deutschland allerdings hinter verschlossenen Türen.
Ende gut, alles gut?
In beiden Fällen benötigte es zunächst ein gerütteltes Maß an öffentlichem und politischem Druck durch Betroffenenorganisationen, bevor die beiden Regierungen schließlich einlenkten. Und die jeweiligen nationalen Ethikgremien, die zuvor über Jahre aus eigenem Antrieb keinerlei Handlungsbedarf erkennen wollten, zu Stellungnahmen beauftragten:
In Deutschland brauchte es nach 15 Jahren vergeblichen parlamentarischen Vorstößen im Bundestag erst den Umweg über die UNO, bis die Bundesregierung keine andere Wahl mehr hatte als endlich zuzugeben, dass genitale Zwangsoperationen an Zwitterkindern eben doch nicht so unproblematisch sind wie zuvor stets behauptet. Auch beim Deutschen Ethikrat direkt waren Betroffenenorganisationen zunächst über Jahre stets aufs Neue vergeblich vorstellig geworden.
In der Schweiz ging es nicht zuletzt dank von Anfang an breit abgestützten politischen Vorstößen wesentlich schneller, doch ohne langjährige Proteste von Betroffenen wäre es ebenfalls nie soweit gekommen. Noch 2010 hatte der Präsident der Zentralen Ethikkommission (ZEK) der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) öffentlich verkündet, aus Sicht der ZEK würde die Problematik kosmetischer Genitaloperationen an Kindern "nicht als so brennend und mit großem Handlungsbedarf behaftet gesehen".
Kinderkliniken verstümmeln ungerührt weiter - Politiker schauen weg
Auch in Deutschland propagieren Mediziner-Standesorganisation in allen einschlägigen AWMF-Leitlinien kosmetische Genitaloperationen an Kleinkindern unbeirrbar weiter; sämtliche einschlägigen AWMF-Leitlinien stehen seit Jahrzehnten unverändert auf der niedrigsten Evidenzstufe S1 (z.B. Leitlinien 027/047 "Adrenogenitales Syndrom", 006/026 "Hypospadie", 027/022 "Störungen der Geschlechtsentwicklung"). Bei Überarbeitungen werden Betroffenenorganisationen wenn überhaupt, dann weiterhin erst ganz am Schluss und lediglich alibimäßig konsultiert.
Parallel rüsten viele Kinderklinken, in denen medizinisch nicht notwendige, kosmetische Genitaloperationen an der Tagesordnung sind, massiv auf. Prominentes Beispiel ist die Etablierung eines neuen "überregionalen Zentrums für Kinderurologie und plastisch rekonstruktive Urologie" der Berliner "Charité-Universitätsmedizin", in der die Amputation "übergrosser Kitzler bei jungen Mädchen" seit mindestens 1831 traurige Tradition darstellt (vgl. Hulverscheidt, Weibliche Genitalverstümmelung, S. 113). Während gleichzeitig der Berliner Senat die regelmäßigen Verstümmelungen in Berliner Kinderkliniken unverändert rundheraus leugnet (Drucks. 16/144436).
06.02.2012: 8. Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung - wiederum unter Ausblendung der Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken?
Seit bald 20 Jahren prangern Überlebende kosmetischer Genitaloperationen im Kindesalter diese öffentlich an als "immens destruktiv für die sexuelle Empfindsamkeit und das Gefühl für körperliche Unversehrtheit" (Cheryl Chase, Sciences, July/August 1993), als "westliche Form von Genitalverstümmelung", "medizinisches Verbrechen" und "fundamentale Menschenrechtsverletzung" – Anklagen, die seit Jahren auch von namhaften internationalen ExpertInnen und Menschenrechtsorganisationen gestützt werden, vgl. u.a. Hulverscheidt 2000, Lightfoot-Klein 2003, Terre des Femmes Deutschland 2004, Asefaw 2005, Terre des Femmes Schweiz 2009, Amnesty International Schweiz 2010, Amnesty International Deutschland 2010.
Die Antwort der verantwortlichen Behandler darauf bis heute: Ablenkungsmanöver, Ausreden, Spott und Hohn – sicher im Wissen, dass sie wegen der Verjährungsfrist juristisch nicht oder kaum je belangt werden können. Wie lange noch?
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".
Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.
Freundliche Grüße
n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info
http://zwischengeschlecht.org
Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info
>>> Anhörung "Deutscher Ethikrat"
>>> Anhörung "Nationale Ethikkomission im Bereich der Humanmedizin"
>>> 06.02.2012: "Null Toleranz für Intersex Genitalverstümmelung!"
>>> Nationale Ethikkommission (NE-CNE):
Wegweisende "Intersex"-Stellungnahme
Bild: © Dominik Huber
Kurzchronik Deutscher Ethikrat 2008-2013:
>>> Aufforderung um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Dezember 2008
>>> Erneute Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Mai 2009
>>> Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates zu "Intersexualität" 23.6.2010
>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org zum Ethikrat-Forum 23.06.2010
>>> "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org am "Forum Bioethik" 23.6.10
>>> "Ethik als Freifahrtschein, an die Eltern eine ohnehin schon feststehende Entscheidung
abzudelegieren" - Claudia Wiesemann, Forum Bioethik 23.6.10
>>> Pressemitteilung des Deutschen Ethikrates vom 25.6.10
>>> Veranstaltung des Ethikrates in Berlin 23.6.10
>>> "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org am "Forum Bioethik" 23.6.10
--> Bayerischer Rundfunk --> Tagesspiegel --> Deutschlandradio --> e-politik
Unzensierte Version: Draufklicken (PDF, 3.3 MB)
>>> Flugblatt zur Anhörung (PDF, 3.3 MB)
WARNUNG: 2. Seite enthält Operationsfotos!
>>> Übersichtsseite zur Ethikrat-Anhörung 08.06.2011
>>> Ethikrat 08.06.2011: "Wie so oft wird um den heißen Brei herumgeredet"
Video-Statement von Daniela "Nella" Truffer (Zwischengeschlecht.org)
>>> Ethikrat-"Diskurs": Privilegien für Genitalverstümmler, Zensur für Opfer
>>> Deutscher Ethikrat: "Verstümmeln ist OK,
solange es nicht um die Geschlechtsidentität geht"
150 Jahre Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken jetzt beenden!
Ethikrat-Pressekonferenz, 23.2.12 (Bild: © dapd / sueddeutsche.de)
>>> Intersexuelle Menschen e.V.: "Genitaloperationen müssen verboten werden"
Ethikrat-Stellungnahme 2012 als Freibrief zum Kinderverstümmeln:
>>> Prof. Dr. Dagmar L’Allemand-Jander ("EuroDSD")
>>> Prof. Dr. Wieland Kiess (Dekan Medizinische Fakultät Leipzig)
>>> Gesamte Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
Siehe auch:
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken
- USA: Seriengenitalverstümmler Prof. Dr. Dix Phillip Poppas von Ethikerinnen geoutet
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- Genitale Zwangsoperationen: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?