"Vorstöße für Intersexuelle: 'Operationen nach der Geburt verhindern'" + "Das dritte Geschlecht" - Stuttgarter Zeitung, 30.10.13

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)Klasse Berichterstattung zum Personenstand-Murks auch in der Stuttgarter Zeitung, und zwar in 2 Teilen:

>>> Herausragendes Interview mit Beate Rudolf (Dt. Institut für Menschenrechte) unter dem Titel "Vorstöße für Intersexuelle: 'Operationen nach der Geburt verhindern'".

Beate Rudolf, die bekanntlich schon vor dem Bundestags-Familienausschuss Klartext brachte zum Thema Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM), nimmt erneut kein Blatt vor den Mund:

"Aus menschenrechtlicher Perspektive ist der dringlichste Schritt, geschlechtszuweisende Operationen zu verhindern, die nicht der Lebensrettung dienen – und das sind fast alle. Das folgt aus dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, aus dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes und dem Grundsatz des Kindeswohls. Hierfür bedarf es klarer rechtlicher Regelungen und der Aufklärung von medizinischem Personal, Eltern und der allgemeinen Öffentlichkeit."

"Hebammen, Ärztinnen und Ärzte sind in der Regel die ersten Ansprechpartner für Eltern. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich der menschenrechtlichen Grenzen ihrer Tätigkeit, vor allem der Begrenzung durch die Kinderrechte, bewusst sind. Es bedarf der Einsicht, dass die Furcht vor der Diskriminierung einen unumkehrbaren medizinischen Eingriff nicht rechtfertigt."

"Der Bundestag hat im vergangenen Jahr eine eindrucksvolle Debatte über das Thema Intersexualität geführt – allerdings spätabends. Nicht weit genug verbreitet ist jedoch die Einsicht, wie dringend es ist, intersexuelle Kinder vor unumkehrbaren Operationen zu schützen."

>>> Gelungener Artikel "Das dritte Geschlecht" von Stefan Geiger. Im 1. Abschnitt wird scheinbar obligat Nellas Geschichte aus dem CEDAW-Schattenbericht kurz zusammengefasst (scheinbar ebenfalls obligat ohne oder Namensnennung oder ursprüngliche Quellenangabe), ebenso im letzten Abschnitt (auf der 2. Artikel-Seite "Intersexualität: Operationen nur in Ausnahmefällen") mit einem zusätzlichen Zitat die Geschichte von Frances (ebenfalls ohne Name oder Quelle), vgl. CESCR-Schattenbericht (S. 46-49) sowie CAT-Schattenbericht (S. 40-41).

Auch sonst gibt's im Artikel wiederholt Klartext:

"Es ist wohl kein Zufall, dass diese Gesetzesänderung zwar mit großer Mehrheit beschlossen wurde, aber fast ohne Diskussion und faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Gesetzesvorhaben versteckt wurde, das ansonsten rein bürokratische Ziele verfolgte. Angestoßen wurde diese Entwicklung übrigens nicht in Deutschland selbst, sondern von den UN, die von der Bundesregierung Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte von Intersexuellen gefordert hatten."

"Viel wichtiger als das Personenstandsrecht sind die Empfehlungen, die der Ethikrat zur medizinischen Behandlung gegeben hat. Operationen an Kindern soll es nur noch in Ausnahmefällen geben. Über „irreversible medizinische Maßnahmen“ sollen grundsätzlich nur noch die Betroffenen selbst entscheiden – wenn sie volljährig sind. Operationen an Kindern sollen nur bei Lebensgefahr erlaubt sein oder bei einer schwerwiegenden Gefahr für die physische Gesundheit. Auch in diesen Fällen sollten „ältere“ Kinder gehört werden. Denn es sei das höchstpersönliche Recht der Betroffenen, über ihre geschlechtliche und sexuelle Identität zu entscheiden. Dazu zähle das „Recht auf Fortpflanzungsfreiheit“, das operative Eingriffe nehmen können. Das alles sind eigentlich Selbstverständlichkeiten."

Meine 2 Cent: Zwar gehen beide Beiträge etwas gar salopp über die bekannten Schattenseiten sowohl des § 22 (3) PStG wie auch der Ethikrat-Stellungnahme hinweg, aber dafür arbeiten beide den dringenden Handlungsbedarf betreffend der Hauptproblematik der andauernden Genitalverstümmelungen an wehrlosen Kindern deutlich heraus. Dafür allen Beteiligten von diesem Blog ein ganz herzliches Dankeschön! 

>>> Intersex-Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013 
>>> § 22 (3) PStG: Zwangsouting für Intersex-Kinder - Freipass für Genitalverstümmler
>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen"
>>> Europarat verurteilt Intersex-Genitalverstümmelungen
 
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Intersex-Verstümmelungen – eine Genealogie der TäterInnen