Geschlechtsverbot für Intersex-Kinder (§ 22 PStG): "Deutliche Kritik an neuer Regelung" (queer.de) und weitere Reaktionen

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Interessanter Artikel auf queer.de inkl. z.T. ebensolchen Kommentaren darunter, zum neuen "Geschlechtseintrags-Verbot" für Intersex-Kinder im neuen § 22 (3) PStG, mit einem Überblick zu den ersten Verlautbarungen, inkl. zu unserer Pressemitteilung vom 1.2.13, und einem Bild von unserem Protest vor dem Kispi St. Gallen. Danke!

Einen solidarischen Kommentar schaltete Daniel R. Frey auf >>> Queerdenker.ch. Und einen Hinweis Heinz-Jürgen Voß auf >>> Das Ende des Sex. Danke!

Nachtrag 1: >>> Deutliche öffentliche Kritik gab's mittlerweile auch von Intersexuelle Menschen e.V., OII Deutschland (IVIM) und von der Juristin Konstanze Plett, die alle ebenfalls rügen, Betroffene nicht konsultiert wurden, dass das Zwangsgesetz den Druck auf Eltern erhöht, und in erster Linie ein Verbot der Verstümmelungen notwendig wäre sowie den MedizynerInnen die (Definitions-)Macht zu entreissen. Danke! 

Wie schon festgehalten, tun die PolitikerInnen in ihren Pressemitteilungen überparteilich gleichgeschaltet alle so, als würde der neue Paragraph den Betroffenen eine Wahl auftun, obwohl dem bekanntlich klar nicht so ist – offensichtlich können sie alle vor lauter Wahlkampf und anderen wichtigeren Dingen nicht mal "ist-ohne-Eintrag-einzutragen" (so steht's ultimativ im neuen § 22 drin) von "kann-ohne Eintrag-eingetragen-werden" unterscheiden – obwohl manche den neuen Gesetzestext noch copy/pasten!

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) reklamiert offiziell die Verantwortung für das Debakel, das auf ihre "Initiative" zustande gekommen sei und die Umsetzung "einer Forderung des Deutschen Ethikrates im Bereich der Intersexualität" darstelle. Und das war's dann – kein Wort zum eigentlichen Problem der täglichen Intersex-Genitalverstümmelungen ... bekanntlich hat die Bundesregierung dazu auch sonst dezidiert "keine Meinung".

Die CDU/CSU, vertreten durch Dorothee Bär und Peter Tauber, nennt den neuen Zwang einen "großen Erfolg, für die betroffenen Menschen, die" – und hier müsste sich die ganze CDU/CSU in erster Linie gleich selbst an der Nase nehmen! – "in der öffentlichen Debatte leider nur selten Beachtung finden". Um danach voller Selbstlob (und wie von Zwischengeschlecht.org prophezeit) sogleich zu unterstellen, damit wäre die Arbeit ja getan rsp. ein angeblich "besonders wichtiges Anliegen der Betroffenen" abgehakt, und das (in den Augen der Betroffenen zentrale) Problem der andauernden Intersex-Genitalverstümmelungen würde sich – Dank der gütigen Hilfe von CDU/CSU – nun ja quasi von sebst lösen: "Damit begleiten wir auch den Paradigmenwechsel in der Fachwelt, die von festlegenden operativen Eingriffen [...] abrückt." Tja, schön wär's – aber Hauptsache zur Ablenkung noch grossartig das "binäre Geschlechtermodell" als angeblichen Sündenbock vorschieben, jedoch bloss kein Wort vom Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die GenitalabschneiderInnen werden's bestimmt mit grosszügigen Wahlkampfspenden danken!

In einem Blogpost nennt Peter Tauber (CDU) immerhin realistischere Zahlen, als wir uns das sonst von PolitikerInnen gewohnt sind: "Jedes Jahr werden zwischen 200 und 400 Kinder in Deutschland geboren, bei denen das Geschlecht nicht eindeutig festzustellen ist. [...] In Deutschland leben nach Schätzung mehrere zehntausend intersexuelle Menschen." Ansonsten tut er weiterhin so, als wären die Verstümmelungen (nicht zuletzt dank unzähliger Bundestags-Sitzungen) längst Geschichte, indem er ausschliesslich von "irreparablen medizinischen Eingriffen in der Vergangenheit" schreibt, angeblich "aufgrund einer fehlenden Sensibilität bei Ärzten und Krankenhäusern" – dass die Verstümmelungen obendrein noch recht rentabel sind, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wie stets in den letzten 20 Jahren, wenn an den Verstümmelungen nichts geändert werden soll, plant auch Tauber ein weiteres "Fachgespräch" – als wäre nicht längst schon alles zigmal durchgekaut (und als hätte es z.B. das Verdikt des UN-Komitees gegen Folter oder die Bundestagsanhörung nie gegeben): "Darüber hinaus habe ich mich dafür eingesetzt, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [...] einen großen Kongress durchführt, damit das Thema fachlich weiter diskutiert, wir über nächste Schritte sprechen und wie wir die Gesellschaft weiter sensibilisieren können." Und wenn sie nicht gestorben sind, so labern – äh, operieren sie noch heute ...

Wie ebenfalls vorausgesehen verkaufen die Grünen, vertreten durch Monika Lazar und Volker Beck (und gepusht vom LSVD), den neuen Zwang für die Betroffenen vollmundig als "kleine Revolution für Intersexuelle". Es ehrt sie, dass sie im Anschluss immerhin sogleich thematisieren, dass das eigentliche Anliegen der Betroffenen, nämlich ein "Verbot" der Genitalverstümmelungen, bzw. der "große Wurf" nach wie vor"fehlt". Dass sie dabei weiterhin unverdrossen der TäterInnensprache fröhnen, indem sie von "prophylaktischen, geschlechtsangleichenden Operationen" reden, verursacht einmal mehr Brechreiz, und macht deutlich, dass auch sie selbst das Wesentliche leider immer noch nicht wirklich kapieren wollen.

Die FDP schickte gleich 2 Pressemitteilungen ins Rennen: Manuel Höferlin [offline] wertet den neuen Zwang als "einen liberalen Erfolg". Dito Florian Bernschneider, der es zusätzlich mit Grünen hält: "Dies ist nicht mehr und nicht weniger als eine kleine Revolution im Personenstandsrecht." Die eigentliche Problematik der Verstümmelungen deuten beide nicht einmal an. Auch dafür werden sich die GenitalabschneiderInnen bestimmt erkenntlich zeigen.

Keine Pressemitteilungen gab's offenbar von SPD und Die Linke – zumindest konnte ich keine ausfindig machen.

Nachtrag 2:

Mechthild Rawert (SPD) kritisierte auf ihrer >>> Homepage die Gesetzesänderung ebenfalls als "Hauruck-Aktion" und bemängelte mangelnde interfraktionelle Abstimmung. Den zentralen Kritikpunkt der Betroffenenorganisationen, nämlich dass die Änderung einen neuen Zwang und keine Option darstellt, und dadurch Eltern noch stärker unter Druck setzen und betroffenen Kindern konkret schaden wird, scheint Rawert allerdings entgangen zu sein, da sie dies nicht einmal erwähnt, und stattdessen ebenfalls behauptet, es handle sich um eine "kann-Möglichkeit". Auch die Kritik, dass die Betroffenenorganisationen für den neuen § 22 (3) nicht konsultiert wurden, bleibt unerwähnt.

Stattdessen fordert Rawert weiterhin unbeirrbar (wie schon an der Veranstaltung im Rogate-Kloster) einen 3. Geschlechtseintrag offensichtlich auch für Neugeborene, statt, wie Betroffene dies fordern, ggf. eine selbstbestimmte optionale Möglichkeit für Erwachsene.

Immerhin fordert laut Mechthild Rawert anscheinend die SPD an 1. Stelle mittlerweile ein "Verbot von irreversiblen geschlechtszuweisenden bzw. geschlechtsanpassenden Operationen an mehrdeutig geschlechtlich geborenen Kleinkindern, an Minderjährigen ohne deren ausdrückliche Einwilligung" – langsam scheint da etwas in Bewegung zu kommen, auch wenn leider die unreflektierte Rede von "geschlechtszuweisenden bzw. geschlechtsanpassenden Operationen" weiterhin ausschliesslich der TäterInnenperspektive Rechnung trägt und die wohl häufigsten kosmetischen Genitaloperationen an Kindern einmal mehr aussen vor lässt (wie schon der Ethikrat). Auch die Rede von "mehrdeutig geschlechtlich geborenen Kleinkindern" stiftet (gewollt?) unnötig Verwirrung, statt deutlich klarzustellen, worum es wirklich geht, nämlich um Kinder mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen (und nicht um Rawerts offensichtliches Steckenpferd der "Geschlechtsidentität", sexuelle Orientierung usw.).

Hier besteht offensichtlich weiterhin erheblicher Informationsbedarf. Nicht zuletzt, weil Mechthild Rawert auch in sonstigen Mitteilungen zum Thema Intersex körperliche Unversehrtheit mit "Identitätsfragen" gern bunt durcheinandermischt, und z.B. tatsachenwidrig behauptet, in Argentinien fänden keine Zwitter-Genitalverstümmelungen mehr statt. Auch hier hätte eine Konsultation mit Betroffenenorganisationen sie schnell eines Besseren belehrt, nämlich dass Argentinien im Allgemeinen und Buenos Aires im Besonderen unverändert GenitalabschneiderInnenhochburgen sind, die obendrein noch massgeblich zur globalen Propagierung der menschenrechtswidrigen Verstümmelungen beitragen – offensichtlich mit ausdrücklichem Segen und gar noch Lob der Tempelhofer SPD. Auch die zunehmenden Verstümmelungen in der Berliner Charité waren bisher weder für Mechthild Rawert noch für die Berliner SPD jemals ein Thema ...

>>> Bundesrat 2014: Verwaltungsvorschrift zum PStG-Murks § 22(3) PStG:
        Alleinige Definitionshoheit und Entscheidungsgewalt für Ärzte    

>>> Bundestag 31.1.13: Staatliches Zwangsouting für "Intersex-Kinder" -
        Freipass für GenitalabschneiderInnen

>>> Intersex-Fakten: Geschlechtseintrag "offen" seit 2009 möglich (§ 7 PStV) -
        Genitalverstümmelungen zunehmend